Pressestatement von Kanzler Merz nach Berlin Prozess-Gipfeltreffen in London
Man wolle eine Geschichte der Hoffnung und des Fortschritts schreiben für die Menschen in der Region und für ganz Europa. Das machte Bundeskanzler Friedrich Merz beim Berlin Prozess-Gipfel in London deutlich.
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 22. Oktober 2025
Die Westbalkanländer hätten Deutschlands Unterstützung, sicherte Kanzler Merz beim Berlin Process Summit in London zu.
Foto: Bundesregierung/Marvin Ibo Güngör
Der Berlin Prozess stehe seit über zehn Jahren für die Zusammenarbeit mit den Ländern des Westbalkans. „Das war nie wichtiger als in den Zeiten, in denen wir leben“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz in einem Pressestatement beim Gipfel des Berlin Prozesses zum Westbalkan in London.
Merz bezeichnete die sechs Westbalkanländer – Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien – als integralen Teil der europäischen Familie. Sie seien geographisch umgeben von EU-Mitgliedstaaten und unterhielten auch zu Deutschland sehr gute Beziehungen. „Wir wollen diese Beziehungen verbessern“, so der Kanzler.
Das Wichtigste in Kürze:
- Reformen umsetzen: Jedes der Westbalkanländer habe selbst in der Hand, wie lange der vom Berlin Prozess unterstützte Weg in die Europäische Union dauert. „Reformen in diesen Ländern sind der Schlüssel hierzu“, bekräftigte Merz. Als EU könne und werde man keinen Rabatt gewähren, dies wäre auch nicht im Sinne der Zukunft der Kandidatenländer.
- Einwanderung regulieren: Diese brauche es auch in Zukunft – in Deutschland wie in allen Ländern der EU. „Wir brauchen sie auch und vor allem für unsere Arbeitsmärkte”, betonte der Kanzler. Mit Blick auf Herausforderungen hierbei würde beim Europäischen Rat in Brüssel jedoch über die gemeinsame europäische Einwanderungs- und Asylpolitik gesprochen werden.
- Brücken bauen: Bundeskanzler Merz forderte Serbien und Kosovo auf, den Dialog zur Normalisierung ihrer Beziehungen zu verstärken und sicherte seine Unterstützung zu. „Es ist an der Zeit, dass die beiden Länder die eingegangenen Verpflichtungen vollständig umsetzen”, betonte der Kanzler. Merz zeigte sich erfreut, dass alle Parteien im Vorfeld des Gipfels eine gemeinsame Erklärung zu Versöhnung und gutnachbarschaftlichen Beziehungen angenommen hätten, die fortan jeden Tag mit Leben zu füllen sei.
Lesen Sie hier die Mitschrift des Statements:
Bundeskanzler Friedrich Merz:
Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, um dem Gastgeber herzlich zu danken. Keir Starmer hat mit der britischen Regierung in diesem Jahr den Berlin-Prozess-Gipfel ausgerichtet. Wir haben eine sehr engagierte und intensive Diskussion über verschiedene Themen der Vernetzung, der Zusammenarbeit, der Migration und der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Europäischen Union und ihrer Nachbarn gehabt. Der Berlin Prozess steht seit nunmehr über zehn Jahren für die Zusammenarbeit mit diesen Staaten, die überwiegend aus dem früheren Jugoslawien hervorgegangen sind. Das war nie wichtiger als in den Zeiten, in denen wir leben. Denn durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, hybride Bedrohungen, die wir jeden Tag erleben, wirtschaftliche Herausforderungen und zunehmenden Druck durch autoritäre Kräfte sind wir mehr denn je gefordert, in Europa zusammenzuarbeiten und geeint aufzutreten.
Was Entschlossenheit ausmachen und Kooperation bewirken kann, das haben wir erst vergangene Woche im Nahen Osten erlebt. Das ist ein Moment der Hoffnung, auch wenn wir weiterhin intensiv für den Frieden in der Region arbeiten müssen.
Das ist auch die Botschaft mit Blick auf unsere Bemühungen um ein Ende des russischen Angriffskriegs. Auch darüber haben wir heute intensiv gesprochen und werden morgen im Europäischen Rat in Brüssel weiter darüber sprechen. Ein gerechter und dauerhafter Friede für die Ukraine ist erst dann möglich, wenn wir in Europa und auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika eng zusammenarbeiten.
Das ist der Geist, der auch das Treffen heute bestimmt hat und der sich auf die ganze Region übertragen lässt. Auf dem Westbalkan setzen sich trotz aller Bemühungen immer noch die Konflikte vermeintlich längst vergangener Tage fort, und es kommen neue geopolitische Spannungen hinzu.
Wir haben heute ausführlich über diese Themen gesprochen. Wir haben den Willen, daraus eine Geschichte der Hoffnung und des Fortschritts für die Menschen in der Region und für ganz Europa zu schreiben. Denn die Länder des westlichen Balkans in Südosteuropa sind ein integraler Teil der europäischen Familie. Sie sind geografisch von Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit sehr guten Beziehungen nach Deutschland umgeben. Aber auch aus den Ländern selbst gibt es intensive und gute bilaterale Beziehungen. Wir wollen diese Beziehungen verbessern. Ich habe dazu den Vorschlag unterbreitet, dass wir bis zu unserem Treffen nächstes Jahr in Montenegro miteinander einen Prozess vereinbaren, der zu entsprechenden weiteren Schritten bis hin zur Mitgliedschaft dieser Länder in der Europäischen Union führen kann.
Die Entwicklungen in der Region berühren aber auch unmittelbar unsere Sicherheitsinteressen. Der westliche Balkan liegt an der Hauptroute für die Migration in die Europäische Union und damit auch nach Deutschland. Organisierte Kriminalität und Terrorismus bleiben die Herausforderungen, die wir weiterhin gemeinsam angehen müssen. Darüber haben wir heute sehr ausführlich gesprochen.
Ja, wir brauchen auch in Zukunft Einwanderung. Das gilt ebenso für Deutschland wie für alle Länder der Europäischen Union. Wir brauchen sie auch und vor allem für unsere Arbeitsmärkte. Denn schon heute sind viele Menschen mit Migrationshintergrund, wie wir es ausdrücken, unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes. Sie arbeiten in Deutschland; sie leben in Deutschland. Sie arbeiten in Pflegeheimen und in Universitäten. Wir können auf sie gar nicht mehr verzichten, ganz gleich, woher sie kommen, welcher Hautfarbe sie sind und ob sie erst in erster oder schon in zweiter, dritter oder vierter Generation in Deutschland leben und arbeiten. Die meisten von ihnen sind auch schon Staatsbürger unserer Länder. Das gilt auch für Deutschland.
Probleme machen uns diejenigen – auch das ist heute ein Thema gewesen –, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich auch nicht an unsere Regeln halten. Viele von ihnen bestimmen auch das öffentliche Bild in unseren Städten. Deshalb haben mittlerweile so viele Menschen in Deutschland und in anderen Ländern der Europäischen Union – das gilt nicht nur für Deutschland – einfach Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Das betrifft Bahnhöfe, U-Bahnen, bestimmte Parkanlagen, und es bestimmt ganze Stadtteile, die auch unserer Polizei große Probleme bereiten. Die Ursachen dieser Probleme müssen wir lösen. Wir müssen und können sie auch nur gemeinsam in Europa lösen, auch um das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Rechtsstaat dort wieder herzustellen und zurückzugewinnen, wo es uns in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Deswegen werden wir auch morgen in Brüssel noch einmal über die gemeinsame europäische Einwanderungs‑ und Asylpolitik sprechen. Das ist eine Arbeit, die wir gemeinsam leisten müssen, die aber auch nationale Anstrengungen erfordert. Das alles ist nicht immer einfach. Das Treffen heute hier in London zeigt, dass noch eine ziemlich lange Wegstrecke vor uns liegt.
Aber ich möchte es noch einmal betonen: Die Länder, die wir Westbalkanstaaten nennen, gehören zu uns. Ich habe den Vertretern dieser Staaten, den Staats‑ und Regierungschefs, gesagt, dass wir sie als Mitglieder in der Europäischen Union wollen, weil wir wissen, dass wir die Herausforderungen, vor denen wir national wie international stehen, nur gemeinsam lösen können.
Wir begegnen uns in diesem Prozess mit diesen Ländern auf gleicher Augenhöhe. Wir begegnen uns als gleichberechtigte Partner. Das ist keine Kleinigkeit innerhalb dieser Region, die immer noch auch vom Schatten der Vergangenheit eingeholt wird und in der es immer noch nationalistische, spaltende Rhetorik gibt. Wir wollen das gemeinsam überwinden.
Ich habe deshalb heute auch den Dialog zur Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo angesprochen. Auch in diesem Jahr fehlt es hierbei leider wieder an Fortschritt. Ich möchte, dass sich die Bundesregierung in diesem Prozess engagiert. Ich habe das auch für mich persönlich gesagt. Es ist an der Zeit, dass die beiden Länder die eingegangenen Verpflichtungen vollständig umsetzen. Wir werden das auch miteinander besprechen.
Ich freue mich, dass wir heute eine gemeinsame Position vereinbart haben, eine gemeinsame Erklärung zu Versöhnung und gutnachbarlichen Beziehungen. Das müssen wir jetzt allerdings auch mit Leben füllen. Denn die Zukunft der sechs Länder des westlichen Balkans liegt in der Europäischen Union. Der Berlin Prozess bringt sie auf diesem Weg auch voran. Das hat der heutige Tag noch einmal gezeigt. Wie lange der Weg dorthin noch dauert, hat jedes Land selbst in der Hand. Reformen in diesen Ländern sind der Schlüssel hierzu.
Als Europäische Union können und werden wir hierbei keinen Rabatt gewähren. Abgesehen davon wäre dies auch nicht im Sinne der Zukunft der Kandidatenländer. Auch das haben wir heute erneut deutlich gemacht. Denn wir wollen uns den Zielen des Berlin Prozesses auch in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr in Montenegro beim nächsten Treffen mit vollem Engagement zuwenden.
Ich will noch einmal sagen, dass Keir Starmer das sehr gut organisiert und moderiert hat. Es war eine sehr intensive und sehr gute Diskussion. Aber ich habe doch festgestellt, dass ein ganz großer Teil der Probleme – ich habe die Migration angesprochen, und ich könnte weitere ansprechen – gemeinsame Probleme sind, die wir auch gemeinsam lösen wollen. Dazu sind wir gemeinsam entschlossen.
Herzlichen Dank.