Pressestatements von Bundeskanzler Scholz und Staatsministerin Alabali-Radovan zum Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen sowie Netzwerken von Menschen mit Einwanderungsgeschichten am 5. Februar 2024

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Im Wortlaut Pressestatements von Bundeskanzler Scholz und Staatsministerin Alabali-Radovan zum Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen sowie Netzwerken von Menschen mit Einwanderungsgeschichten am 5. Februar 2024

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 5. Februar 2024

BK Scholz: Meine Damen und Herren, am Wochenende haben wir wieder große Demonstrationen gegen Hass, gegen Antisemitismus, gegen Intoleranz gesehen. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Demokratie und auch den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wenn etwas nie wieder Platz in unserem Land haben darf, dann ist es völkische rassistische Ideologie. Deshalb ist es gut, dass so viele sich an den Kundgebungen beteiligen und demonstrieren ‑ viele oft das erste Mal in ihrem Leben.

Der Rechtsextremismus ist eine große Bedrohung für unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden. Er will uns spalten, uns gegeneinander aufbringen, und das lassen wir nicht zu. Mir war es und mir ist es wichtig, das heute hier im Kanzleramt auch ganz persönlich deutlich zu machen ‑ im Gespräch mit gesellschaftlichen Gruppen, Opfern von Antisemitismus und Antiziganismus und auch mit Organisationen von Migrantinnen und Migranten.

Fast jeder Vierte von uns in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte: 20 Millionen Frauen und Männer, Arbeitskolleginnen, Schulfreunde, Nachbarn, Kameraden aus den Sportvereinen, Bürgerinnen und Bürger, die hier mit anpacken und unser Land voranbringen ‑ viele schon seit Jahrzehnten. Deutschland ist unser gemeinsames Zuhause.

Dennoch machen sich jetzt viele Sorgen und fragen sich, ob sie in Deutschland noch eine Zukunft haben. Denn sie fühlen sich gemeint, wenn Rechtsextremisten ihre menschenverachtenden Überlegungen von Umsiedlungen verbreiten.

Mir ist es wichtig, heute hier im Kanzleramt ganz persönlich deutlich zu machen: Wir stehen fest an Ihrer Seite. Wir lassen nicht zu, dass Extremismus und Intoleranz unsere Gesellschaft spalten. Alle 84 Millionen Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben die gleichen Rechte, alle verdienen Respekt, und darum geht es.

StM‘in Alabali-Radovan: Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele Menschen im Land merken, dass unsere Demokratie bedroht wird, und ganz besonders spüren das Menschen mit Einwanderungsgeschichte, aber auch Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime, Sinti und Roma, schwarze Menschen. Sie sind von rechtsextremistischen und rassistischen Plänen ganz unmittelbar betroffen. Mir und dem Bundeskanzler ist es ein Anliegen, dass wir nicht über sie, sondern mit ihnen sprechen, und deshalb sind wir heute hier.

Die Bundesregierung hat seit dem Antritt den Kampf gegen Rechtsextremismus ganz oben auf die Agenda gesetzt. Nancy Faeser geht entschlossen voran. Es gab Vereinsverbote, Gesetze für ein schärferes Waffenrecht und gegen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst. Wichtig ist jetzt, dass sich künftig auch all jene auf eine dauerhafte Unterstützung des Staates verlassen können, die sich im Haupt- und Ehrenamt sowie in zahlreichen Initiativen tagtäglich für unsere Demokratie einsetzen. Ich zähle deshalb darauf, dass der Deutsche Bundestag das Demokratiefördergesetz jetzt zügig verabschiedet. Das wäre auch ein starkes Signal für all die Tausende Menschen, die seit Wochen für unsere Demokratie auf unsere Straße gehen.

Von den letzten Enthüllungen über rassistische Deportationsfantasien sind viele von uns mit Einwanderungsgeschichte nicht überrascht. Die Dimension der Pläne und das breite Netzwerk aber sind ein Kontinuum: Mölln, Solingen, NSU, Halle, Hanau und alle 23 Minuten eine Straftat von rechts. Doch eines ist klar: Es gibt keinen Rechtsextremismus ohne Rassismus, Rassismus existiert jedoch auch ohne Rechtsextremismus. Rassistische Diskriminierung ist Alltag für viel zu viele Menschen in diesem Land. Auch das wurde heute bei unserem Treffen klar.

Als Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung ist es mir wichtig, dass wir alle Formen von Rassismus bekämpfen und die Perspektiven der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Von unserem heutigen Austausch und aus vielen Rückmeldungen der letzten Tage kann ich berichten: Einige haben Angst. Einige sind einfach nur erschöpft. Aber viele sind auch wütend und entschlossen, wütend, weil es so weit kommen konnte, weil Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus so lange verschwiegen oder abgetan wurden, Betroffene nicht ernst genommen wurden. Entschlossen sind sie aber auch jetzt, weil so viele das jetzt erkennen und aufstehen und ihre Stimme erheben und sie auf die Straße tragen. Das macht Mut. Sie wollen unsere Demokratie in der ersten Reihe mitverteidigen. Das gibt Mut und Zuversicht für unsere Demokratie und Vielfalt. Dieses Momentum müssen wir nutzen. Vielen Dank!

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