Rede von Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen des XI. Petersberger Klimadialogs am 28. April 2020 (Videokonferenz)

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Sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber António Guterres,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,
liebe Svenja Schulze,

ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen und freue mich, in diesem Jahr wieder beim Petersberger Klimadialog mit dabei zu sein. 2020 sollte eigentlich das Jahr der Biodiversität und des Klimaschutzes werden. Nun sehen und erleben wir aber jeden Tag, wie sehr und wie tiefgreifend die Coronavirus-Pandemie unser Zusammenleben und Zusammenarbeiten verändert. Dennoch – das ist meine Überzeugung – dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass die anderen großen Menschheitsaufgaben uns weiterhin herausfordern. Deshalb muss 2020 trotz allem auch das Jahr der Biodiversität und des Klimaschutzes werden.

Damit das gelingt, ist es so überaus wichtig, den Petersberger Klimadialog gerade auch jetzt weiterzuführen. Ich danke allen Beteiligten – insbesondere aus dem Vereinigten Königreich – dafür, dass wir diesen Klimadialog auch unter diesen besonderen Umständen durchführen können. Die nächste UN-Klimakonferenz – die COP 26 – wird ja unter britischer Präsidentschaft stattfinden.

Die Coronavirus-Pandemie führt uns einmal mehr – wenn auch besonders schmerzlich – vor Augen, wie sehr es auf internationale Zusammenarbeit ankommt. In unserer eng vernetzten Welt hängt nationales Wohl eben immer auch vom globalen Wohl ab. Ob Coronavirus-Krise, Wirtschafts-, Finanz- oder Klimakrise – für alle großen Herausforderungen gilt: Je mehr wir gemeinsam handeln, umso besser können wir menschliches Leid und wirtschaftliche Verwerfungen vermeiden bzw. eindämmen.

Meine Damen und Herren, wir sehen, dass in allerjüngster Zeit die klimaschädlichen Emissionen gesunken sind. Aber das darf uns natürlich nicht täuschen, denn das ist im Wesentlichen durch das Herunterfahren, durch den Shutdown unseres öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens bedingt. Deshalb ist es weiterhin unsere Aufgabe und haben wir weiterhin die Verantwortung, mit aller Ernsthaftigkeit und Leidenschaft das Klimaabkommen von Paris umzusetzen. Wir bleiben aufgefordert, die nationalen Beiträge bis 2030 zu verbessern, weltweit Langfriststrategien bis 2050 zu entwickeln und für eine entsprechende Klimafinanzierung zu sorgen.

Die Europäische Kommission hat uns mit dem „Green Deal“ den Weg aufgezeigt: Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Wir wissen, dass das ein langer Weg ist. Deshalb begrüße ich den Vorschlag des Zwischenziels, in der Europäischen Union bis 2030 die Emissionen auf 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Dazu brauchen wir ein umfassendes Maßnahmenpaket. Dazu zählen Investitionen in klimafreundlichere Infrastrukturen und auch eine angemessene CO2-Bepreisung.

Ich begrüße die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandels auf weitere Sektoren. In Deutschland haben wir bereits im vergangenen Jahr beschlossen, die CO2-Bepreisung auch in den Bereichen Verkehr und Wärme einzuführen. Damit steigern wir die Anreize für Unternehmen wie auch für Privathaushalte, Investitionen vorzunehmen, um künftig CO2-Emissionen und damit auch CO2-Kosten einzusparen.

Deutschland wird bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen. Das bedeutet für bestimmte Regionen in der Bundesrepublik einen wirklich tiefgreifenden Strukturwandel. Wir werden dort besonders stark investieren, um Klimaschutz mit neuen wirtschaftlichen Perspektiven und damit auch Arbeitsplätzen für die Menschen zu verbinden.

Wir werden den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben. Bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energien 65 Prozent betragen.

Wir wollen nicht nur an uns denken, sondern auch die internationale Zusammenarbeit voranbringen. Wir stellen in diesem Jahr vier Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung zur Verfügung. Damit können wir sagen, dass wir unseren Einsatz seit 2014 verdoppelt haben. Wir haben unseren Beitrag für den „Grünen Klimafonds“ bereits auf 1,5 Milliarden Euro erhöht. Und auch nach 2020 wird Deutschland seinen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung gemäß Pariser Abkommen leisten.

Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Es wird eine schwierige Verteilungsdiskussion mit Blick auf unsere jeweiligen öffentlichen Haushalte geben, wenn wir uns die wirtschaftlichen Schäden, die die Coronavirus-Pandemie mit sich gebracht hat, anschauen. Umso wichtiger wird es sein, wenn wir Konjunkturprogramme auflegen, immer auch den Klimaschutz ganz fest im Blick zu haben und deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen, sondern dass wir in zukunftsfähige Technologien investieren – dass wir nicht nur national an uns denken, sondern dass wir auch unsere internationalen Verpflichtungen weiter stark nach vorne bringen, weil das essenziell dafür ist, dass es einen globalen Erfolg im Klimaschutz gibt.

Um dem gemeinsamen Abkommen von Paris gerecht zu werden, muss natürlich jeder in der Weltgemeinschaft seinen Beitrag leisten. Wir müssen weg von fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien und größerer Einsparung von Energie kommen. Wir glauben und ich glaube, dass dabei marktwirtschaftliche Anreize eine hohe Bedeutung haben und dass wir eine CO2-Bepreisung brauchen. Es wäre sehr zu wünschen, dass möglichst viele Länder dieser Erde darauf setzen. Denn die CO2-Bepreisung ist der effizienteste Weg, um Emissionen zu reduzieren. Und eine breite Beteiligung beugt natürlich Wettbewerbsverzerrungen vor, die es geben könnte, wenn das nur Einzelne machen.

Insgesamt ist es wichtig, wenn Investoren sehen können, dass es sich lohnt, in moderne Technologien zu investieren. Das gilt nicht zuletzt auch mit Blick auf erneuerbare Energien. Die Energiequellen Wind und Sonne stehen überall zur Verfügung. Aber es ist oft so, dass deren Nutzung an den Kapitalkosten scheitert. Deshalb brauchen wir einen Finanzmarkt, der günstiges Kapital für klimafreundliche Investitionen bereitstellt. Auch hierbei sollten möglichst viele Akteure zusammenarbeiten – Staaten, Entwicklungsbanken, aber auch die private Finanzwirtschaft.

Ökonomie und Ökologie müssen zusammen gedacht werden. Und das müssen wir natürlich auch mit Blick auf die Biodiversität tun. Wir wissen, dass die natürlichen Lebensräume zusammenschrumpfen. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Und das ist wiederum auch für uns Menschen eine Bedrohung. Ich will ein Beispiel nennen: Wissenschaftlern zufolge sind in den letzten Jahrzehnten 60 Prozent aller Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen übertragen worden. Das ist insbesondere auf die verstärkte Nutzung bislang ungestörter Lebensräume und der damit verbundenen Nähe zu wilden Tieren zurückzuführen.

Es führt also kein Weg daran vorbei, dass wir beim internationalen Schutz der Biodiversität und der Wälder vorankommen müssen. Bis zur 15. UN-Konferenz zur Umsetzung der Biodiversitätskonvention im nächsten Jahr brauchen wir einen neuen Rahmen für den Schutz der Artenvielfalt.

Meine Damen und Herren, die 17 Ziele der Agenda 2030 – darunter ja auch Gesundheit und Klimaschutz – machen deutlich, dass es nachhaltige Entwicklung nicht zulasten einzelner Ziele geben kann, sondern dass wir immer alle Ziele insgesamt im Blick haben müssen. Wie alle Ziele der Agenda 2030 können wir auch die Herausforderung des Klimaschutzes letztlich nur dann erfolgreich bewältigen, wenn wir sowohl national konsequent handeln als auch international gemeinsam handeln. Ich bitte Sie alle um Ihre Unterstützung dafür und hoffe, dass von dieser Konferenz ein Signal dafür ausgeht, dass Klimaschutz und Biodiversität gerade auch in Zeiten einer solchen weltweiten pandemischen Krise von allergrößter Bedeutung sind. Ich danke allen, die mitmachen. Schön, dass ich dabei sein durfte. Herzlichen Dank.