im Wortlaut
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 16. November 2022
BK Scholz: Hier in Indonesien, in Bali, hat ein außerordentlich erfolgreicher G20-Gipfel stattgefunden. Ich bedanke mich sehr ausdrücklich bei der indonesischen Präsidentschaft und bei dem Präsidenten Indonesiens, der so viel Vorarbeit dafür geleistet hat, dass das hier möglich war - in enger Zusammenarbeit mit vielen anderen und auch mit uns als diejenigen, die in diesem Jahr die G7-Länder koordinieren.
Es ist gut, dass hier klare Worte zu dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gefunden worden sind, dass klargestellt worden ist, dass der Einsatz von Atomwaffen keine Eskalation ist, die in diesem Krieg akzeptiert werden kann, dass das eine rote Linie darstellt, die alle gezogen haben und die hier noch einmal ganz kräftig ausgemalt wurde. Gerade angesichts der Entwicklung des Krieges ist das an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt eine notwendige und auch unverzichtbare, aber auch umso wichtigere Feststellung. Dass wir das durch die Gespräche, die im Vorfeld stattgefunden haben, mit vorbereiten konnten, ist etwas, das dann erfreut. Aber wichtiger ist, dass wir in der Sache so weit gekommen sind.
Russland setzt seinen Krieg unverändert fort, und es ist schon sehr bedrückend, zu sehen, dass, während hier getagt wird und sich alle miteinander unterhalten, in großem Stil Raketen auf ukrainische Ziele geschossen werden. Das ist etwas, das wir nicht akzeptieren können, das unakzeptabel ist und deshalb auch von allen zurückgewiesen werden muss.
Wir haben hier auch über viele Fragen für die künftige Entwicklung der Welt gesprochen, die von großer Bedeutung sind. Das gilt insbesondere für die Fragen, die sich mit dem menschengemachten Klimawandel beschäftigen, und für die Frage, wie wir ihn aufhalten. Das gilt für die Frage, wie wir es hinbekommen, dass wir in Fragen der Gesundheit besser miteinander zusammenarbeiten, um uns auch vor den Folgen von Pandemien wie COVID-19 zu schützen, aber auch vor solchen Herausforderungen, wie sie mit Polio oder HIV und anderen verbunden sind.
Wir haben uns auch mit den großen Problemen beschäftigt, die sich im Hinblick auf den Welthunger unverändert für uns alle und natürlich für die Menschen stellen, die nicht genug zu essen haben. Deshalb war und ist es richtig, dass wir uns hier auch noch einmal alle gemeinsam dafür starkgemacht haben, dass die Nutzung des Schwarzen Meeres für den Export von Getreide aus der Ukraine auch weiterhin möglich bleibt und dass damit auch sichergestellt werden kann, dass die Ernährungssicherheit in den ärmsten Ländern besser ist als ohne diese Exporte. Die Ukraine spielt wie übrigens auch Russland eine wichtige Rolle für die Versorgung der Welt mit Getreide, und deshalb ist es so zentral, dass wir uns in dieser Frage auch gemeinsam zu unseren Positionen vorgearbeitet haben.
Wir werden uns im Übrigen sehr damit beschäftigen, wie die wirtschaftliche Erholung gelingt - nach COVID-19 und nach der Krise, die jetzt von uns allen durch den russischen Angriffskrieg mit den Folgen für die Ernährungssicherheit und mit den Folgen für die Energiesicherheit zu bewältigen ist. Dass die Welt aber hier zusammengekommen ist, dass man hier miteinander gesprochen hat und dass es hier Verständigungen gegeben hat, die weit über das hinaus reichen, was zu erwarten war, bleibt der Erfolg dieses Gipfels, und ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, das in dieser Weise auszugestalten.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben die Luftangriffe auf die Ukraine von gestern erwähnt. Was macht das mit den anderen 19 G20-Mitgliedern hier? Schweißt sie das vielleicht in der Verurteilung dieses Krieges zusammen?
Sie haben heute auch mit dem indischen Ministerpräsidenten Modi gesprochen. Indien hat sich ja in der UN-Vollversammlung bei der Frage der Verurteilung des Kriegs enthalten. Haben Sie das Gefühl, dass sich an dieser Haltung etwas geändert hat und Indien diesen Krieg jetzt auch klar verurteilen wird?
BK Scholz: Die erstaunlich klaren Worte, die wir hier gefunden haben, wären nicht möglich gewesen, wenn nicht wichtige Länder mitgeholfen hätten, dass wir auch so zueinander kommen. Dazu zählt Indien, dazu zählt zum Bespiel auch Südafrika. Deshalb zeigt das auch, dass es in der Welt viele gibt, die diesen Krieg nicht richtig finden und ihn verurteilen, selbst wenn sie sich bei den Abstimmungen in den Vereinten Nationen aus verschiedenen Gründen enthalten haben. Ich bin sicher, dass das eines der Ergebnisse dieses Gipfels ist: Der russische Präsident steht mit seiner Politik in der Welt fast allein da. Er hat keine starken Bündnispartner.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben gerade über Indien gesprochen. Jetzt übernimmt Indien auch die G20-Präsidentschaft. Welche Erwartungen hat Deutschland an Indien in diesem Zusammenhang, gerade auch, wenn es um die Kommunikation mit dem globalen Süden geht?
BK Scholz: Es ist zwar auch dem Ablauf der Geschichte zu verdanken, dass in diesem Jahr Indonesien und Indien im nächsten Jahr die Präsidentschaft der G20 innehaben. Aber für diese Präsidentschaft ist kein besserer Zeitpunkt denkbar. Denn beide großen Länder, beide großen Demokratien werden in der künftigen Welt eine zentrale Rolle spielen. Deshalb ist es bedeutsam, dass sie in dieser Situation eine Aufgabe für die Weltgemeinschaft übernehmen, indem sie die Zusammenkunft der Länder, die sich als G20 treffen, koordinieren und damit auch eine Politik koordinieren, in die ein großer Teil der Weltbevölkerung einbezogen ist, auch ein großer Teil der Wirtschaftsleistung.
Dass der globale Süden, dass die Länder Asiens und Afrikas und Südamerikas eine wichtige Rolle spielen, ist gut und richtig so. Das merken wir jetzt auch durch diese Präsidentschaften. Damit werden sich auch die Themen stellen, die für die Zukunft wichtig sind. Ich bin mir sicher, dass die Fragen des Klimawandels, der Welternährungssicherheit und der Gesundheit eine Rolle spielen, aber auch die Möglichkeiten dieser Länder, ihre eigenen Volkswirtschaften besser und stärker zu entwickeln, zu einem Nutzen, der für die Länder selbst offensichtlich, aber auch für uns alle klar erkennbar ist.
Frage: Herr Bundeskanzler, ich habe eine Frage zu dem Treffen der G7 und der Nato-Staaten heute am Rande des G20-Gipfels zu dem Vorfall in Polen. US-Präsident Biden hat dort wohl gesagt, dass es sich wahrscheinlich um eine ukrainische Flugabwehrrakete gehandelt haben solle, die das ausgelöst habe. Teilen Sie diese Erkenntnisse? Hat Deutschland eigene Erkenntnisse?
Wie soll es in dieser Frage weitergehen?
BK Scholz: Ich finde es gut und richtig, dass sich die hier versammelten Nato-Mitglieder heute Morgen sehr schnell und sehr zügig versammelt haben und dass wir zusammengekommen sind, um über die Lage zu sprechen. Eine der klaren Verständigungen, die wir dabei getroffen haben, ist, dass diese Zerstörungen und auch die Raketenteile jetzt untersucht werden müssen und dass das Ergebnis der Untersuchung abgewartet und dann öffentlich verkündet werden sollte. Jede voreilige Festlegung auf einen Tatsachenverlauf vor seiner sorgfältigen Untersuchung verbietet sich bei einer so ernsten Angelegenheit. Dabei sind wir noch.
Natürlich haben wir uns über die aktuellen Erkenntnisse, die unsere Nachrichtendienste haben, miteinander ausgetauscht, damit wir unsere Untersuchungsmöglichkeiten bündeln können. Sie wissen, dass der amerikanische Präsident dem polnischen Präsidenten angeboten hat, Polen direkt bei der Untersuchung der Trümmerteile und der Zerstörung zu unterstützen. Das ist eine gute Botschaft.
Wichtig ist, dass wir alle gleichzeitig klarmachen und klargemacht haben, dass all das ohne den russischen Krieg gegen die Ukraine, ohne die Raketen, die jetzt intensiv und in großem Ausmaß auf die ukrainische Infrastruktur verschossen werden nicht passiert wäre. Das klarstellend, muss man aber sachlich bleiben. Das haben wir fest vereinbart.