Antrittsbesuch des Kanzlers bei der Bayerischen Staatsregierung
Bundeskanzler Friedrich Merz hat an einer Sitzung der Bayerischen Staatsregierung auf der Zugspitze teilgenommen. In der gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministerpräsident Markus Söder kündigte er an: „Wir werden viele Dinge gemeinsam auf den Weg bringen.”
- Mitschrift Pressekonferenz
- Dienstag, 15. Juli 2025
Auftakt von Besuchen in allen 16 Bundesländern: Bundeskanzler Merz traf sich mit dem bayerischen Ministerpräsident Söder und der bayerischen Staatsregierung auf der Zugspitze.
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
Mit dem Ziel, die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu stärken, plant Bundeskanzler Friedrich Merz Antrittsbesuche bei allen 16 Landesregierungen. Den Auftakt machte Bayern: Auf der Zugspitze nahm Kanzler Merz auf Einladung des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder an einer Sitzung der Bayerischen Staatsregierung teil.
Der Bundeskanzler betonte die große Bedeutung der erfolgreichen Zusammenarbeit von Bund und Ländern. So konnte die Bundesregierung, laut Kanzler Merz, bei allen wichtigen Gesetzgebungsvorhaben des ersten Halbjahres Einvernehmen mit den Ländern erzielen. Diese wurden in der vergangenen Woche im Bundesrat beschlossen.
Im Fokus des Treffens standen wirtschafts- und migrationspolitische Themen. Zu den Kontrollen an Bayerns Grenzen sagte Kanzler Merz: „Der Freistaat Bayern ist bisher das einzige Bundesland, dass eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen Bundespolizei und Landespolizei hat, gemeinsame Grenzkontrollen durchzuführen.”
Das Wichtigste in Kürze:
Konjunkturelle Lage: Die wirtschaftliche Lage verlange entschlossenes Handeln. Bundeskanzler Merz kündigte mehr Bürokratieabbau und gezielte Entlastungen für die Industrie an. Das Investitionspaket des Bundes solle – angelehnt an Bayerns Hightech-Agenda – insbesondere Zukunftstechnologien stärken.
Außenwirtschaft und Handel: Der Kanzler betonte die Bedeutung stabiler transatlantischer Wirtschaftsbeziehungen. Er stehe in engem Austausch mit dem US-Präsidenten und der EU-Kommissionspräsidentin, um bestehende Handelsbarrieren weiterhin niedrig zu halten und abzubauen.
Außengrenzen: Als gemeinsames Anliegen nannte Bundeskanzler Merz die Begrenzung irregulärer Migration. Der Rückgang der Asylanträge sei ein erstes Signal. Langfristig seien aber offene Grenzen im europäischen Schengenraum das Ziel.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:
Ministerpräsident Markus Söder:
Lieber Herr Bundeskanzler, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal herzlich willkommen und herzlichen Dank für den heutigen Besuch! Es ist das erste Mal, dass ein Bundeskanzler auf der Zugspitze ist. Das ist der erste Besuch in einer Reihe von Besuchen in den Bundesländern in Deutschland, und zwar hier bei uns in Bayern und auf dem höchsten Berg Deutschlands, also dem Höhepunkt Deutschlands. Insofern passt das sehr schön, und wir freuen uns sehr über den Besuch.
Wir sind ein besonderes Land, ein besonderes Bundesland, das zwei Dinge miteinander vereinbart:
Das ist zum einen die Kultur, manchmal auch ein bisschen Klischee. Das sieht man auch hier. Wir haben heute die Gebirgsschützen hier. Das ist unsere große Tradition, die wir gezeigt haben. Vielen Dank auch für die gemeinsame Abnahme! Das ist im Zweifelsfall ein bisschen unsere bayerische Armee.
Aber wir sind zum anderen auch ein Land von Kraft und Kreativität. Wir sind, was Wirtschaft und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf angeht, die Nummer eins. Wir sind mittlerweile bei Start-ups die Nummer eins. Wir sind bei „defence tech“ die Nummer eins. Wir haben die zwei besten Universitäten in Deutschland, und bei der Bildung sind wir ganz vorn mit dabei. Leider sind wir auch beim Länderfinanzausgleich die Nummer eins. Wir haben also schon einiges zu bieten.
Das Gespräch heute war nicht einfach nur eine Leistungsschau, sondern es waren tatsächlich inhaltliche Gespräche, wofür wir Danke sagen. Denn drei Jahre Rezension machen auch vor Bayern nicht halt. Gerade die Dinge, die für Deutschland besonders wichtig sind, also die Bereiche Auto, Chemie, Maschinenbau, sind auch für uns extrem wichtig. Deswegen haben wir heute ein bisschen über Themen diskutiert, aber auch einen kleinen Wunschzettel formuliert, über den wir im Gespräch sind.
Zuerst ist – da danke ich auch für den Einsatz des Bundeskanzlers – das Thema der Zölle ganz wichtig. Wir können noch so viele und gute Steuersenkungen machen, wie wir sie jetzt beschlossen haben, aber das könnte durch die Zölle aufgefressen werden. Deswegen ist es wichtig, dass wir bis August ein Ergebnis haben. Dass sich der deutsche Bundeskanzler in die europäischen Prozesse einschaltet, ist nur von Vorteil. Das sollte auch noch beim Thema von Auto und Verbrenner passieren. Wir glauben an Technologieoffenheit und nicht an ideologische Bürokratie.
Das Zweite ist: Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung Bayerns. Bayern ist eines der wirtschaftlichen Leistungszentren. Wir haben durch Digitalisierung und Elektromobilität einen großen Energiehunger. Deswegen ist wichtig, dass es zum einen bei einer Stromzone hinsichtlich des Preises bleibt. Darüber haben wir eine gemeinsame Auffassung; dafür danke ich. Zum anderen geht es um den massiven Einsatz neuer Gaskraftwerke. Wir brauchen sie dringend, fast sechs Gigawatt. Für uns ist auch ganz wichtig, dass der Leitungsanschluss für alle möglichen Leitungen auch in den Süden Europas stattfindet, nicht nur den Norden. Wir bitten, beim Ausbau der Erneuerbaren nicht nur auf Wind, sondern auch auf Dinge wie Biomasse und Biogas zu setzen.
Ein wichtiger Beitrag, den wir für die wirtschaftliche Stärke und für Innovation erbringen wollen, ist das technologische Ökosystem. Deswegen bewerben wir uns und bitten um Unterstützung und Prüfung bei der KI-Factory, die mit der besten Uni in der EU – das ist die TU – als wissenschaftlichem Mittelpunkt‑ und mit Firmen wie SAP, Siemens, Allianz, BMW, Rohde & Schwarz startet. Das ist ein ganz zentrales Anliegen. Wir bewerben uns um einen Standort. Vielleicht gibt es auch zwei in Deutschland. Wir wollen uns einbringen.
Das Gleiche gilt für das Thema des Quantencomputings. Zentrale Botschaften: Dafür können in Deutschland – so haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart – zwei, vielleicht sogar drei Standorte entstehen. Wir wollen dabei sein.
Wir bitten sehr, darauf zu achten, dass bei der Verteilung militärischer Investitionen nicht nur die Küste dabei ist, sondern der ganze „defence-tech“-Bereich, der in Bayern wichtig ist. Bei der Raumfahrt – dafür haben wir im Koalitionsvertrag große Unterstützung gehabt – ist wichtig, dass wir die Stärkung der ESA erreichen können. Das alles soll natürlich immer in Kooperation mit anderen Bundesländern geschehen.
Beim Verkehr ist uns ganz wichtig, die Zulaufbereiche nach Ost und Süd für Deutschland zu verbessern. Das gilt für die Zugverbindung München—Prag. Wir haben Superverbindungen in Westeuropa, aber schlechte nach Osteuropa. Das gilt sowohl für Berlin — Warschau als auch für München — Prag. Das sollte im Mittelpunkt stehen. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart. Das gilt natürlich auch für den Süden. Am Brenner droht Ende des Jahrzehnts ein echter Infarkt, wenn dann noch Sperrungen von Brücken und Renovierungen hinzukommen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass man sehr bald beginnt, den Brennerzulauf zu organisieren.
Zum letzten Punkt: Wir sind bei der digitalen Verwaltung und der Digitalisierung im Onlineangebot sehr gut. Nach dem Dashboard, das es auf nationaler Ebene gibt und auf dem die Kommunen mit den besten Leistungen ausgewiesen werden, sind von 35 der besten Kommunen 35 aus Bayern. Das geht also schon. Wir wären sehr gern bereit, eine Pilotregion – der neue Minister hat es angedeutet – zu werden, die für uns da wäre.
Das alles sind Wünsche, die wir haben und zu denen wir schon im Gespräch sind, ohne das heute abschließend klären zu können. Wir danken der Bundesregierung und den Ministerien für die gute Zusammenarbeit. Ich muss es sagen: Es ist nun natürlich eine andere Welt als vorher. – Wir sind kooperativ. Wir sind konstruktiv. Nur bei Feiertagen und Ferien sind wir kompromisslos. An der Stelle werden wir nichts ändern. Das sei noch einmal gesagt.
Ich möchte mich sehr herzlich bedanken. Ich möchte mich aber auch ganz persönlich für die jetzt seit über drei Jahren unabhängig von den Ämtern bestehende hervorragende und verlässliche Zusammenarbeit bedanken. Da gilt ein Wort; das muss ich wirklich sagen. Deswegen sage ich persönlich: Respekt für die ersten zehn Wochen der neuen Bundesregierung! Das gilt insbesondere angesichts der internationalen Herausforderungen. Denn innenpolitische Fragen werden heute von außen abhängen. Das betrifft finanzielle Dinge, NATO, Europäische Union und ganz wichtig natürlich vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika. Das alles so hinzubekommen und im Gespräch zu bleiben, dafür großen Respekt! Deswegen ein herzliches Dankeschön dafür! Wir Bayern sind treu, aber teuer, und wir bleiben auch gern in Deutschland, jedenfalls auf absehbare Zeit. Deswegen arbeiten wir sehr gern zusammen. Vielen Dank noch einmal für den Besuch! Es war ein sehr gutes Gespräch.
Ich darf noch sagen: Nahezu jeder Minister hatte die Gelegenheit, dem Bundeskanzler Themen aus seinem Fachbereich vorzuschlagen. Es war eine sehr konstruktive Diskussion, in der alles mitgenommen wurde. Noch einmal Danke schön!
Bundeskanzler Friedrich Merz:
Meine Damen und Herren, ich will mich meinerseits zunächst einmal sehr herzlich beim bayerischen Kabinett und insbesondere bei Ministerpräsident Markus Söder für die Einladung in das Landeskabinett der Bayerischen Staatsregierung bedanken. Ich habe das ausgesprochen gern getan.
Das ist der Auftakt zu einer ganzen Serie von Besuchen in allen Bundesländern. Ich werde die Einladungen aller Bundesländer annehmen, zu Antrittsbesuchen dorthin zu kommen. Dies steht im Zusammenhang mit meinem Wunsch, dass wir zwischen der Bundesregierung und den Ländern ein gutes, vertrauensvolles Miteinander finden. Ich habe die Ministerpräsidenten bereits einmal in das Bundeskanzleramt eingeladen. Ich möchte, dass wir im Dienste unseres Landes mit den unterschiedlichen Ebenen gut zusammenarbeiten. Das bezieht ausdrücklich auch die kommunale Ebene mit ein. Die Probleme, vor denen wir in unserem Lande stehen, lassen sich nur miteinander lösen und nicht gegeneinander.
Das hat bereits erste Früchte getragen. Ich will den Ländern dafür ausdrücklich Dank sagen, ganz besonders auch dem Freistaat Bayern. Am vergangenen Freitag hatte der Bundesrat eine Tagesordnung zu bearbeiten, die selten so lang war wie am vergangenen Freitag. Unter 80 Tagesordnungspunkten waren 14 oder 15 Bundesgesetze, die wir vorher in zweiter und dritter Lesung im Deutschen Bundestag bereits verabschiedet hatten. Zu keinem einzigen dieser Bundesgesetze wurde der Vermittlungsausschuss angerufen. Das heißt mit anderen Worten, dass wir im Vorfeld der Bundesratsentscheidung von vergangenem Freitag alle Konfliktthemen bereinigen und zu allen diesen Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung Einvernehmen mit den Ländern erzielen konnten. Das betrifft die Investitionsunterstützung und das Steuerrecht. Das betrifft aber auch die Migration, die Forschungsförderung und eine ganze Reihe von anderen Themen, bis hin zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren bei Telekommunikationsinfrastruktur. Das ist vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung vielleicht ein bisschen in den Hintergrund getreten. Aber es war unser Plan, mit dem 11. Juli, dem letzten Tag der Sitzung des Deutschen Bundestages vor der parlamentarischen Sitzungspause und der letzten Sitzung des Bundesrats im ersten Halbjahr, genau diese Tagesordnung so abzuarbeiten, dass alle Vorhaben des ersten Halbjahres der Koalition im Bundesrat verabschiedet worden sind. Genau das ist am vergangenen Freitag geschehen.
Wir sind mit dieser Bundesregierung heute auf den Tag genau zehn Wochen im Amt. Das sind zehn von zweihundert Wochen, für die wir gewählt wurden. Das heißt, dass uns noch eine ganze Reihe von großen Aufgaben bevorsteht. Über genau diese haben wir im Kabinett mit der Bayerischen Staatsregierung gesprochen. Das war ein ausgesprochen gutes, sehr konstruktives und zum Teil fachlich sehr tief reichendes Gespräch, etwa wenn wir über Wirtschaftspolitik, Raumfahrt, Technologieförderung, Innovation, Umweltschutz und viele andere Themen gesprochen haben. Ich denke, wir werden viele Dinge gemeinsam auf den Weg bringen.
Ich möchte insbesondere die sogenannte Hightech Agenda hervorheben, die die bayerische Staatsregierung bereits seit einigen Jahren erfolgreich auf den Weg gebracht hat. Wir werden anschließend mit einer deutschen nationalen Hightech Agenda – die wird noch in diesem Monat in Berlin im Kabinett sein – in ähnlicher Größenordnung Geld in die Hand nehmen, um wirklich technologisch aufzuholen, wo wir das tun müssen.
Die Themenbereiche sind genannt: Quantencomputing, Digitalisierung, das ganze Thema CO2-freie Mobilität. Die Themen werden wir auch aus der Bundespolitik wirklich mit großem Engagement unterstützen.
Die jüngsten Konjunkturprognosen zeigen, dass es erste Signale in der Wirtschaft gibt, dass es wieder aufwärts geht. Aber das sind nicht mehr und nicht weniger als erste Signale, und das sind auch nicht mehr und nicht weniger als Hoffnungswerte. Das sind noch keine Werte, die sich auf eine stabile Basis eines sich verfestigenden wirtschaftlichen Wachstums stützen können.
Ich habe eben auch in der Runde des bayerischen Kabinetts darauf hingewiesen: Wir haben große Rückstände in der Produktivität in Deutschland und die müssen wir aufholen. Das ist nicht nur die konjunkturelle Seite, sondern das ist die strukturelle Seite unserer Leistungsfähigkeit; die muss deutlich besser werden. Da spielen eben auch europäische und internationale Fragen eine große Rolle.
Ich stehe in intensivem Kontakt sowohl mit dem amerikanischen Präsidenten als auch mit der Präsidentin der Europäischen Kommission. Unser Ziel ist und bleibt, rasch zu einer Lösung zu kommen, die den Handel mit den Vereinigten Staaten erleichtert und wieder niedrigere Zölle vorsieht. Das wird nicht leicht, aber ich bleibe zuversichtlich, dass es uns gelingt. Wir haben jetzt noch bis zum Ende des Monats Juli Zeit, die Verhandlungen zu führen. Ich habe über das Wochenende mit dafür geworben, dass wir jetzt keine reziproken Zölle in Kraft setzen. Das hätte sonst automatisch schon am gestrigen Tage stattfinden können. Aber die amerikanische Regierung soll auch nicht unsere Bereitschaft unterschätzen, auf übermäßig hohe Zollbelastungen mit ähnlichen Maßnahmen zu reagieren. Wir sind in der Europäischen Union vorbereitet, wir hoffen aber auf eine Verhandlungslösung, und deswegen bin ich auch in dieser Frage so sehr engagiert, gerade auch in der Europäischen Union.
Vielleicht noch ein Wort zu den Grenzkontrollen: Bayern ist ja auch ein Bundesland, das davon auch betroffen ist. Es hat eine Grenze zu mindestens zwei großen europäischen Nachbarländern, zur Tschechischen Republik und zu Österreich. Diese Grenzkontrollen sind ein zeitlich begrenzter Einsatz zur Lösung eines Problems. Wir sehen aber, dass das Problem sukzessive kleiner wird. Wir haben fast 50 Prozent weniger Asylanträge an den Grenzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum der Monate Mai und Juni. Dieser Trend wird sich fortsetzen; aber wir wollen eine europäische Lösung.
Ich will in diesem Zusammenhang nicht nur dem Bundesgrenzschutz, also der Bundespolizei, wie sie heute heißt, herzlich Dank sagen, sondern auch der Landespolizei. Denn der Freistaat Bayern ist, soweit ich es übersehen kann, bisher das einzige Bundesland, das eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen Bundespolizei und Landespolizei hat, hier gemeinsame Grenzkontrollen durchzuführen. Sie sind in Bayern besonders erfolgreich. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – bis hin zu der hohen, vierstelligen, Zahl von vollstreckten Haftbefehlen bei Grenzübertritten zwischen Österreich und Bayern und der Tschechischen Republik und Bayern. Das zeigt, dass diese Maßnahmen über die Migrationswende hinaus Wirkung entfalten.
Also, Herr Ministerpräsident, lieber Markus, noch einmal danke für die Einladung. Vielen Dank auch für die Zusammenarbeit. Hier stehen ja nicht nur die beiden Amtsträger vor Ihnen, sondern auch die beiden Parteivorsitzenden von CDU und CSU. Diese parteipolitische Bemerkung will ich mir erlauben: Wir arbeiten in der Union von CDU und CSU jetzt seit über drei Jahren sehr kooperativ, sehr freundschaftlich und sehr gut zusammen. Diese Zusammenarbeit wollen wir beide fortsetzen, und das tun wir nicht nur, um uns selbst einen Gefallen zu tun, sondern wir tun es, um diesem Land zu dienen, in den unterschiedlichen Funktionen, die wir haben, aber miteinander und nicht gegeneinander.
Vielen Dank.
Fragerunde im Anschluss:
Frage: Herr Bundeskanzler, wenn man so hört und liest, was alles von Ihnen erwartet wird – in der Welt, in Europa, in Deutschland und jetzt auch noch in Bayern –, würde mich einmal interessieren: Wie geht man damit um? Wie behalten Sie da noch den Überblick, und vor allen Dingen, wie kann Ihnen ein Bundesland wie Bayern dabei helfen?
Herr Ministerpräsident, es sind schon einige Themen angesprochen worden, zum Beispiel Migrationsfragen. Natürlich werden die bayerischen und die deutschen Interessen wegen eines Koalitionspartners SPD in Berlin nicht immer ganz konform gehen; das war ja früher auch nicht so. Wie vermitteln Sie sich da gegenseitig, dass Bayern davon trotzdem profitiert und Deutschland auf der anderen Seite auch damit leben kann?
Bundeskanzler Merz: Herr Kollege, das geht ganz einfach, indem man gut zuhört und gute Mitarbeiter hat, die mitschreiben, und indem man solche Treffen nacharbeitet: Was waren die Themen, über die wir gesprochen haben? Wo gibt es gegenseitige Wünsche, die wir versuchen wollen in Übereinstimmung zu bringen, und Anregungen, die wir aufnehmen?
Ich sage Ihnen ein Beispiel: Kollege Füracker hat gerade aus der Sicht der Finanzpolitik darum geworben, dass wir die sogenannte Mindestbesteuerung in Europa nicht aufrechterhalten, weil die Amerikaner ausgestiegen sind und dieses Konzept ohnehin keine Zukunft hat; diese Einschätzung teile ich. Mit dieser Frage werden wir uns jetzt also in Berlin befassen.
Sie brauchen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden – Sie haben es ja beschrieben: national, europäisch, national und dann auch mit den Ländern und auf kommunaler Ebene –, einfach einen guten Überblick über die Themen, gute Mitarbeiter, die sie ordentlich sortieren, und selbst müssen sie Prioritäten setzen. Dazu gehört auch, immer offen zu kommunizieren, zu sagen, was geht und was nicht geht, und keine Erwartungen zu wecken, die man nicht erfüllen kann.
Ministerpräsident Söder: Die zentrale Weichenstellung war der Koalitionsvertrag. Es gibt einen gewissen Vorteil, den Bayern hat, dass der Ministerpräsident nicht nur Ministerpräsident, sondern auch Parteivorsitzender ist, und er deswegen in der Koalition dabei ist, auch im Koalitionsausschuss.
Ich kann nur sagen: Wir sind mit dem Koalitionsvertrag sehr zufrieden. Da sind auch die ganzen Anliegen adressiert, die ich heute gemacht habe. Das heißt, wir befinden uns jetzt in einem Umsetzungsprozess; ich muss es trotzdem immer wieder erwähnen und auch entsprechend sagen. Aber aus meiner Sicht ist das der beste Koalitionsvertrag, den wir als Bayern seit vielen, vielen Jahren hatten – das muss man wirklich sagen –, also mit klaren Akzenten auf Forschung, Verkehr und anderen Dingen.
Das gilt auch für die Migration. Man kann sagen, das Thema Migration war ja damals das Herzstück bei der Sondierung. An dem Punkt hätte vieles scheitern können.
Bundeskanzler Merz: Ja.
Ministerpräsident Söder: Wir waren schon sehr dankbar, dass die SPD das mitgemacht hat, dass sie bislang alle Gesetze beschlossen hat – und es wirkt. Es wird am Ende auch ein Erfolgsmodell sein, um die demokratische Stabilität zu stärken.
Ich will das noch einmal ergänzen mit einer Zahl neben der Grenze. Es wird auch ganz entscheidend darauf ankommen, die sozialen Anreizfaktoren zu reduzieren. Wir haben im letzten Jahr die höchste Zahl an freiwilligen Ausreisen seit zehn Jahren gehabt. Warum? – Weil wir als eines der ersten Flächenländer die Bezahlkarte eingeführt haben.
Darum wird es auch wichtig sein, dass die Bezahlkarte – das ist natürlich absolut human – in ganz Deutschland eingeführt wird und dass diese ganzen Umgehungstatbestände von einigen NGOs da auch Stück für Stück ausgetrocknet werden. Aber das läuft wirklich; das muss man sagen. Dass es immer wieder Einzelpunkte gibt, wo man einen unterschiedlichen Akzent setzt, ist selbstverständlich; der Bundeskanzler muss eine andere Sicht haben als ein Ministerpräsident. Aber wir haben einen großen Vorteil: Wir reden dann darüber, wir telefonieren miteinander und stimmen uns gemeinsam ab.
Frage: Zwei Fragen an beide Herren ‑ die erste Frage zum Thema Brenner. Herr Söder, Sie haben es angesprochen: Sie waren in Österreich und haben dort für die Idee eines Slotsystems geworben und gekämpft. Dazu braucht es einen Staatsvertrag, den die Staaten schließen müssten. Haben Sie das bei Herrn Merz angesprochen? – Herr Bundeskanzler, wie haben Sie darauf reagiert? Sind Sie offen dafür? Würden Sie sich für so ein Staatsvertrag zum Slotsystem einsetzen?
Eine zweite Frage zu Fluthilfen des Bundes: Herr Söder, da hat Bayern lange beklagt, dass der frühere Kanzler Scholz die Zusagen nicht eingehalten hat. War das heute Thema? Haben Sie das adressiert und vielleicht auch Zusagen von Ihnen, Herr Bundeskanzler, bekommen?
Ministerpräsident Söder: Was das Erste betrifft: Ja, das haben wir angesprochen. Das hängt letztlich an Italien, ob die das mitmachen. Es geht einfach um die Kernfrage, einerseits den Zulauf zu organisieren – das ist die Verkehrsstrecke mit Bahn –, zweitens muss man ein System finden, sodass es keinen Verkehrsinfarkt gibt. Der Verkehrsinfarkt geht nur über den Slot. Wir haben vom Bundesverkehrsministerium auch Bereitschaft dazu signalisiert bekommen – ich glaube auch vom Kanzler.
Bundeskanzler Merz: Ja.
Ministerpräsident Söder: Jetzt müssen die Italiener das machen.
Was das Zweite angeht: Wir haben das Thema Fluthilfe tatsächlich noch einmal angesprochen. Da will man jetzt beim Bundesfinanzministerium nachfragen, was an Hilfen geht. Denn es ist wirklich so: Wir zahlen noch zehn Jahre für das Ahrtal. Der Amtsvorgänger war da. Sie waren damals ja dabei. Der Amtsvorgänger des Wirtschaftsministers war da. Sie waren alle dabei. Die Amtsvorgängerin des Innenministers war da. Wir alle waren dabei. Ein bisschen Unterstützung für Bayern wäre an der Stelle schon angemessen gewesen, wenn wir alle anderen mitfinanzieren.
Bundeskanzler Merz: Zwei kurze Antworten von mir:
Das Problem Brenner ist uns allen bekannt, nicht nur politisch, sondern auch aus praktischer Erfahrung. Wenn es hier mit Italien zu einer gemeinsamen Lösung kommt, dann kann man diesen Weg gehen. Mindestens genauso gut ist es, die Verkehrswege so zu schaffen, dass es keine Slotsysteme mehr braucht, sondern dass es dann ein ungehinderter Güterverkehr und Personenverkehr über den Brenner möglich ist. Aber das ist noch eine längerfristige Aufgabe, auch was die Infrastruktur Straße und Bahn betrifft.
Bei den Fluthilfen geht es insbesondere um den Hochwasserschutz. Da hat Bayern schon sehr viel in eigener Leistung erbracht. Der Hochwasserschutz ist aber auch Teil einer Gemeinschaftsaufgabe. Deswegen nehme ich das mit und werde das auch mit dem Finanzminister besprechen, damit wir hier auch die Zusagen einhalten können, die der Bund gegeben hat – auch vor der Zeit dieser Bundesregierung.
Frage: Eine grundsätzliche Frage an Sie beide, Herr Bundeskanzler, Herr Ministerpräsident: Die erste Phase ist vorbei, es gab Aufs und Abs. Wie bewerten Sie die Performance der Koalition bislang?
Bundeskanzler Merz: Ich mache das ganz kurz. Ich habe es eben schon gesagt: Wir hatten sehr gute erste zehn Wochen. Wenn man einmal in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zurückschaut, sieht man, dass noch keine Bundesregierung nach einer Bundestagswahl so schnell gebildet worden ist wie diese. Es hat auch noch keine Bundesregierung gegeben, die in den ersten zehn Wochen so viel auf den Weg gebracht und abgeschlossen hat wie diese.
Wir hatten zwei Themen, bei denen ich selbstkritisch sagen muss: Das hätten wir besser machen können. Das eine war kommunikativ das Thema Stromsteuer, und das andere war handwerklich das Thema Richterwahl. Das beschädigt nach meiner festen Überzeugung die Erfolgsbilanz der ersten zehn Wochen aber nicht. Wir haben wirklich viel auf den Weg gebracht. Aber noch einmal: Das sind zehn Wochen von 200, für die wir gewählt worden sind.
Insofern war das ein guter Anfang. Wir müssen ein bisschen nachjustieren, auch was die Kommunikation und was die handwerklichen Vorbereitungen manch einer Entscheidung betrifft; das nehmen wir mit. Aber schauen Sie auch da in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Neue Bundesregierungen haben so etwas am Anfang immer erlebt, teilweise mit dramatischem Personalwechsel. Das brauchen wir nicht zu tun. Wir müssen etwas nachjustieren, und das tun wir auch.
Ministerpräsident Söder: Ein sehr guter Start, würde ich sagen – eine gute Zwei. Es ist wie immer, wie der Bundeskanzler sagt: Es gibt neue Laufwege, die Personen müssen einander abstimmen und zueinanderfinden. Aber noch einmal: Wenn ich daran denke, was vor der Wahl alles war, welche Herausforderungen es gibt und was man in der Zeit geschultert hat – alleine das ganze große Thema Grundgesetzänderung in der Kürze der Zeit, der Druck von außen, die internationalen Dinge ‑, dann finde ich, dass es fast eine 1 – hätte sein können. Wegen des letzten Freitags, würde ich sagen, sind wir auf einer 2+. Aber das ist ja gut, da kann man sich noch verbessern.
Frage: Eine Frage an beide: Frau Brosius-Gersdorf hat heute eine umfangreiche Erklärung veröffentlicht. Verändert der Inhalt dieser Erklärung Ihre Haltung zur Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht?
Eine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler: Herr Söder hat eben die Bezahlkarte angesprochen. Viele andere Bundesländer haben sie noch gar nicht eingeführt, manche – etwa Nordrhein-Westfalen – mit tatsächlichen Löchern. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass diese Bundesländer das jetzt flächendeckend machen wie Bayern?
Bundeskanzler Merz: Ich möchte mit der letzten Frage anfangen: Ich bin immer ein Befürworter einer bundeseinheitlichen Bezahlkarte gewesen. Die Einführung der bundeseinheitlichen Bezahlkarte ist eigentlich überfällig. Wir haben darüber im Koalitionsvertrag, soweit ich es weiß, keine feste Vereinbarung getroffen. Bayern hat das in eigener Verantwortung gemacht. Einzelne Städte können das machen, einzelne Städte machen das. Ich wäre immer noch dafür, es zu machen. Wir werden das in der Koalition noch einmal auf den Prüfstand stellen und die Frage klären, ob wir da nicht zu einer einheitlichen Lösung kommen. Es wäre gut, wenn wir das im Asylbewerberleistungsgesetz einheitlich für alle Bundesländer regeln würden.
Zum Thema Richterwahl habe ich am Wochenende alles Notwendige gesagt, und auch jetzt nach der Erklärung von Frau Brosius-Gersdorf ist keine Ergänzung notwendig. Wir reden darüber in Ruhe in den nächsten Wochen in der Koalition.
Ministerpräsident Söder: Und unsere Einschätzung ist die gleiche.
Frage: Wenn ich zur Verfassungsrichterwahl noch einmal kurz nachhaken darf: Herr Bundeskanzler, Sie haben zwar gesagt, dass Sie darüber in den nächsten Wochen reden, aber gibt es denn eine Lösung für dieses Problem, und wie könnte die aussehen? Wann kann man also damit rechnen, dass die Kuh vom Eis ist?
Bundeskanzler Merz: Da ist keine Kuh auf dem Eis. Wir haben eine einzige Nachwahl, die überfällig ist. Die hätten wir letztes Jahr schon machen können, das ist an den Grünen gescheitert. An diesem Beispiel sehen Sie übrigens, dass Richterwahlen im Deutschen Bundestag öfter einmal nicht sofort im ersten Anlauf gelingen. Das ist auch nicht das erste Beispiel gewesen, sondern es gab viele Beispiele vorher.
Wir sprechen in der Koalition in Ruhe darüber, wie wir das lösen. Mein Wunsch wäre, dass wir im Deutschen Bundestag zu Lösungen kommen und dass wir nicht den Ersatzwahlmechanismus auslösen müssen, dass der Bundesrat die Wahl vornimmt, die eigentlich der Bundestag vornehmen müsste. Das ist der wichtigste Wunsch, den ich habe. Über alles andere sprechen wir aber in der Koalition.
Frage: Ich hatte auch dieses Thema, aber dann möchte ich vielleicht auf das Thema der Migration eingehen. Es gibt beim Thema Migration ja doch noch ein paar Konfliktlinien mit anderen EU-Ländern. Hat sich das in der Zwischenzeit schon relativiert und entspannt, oder bleibt Deutschland da bei der aktuellen Handhabung?
Bundeskanzler Merz: Wir stehen mit allen Nachbarländern in der Europäischen Union in engem Dialog. Der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, in dessen Wahlkreis wir uns hier ja gerade treffen, ist mit allen Innenministern aus den Nachbarländern im engsten Austausch. Es gibt hier keine Konflikte, und es gibt vor allem keine Konflikte, die wir nicht gemeinsam lösen könnten. Wir sind alle gemeinsam auf dem Weg, die innereuropäischen Grenzkontrollen nur für eine bestimmte Dauer aufrechterhalten zu müssen, weil wir gemeinsame europäische Lösungen suchen.
Ich habe mich in der vorletzten Woche in Brüssel auch mit der Gruppe der Länder Dänemark, Niederlande und Italien getroffen, die jetzt neue Vorschläge zur weiteren Verschärfung der europäischen Einwanderungs- und Asylregeln macht. Mittlerweile sind es 21 Mitgliedstaaten – da ist Deutschland noch nicht dabei –, die sich dieser Initiative angeschlossen haben. Wir prüfen das und werden das in der Koalition besprechen.
Ich hoffe und setze sehr auf eine europäische Lösung. Bis dahin bleiben Grenzkontrollen leider notwendig. Es gibt sie aber nur in dem Umfang, in dem sie wirklich notwendig sind. Wir wollen Schengen nicht infrage stellen, wir wollen den freien Warenverkehr und die Personenfreizügigkeit in Europa bewahren. Binnenmarkt und Schengen-Raum sind hohe Werte, die wir nicht gefährden wollen.
Ministerpräsident Söder: Ich möchte das noch ergänzen. – Fakt ist: Die Zahlen gehen deutlich zurück. Vor der Bundestagswahl war das neben dem Thema Wirtschaft das drängendste Thema überhaupt, auch für die demokratische Stabilität und für die Belastung der Kommunen in ganz Deutschland. Es gibt jetzt ein Konzept, es gibt einen grundlegenden Richtungswechsel, und Deutschland ist nicht mehr der migrationspolitische Geisterfahrer. So wie die meisten Länder eine vernünftige Migration wollen, so wollen wir das das jetzt auch.
Wir haben in Bayern eine Grenze zu Österreich und eine Grenze zu Tschechien; da ist das gut organisiert. Diejenigen, die letzte Woche in Österreich dabei waren, haben das ja gehört; Bundeskanzler Stocker hat das ausdrücklich gesagt.
Bei den Grenzkontrollen, die Polen jetzt selber anordnet, finde ich sehr positiv, dass Polen jetzt zum ersten Mal auch seine Ostgrenze kontrolliert. Denn die eigentliche Frage war ja immer: Gibt es nicht eine gezielte Steuerung der Migration nach Deutschland aus dem russischen Umfeld, möglicherweise über den Umweg Weißrussland? Dass da jetzt Grenzkontrollen stattfinden, führt dazu, dass die gesamte Lage in Europa besser wird.
Es hilft also einfach nichts, irgendwann einmal muss man eine Entscheidung treffen. Deswegen ist das, was die Bundesrepublik macht ‑ das sage ich natürlich auch für den CSU-Minister Alexander Dobrindt –, einfach exzellente Arbeit. Von den Richtungswechseln, die wir haben, ist der Richtungswechsel in der Außen- und Verteidigungspolitik erkennbar organisiert, der Richtungswechsel bei der Migration ist eigentlich vollzogen, und der Richtungswechsel in der Wirtschaft steht gerade an, da sind wir mittendrin. Das waren die drei zentralen Aufgaben der Bundesregierung. Das finde ich sehr gut.
Bundeskanzler Merz: Vielen Dank!
Ministerpräsident Söder: Danke schön auch dir!