Pressestatement von Bundeskanzler Scholz nach dem Gespräch mit US-Präsident Biden bei seinem Besuch in Washington D.C. am 9. Februar 2024

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BK Scholz: Schönen guten Tag! Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten sind von allergrößter Bedeutung. Man kann sicher sagen, dass gegenwärtig die Beziehungen insbesondere zwischen Deutschland und den USA so intensiv, so eng und so einvernehmlich sind, wie das wahrscheinlich über viele Jahre und Jahrzehnte nicht der Fall war.

Wir haben in der Welt, in der wir jetzt leben, große Herausforderungen zu bewältigen und große Krisen zu meistern. Die größte ist sicherlich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit all seinen Konsequenzen für Sicherheit und Frieden nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt. Putins, Russlands Aufkündigung der Verständigung, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen, ist eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit. Deshalb ist es richtig und notwendig, dass wir in diesem Moment alle notwendigen Entscheidungen treffen, um die Ukraine dabei zu unterstützen, das eigene Land zu verteidigen.

Es sind jetzt in Europa weitreichende Entscheidungen getroffen worden, was Haushaltsunterstützung für die Ukraine betrifft. Jetzt ist notwendig, dass in Europa auch alle Staaten ihre Kraft sammeln, um noch mehr Unterstützung zu mobilisieren, was Waffen und Munition betrifft. Deutschland hat seinen Beitrag mit Entscheidungen für den Haushalt dieses Jahres und vielen Verpflichtungsermächtigungen in den kommenden Jahren auf den Weg gebracht.

Die USA diskutieren über die weitere Hilfe. Der Präsident ist sehr klar und wir sind uns einig: Wenn es nicht gelingt, eine Entscheidung im amerikanischen Kongress zustande zu bringen, die die Finanzmittel für die weitere Unterstützung der Ukraine freigibt, dann ist das eine Bedrohung für die Möglichkeit der Ukraine, das eigene Land zu verteidigen. Deshalb sind wir beide ganz fest davon überzeugt, dass das jetzt geschehen muss, aber auch zuversichtlich, dass der amerikanische Kongress am Ende eine solche Entscheidung treffen wird. Das ist dann auch die richtige Botschaft an den russischen Präsidenten, dass seine Hoffnung vergeblich ist, dass er einfach nur lange genug warten muss, bis die Unterstützungsbereitschaft der Freunde der Ukraine in Europa, in Nordamerika und anderswo nachlässt. Die Ukrainer können vielmehr weiter mit unserer notwendigen Unterstützung rechnen.

Wir haben selbstverständlich auch den anderen großen Krisenherd im Nahen Osten besprochen. Die USA und Deutschland stehen an der Seite Israels bei dem Recht, das eigene Land zu verteidigen, und haben das auch in allen internationalen und anderen Zusammenschlüssen, wo wir diskutiert haben, vertreten und bleiben bei dieser sehr klaren Haltung. Gleichzeitig sind wir auch klar bei den Fragen, die für die gute Zukunft in der Region notwendig sind. Das bedeutet jetzt in diesem Krieg erst einmal, dass die Kriegsführung den eigenen Maßstäben entsprechen muss, dass humanitäre Hilfe in viel größerem Ausmaß, als das heute der Fall ist, nach Gaza gelangen muss, und selbstverständlich bedeutet es, dass jetzt auch über die Perspektive, über die Zukunft diskutiert werden muss.

Es muss eine Zwei-Staaten-Lösung geben, die ein friedliches Nebeneinander Israels und eines palästinensischen Staates möglich macht. Darin sind die USA, Deutschland und viele andere sich einig, und wir werden ganz aktiv alles tun, um eine solche Entwicklung möglich zu machen. Diese Entwicklung ist wichtig, weil sie die Grundlage für das ist, was an guter Zusammenarbeit zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten nötig ist für eine Zukunft in der Region, und sie ist auch wichtig, weil sie die Grundlage dafür ist, dass nicht der Iran die Hegemonialmacht in der ganzen Region wird. Deshalb ist das jetzt eine ganz entscheidende Phase der politischen Entwicklung.

Ansonsten haben wir uns über unsere ökonomischen Beziehungen unterhalten, die sehr gut sind. Beide Länder sind eng verflochten. Die Direktinvestitionen amerikanischer Unternehmen in Deutschland sind hoch. In jüngster Zeit wurden auch viele weitere hochintensive Investitionen in Deutschland angekündigt, nicht nur die Halbleiterfabriken von Wolfspeed und Intel oder die Automobilproduktionen von Ford und Tesla, was elektrische Fahrzeuge in Deutschland betrifft, sondern auch vieles andere mehr, etwa im Bereich der pharmazeutischen Industrie. Umgekehrt investieren deutsche Unternehmen intensiv in den USA. Diese Verflochtenheit ist eine Stärke. Deshalb ist es wichtig, dass wir alles dafür tun, dass sich diese ökonomischen Beziehungen weiterhin gut entwickeln können. Wir werden weiterhin daran arbeiten, dass das möglich ist und dass der Welthandel eine gute Basis für unsere Zusammenarbeit ist.

In dem Sinne war es ein sehr langes, sehr ausführliches Arbeitsgespräch zu zweit zwischen dem Präsidenten und mir, aber auch zusammen mit der gesamten Delegation und eine gute Grundlage für die so wichtige Zusammenarbeit in diesen gefährlichen Zeiten.

Frage: Herr Bundeskanzler, der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat seine Streitkräfte angewiesen, eine Militäroperation in Rafah vorzubereiten. Haben Sie mit dem amerikanischen Präsidenten darüber gesprochen? Wie besorgt sind Sie über die Pläne?

BK Scholz: Wir haben natürlich über die gesamte Situation gesprochen. Ich habe es eben bereits sehr präzise gesagt: Die Art der Kriegführung muss den Ansprüchen, die Israel an sich selbst hat, die aber auch das Völkerrecht mit sich bringt, entsprechen.

Frage: Herr Bundeskanzler, man weiß eigentlich, warum dieses Paket … (akustisch unverständlich) Hier zieht der ehemalige Präsident Donald Trump die Fäden. Wurde auch darüber gesprochen?

BK Scholz: Für mich gibt es eine sehr interessante Beobachtung. Ich habe in den letzten Jahren, auch lange vor meiner Kanzlerschaft, immer wieder mit Vertretern des amerikanischen Kongresses gesprochen, „bipartisan“, also sowohl mit Republikanern als auch mit Demokraten. Bis zuletzt und wahrscheinlich auch wieder, wenn wir uns bei der Münchner Sicherheitskonferenz treffen, und jetzt bei den Gesprächen, die ich hier in Washington habe führen können, hört man von Republikanern und Demokraten, die sich für Außen- und Sicherheitspolitik engagieren, dass sie alle der Meinung sind, es müsse jetzt eine Entscheidung für die Ukrainehilfe geben. Deshalb muss es unsere Anstrengung sein, dass das, was der Wunsch, der Wille der Abgeordneten und der Senatoren ist, Gesetzgebung wird.

Frage: Herr Bundeskanzler, ist darüber gesprochen worden, was man mehr tun könnte, wenn diese Hilfe im Umfang von 60 Milliarden ausbleibt oder zumindest nicht so schnell kommt? Ist seitens des amerikanischen Präsidenten vielleicht ein Wunsch geäußert worden, um in diese Lücke zumindest mittelfristig noch hineinzuspringen?

BK Scholz: Wir sollten nicht darum herumreden. Für die Frage, ob die Ukraine in der Lage sein wird, das eigene Land zu verteidigen, ist die Unterstützung aus den Vereinigten Staaten unverzichtbar.