Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Premierminister Attal zum Besuch des Premierministers der Französischen Republik in Berlin am 5. Februar 2024

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Premierminister Attal zum Besuch des Premierministers der Französischen Republik in Berlin am 5. Februar 2024

in Berlin

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  • Montag, 5. Februar 2024

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Gabriel Attal! Bienvenue à Berlin! Ich freue mich außerordentlich, Sie heute Abend hier zum Antrittsbesuch in Deutschland zu begrüßen. Unsere beiden Staaten verbindet eine ganz besondere Beziehung. Die deutsch-französische Freundschaft gehört zu den großen Glücksfällen unserer Geschichte. Wie eng und vertrauensvoll die Freundschaft ist, hat Präsident Macron gerade erst vor zwei Wochen mit seiner beeindruckenden Rede im Deutschen Bundestag bewiesen. Nun führt Sie Ihre erste Auslandsreise als Premier nach Deutschland. Wir wissen diese Geste sehr zu schätzen, und sie bedeutet uns viel.

In diesen Tagen scheinen sich die Krisen unserer Zeit zu ballen. Russland führt seit nahezu zwei Jahren seinen unerbittlichen Krieg gegen die Ukraine fort. Zehntausende Opfer sind zu beklagen, ebenso die unermessliche Zerstörung durch den Aggressor, und es ist kein Ende in Sicht. Die Auswirkungen dieses Krieges sind überall zu spüren. Neben den USA ist Europa besonders gefordert, um die Ukraine dabei zu unterstützen, sich gegen die russischen Angriffe zu wehren. Es war ein gutes Zeichen, dass der Europäische Rat jetzt die Mittel für die Haushaltsunterstützung der Ukraine für die nächsten Jahre bewilligt hat. Es ist auch gut, dass wir begonnen haben, darüber zu reden, wie wir unsere europäische Unterstützung für die Ukraine verstärken können. Deutschland wird seinen Beitrag dazu leisten. Alle wissen: Wir haben in diesem Jahr über sieben Milliarden Euro für die Unterstützung der Ukraine durch Waffenlieferungen bereitgestellt.

Im vergangenen Herbst verübte die Terrororganisation Hamas einen barbarischen Überfall auf Israel mit Folgen, die bis heute in der gesamten Region zu spüren sind. Dies hat viele Tote nach sich gezogen. Deutschland steht dabei an der Seite Israels. Zugleich rufen wir dazu auf, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza endlich besseren Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten und dass die Zivilbevölkerung bei den Militäraktionen besser geschützt wird. Das habe ich heute Nachmittag gegenüber dem israelischen Premierminister Netanjahu in einem Telefonat auch noch einmal deutlich machen können.

Alle diese Krisen geschehen in einer Zeit, in der unsere Gesellschaften im Umbruch sind, weil wir im Kampf gegen den Klimawandel die Art und Weise umstellen müssen, wie wir wirtschaften und Energie erzeugen. Das sorgt für Verunsicherung bei manchen in unseren Ländern. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir sehr klar machen, dass Europa in der Lage ist, diese Herausforderungen am besten gemeinsam zu bewältigen, ganz besonders dann, wenn sich Frankreich und Deutschland, wie es der Fall ist, in Europa, im Rahmen der G7 und natürlich auch in all den Fragen, die uns bilateral miteinander beschäftigen, eng abstimmen und gemeinsam handeln. So haben Emmanuel und ich es in Hamburg im Oktober miteinander vereinbart. Wir haben besprochen, auch die Zusammenarbeit mit Polen im Rahmen des Weimarer Dreiecks wieder zu vertiefen.

Die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Marktes wollen wir gemeinsam stärken. Deshalb wollen wir bürokratische Lasten für Unternehmen abbauen und die Verfahren für Planungen und Genehmigungen in unseren Ländern weiter beschleunigen.

Das Jahr 2024 wird ein besonderes Jahr für die deutsch-französischen Beziehungen. Im Mai wird Präsident Macron zum Staatsbesuch nach Deutschland kommen. Im Juni beginnt dann die Fußballeuropameisterschaft in Deutschland. Später im Sommer beginnen die Olympischen Spiele in Paris. Auf all das freuen wir uns sehr.

Sehr geehrter Herr Premierminister, noch einmal herzlichen Dank für den Besuch hier in Berlin! Ich freue mich auf unser beider gute Zusammenarbeit.

PM Attal: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler. Lieber Olaf Scholz, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst einmal bin ich hier, um noch einmal an die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft zu erinnern. Die deutsch-französische Freundschaft ist eine Verbindung, die vor allem durch die Geschichte und durch die Entschlossenheit von Männern und Frauen geprägt ist, die Frieden in Europa und Wohlstand für die Europäer wollten. Die deutsch-französische Freundschaft ist vor allem der Wille, etwas aufzubauen, miteinander zu sprechen, um sich besser zu verstehen und sich bei entscheidenden Punkten immer einig zu sein. Die deutsch-französische Freundschaft - das glaube ich - ist eine Kraft, eine Kraft für unseren Kontinent, eine Kraft für unsere beiden Nationen. Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, deswegen wollte ich, dass meine erste Auslandsreise als Premierminister hierher nach Deutschland führt und dass das Ganze schnell stattfindet.

Heute, weniger als einen Monat nach meiner Ernennung, bin ich sehr stolz und sehr glücklich darüber, hier an Ihrer Seite in Berlin zu sein. Sie haben mich hier sehr herzlich empfangen. Wir haben eine sehr intensive, direkte und tiefgehende Diskussion gehabt. Das ist meine Art des Umgangs, und ich freue mich, dass wir das teilen. In dieser Periode der Instabilität - Sie haben noch einmal daran erinnert - und angesichts der Unsicherheit und der Rückkehr des Kriegs auf unseren Kontinent können wir unseren Austausch, unsere Abstimmung miteinander noch besser voranbringen.

Ich bin mit mehreren Botschaften hierhergekommen. Zunächst einmal möchte ich mein Festhalten am deutsch-französischen Dialog bekräftigen. Es gibt viele Herausforderungen. Die Erwartungen unserer Bürger sind zahlreich. In diesem Kontext haben Deutschland und Frankreich gemeinsam sehr viel zu leisten. Wir haben sehr viele Themen angesprochen, Konvergenzpunkte, aber auch Punkte, bei denen wir gemeinsam etwas aufbauen wollen. Wir arbeiten im Bereich der Energie bereits seit einigen Monaten daran. Auch dabei sprechen wir immer wieder über die Notwendigkeit einer entkarbonisierten Energie und einer souveränen Energieversorgung. Wir sprechen auch über die Landwirtschaftskrise, bei der wir nationale und europäische Maßnahmen ergreifen. Dort arbeiten täglich Menschen für unsere Ernährungssouveränität. Dann geht es aber auch um die industrielle Souveränität in Europa und gleichzeitig auch um die Notwendigkeit, eine technologische Souveränität aufzubauen und Europa an die Spitze der Entwicklung zu bringen, zum Beispiel bei KI. Bei jedem dieser Themen weiß ich, dass es uns darum geht, die europäische Souveränität zu stärken und den Bedürfnissen unserer Bürger gerecht zu werden. Bei all diesen Themen wissen wir, dass die Abstimmung zwischen Frankreich und Deutschland entscheidend ist. Bei jedem Thema bin ich fest davon überzeugt, dass wir in der Lage sind, gemeinsam zu handeln und europäische Antworten auf die Herausforderungen für die Europäer zu finden.

Ich denke dabei zum Beispiel an die Reform des Strommarkts. Das ist etwas sehr Ehrgeiziges, schützt aber gleichzeitig auch die Kaufkraft der europäischen Bürger. Ich denke auch an die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die so wichtig für die Stabilität unserer gemeinsamen Währung ist, des Euro, oder eben auch an die Reform des europäischen Pakts zur Einwanderung und zum Asyl, der klare Prinzipien in Bezug darauf hat, wer in den Schengen-Raum einreisen kann und wer nicht.

Wir sind uns nicht immer einig, das stimmt. Es gibt zwischen uns manche Unterschiede, und das ist ganz normal. Ich möchte sogar manchmal sagen, dass das gesund ist! Aber ich habe eine feste Überzeugung, und zwar, dass das, was uns verbindet, mehr ist als das, was uns trennt, und das ist auch die Überzeugung des Präsidenten. Ich denke zum Beispiel an unsere Werte wie die Achtung des Rechtsstaats, wie die Grundfreiheiten, aber auch an unser Festhalten an der Europäischen Union, die eben bereits seit mehr als 70 Jahren den Frieden gewährleistet, die uns auf der internationalen Bühne mehr Gewicht gibt, mehr Kraft, mehr Stärke, um die Interessen unserer Völker zu verteidigen. Das heißt, angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir manchmal stehen, und Sie haben uns daran erinnert, sind die deutsch-französische Zusammenarbeit, der deutsch-französische Dialog entscheidend, um Fortschritte zu machen.

Der zweite Punkt ist, dass wir uns als deutsch-französisches Tandem noch enger und enger denn je abstimmen. Das ist in Anbetracht des Chaos auf der Welt nötiger denn je. Im Februar 2024 jährt sich zum zweiten Mal die Invasion in der Ukraine. Die Ukraine kämpft seit zwei Jahren mit Entschlossenheit, und das führt dazu, dass wir dem Respekt zollen. Seit zwei Jahren wird bereits eine klare Botschaft an Russland gesendet: Europa wird die Ukraine nicht aufgeben, und wir möchten, dass Kiew siegen kann. Das waren die Maßnahmen, die bereits in der ersten Stunde des Krieges beschlossen worden sind und die auch jetzt, am 1. Februar noch einmal verabschiedet worden sind, 50 Milliarden Euro für die Ukraine.

Aber abgesehen von diesem zynischen Krieg, der vom Kreml verursacht wurde, hat dieser Konflikt auch noch einmal gezeigt, dass wir unsere kollektive Sicherheit gewährleisten müssen und eine strategische Souveränität auf europäischer Ebene aufbauen müssen. Unsere strategische Solidarität zu stärken und das Europa der Verteidigung zu konsolidieren, ist etwas, das auch der Präsident bereits seit 2017 vertritt und in der Agenda von Versailles noch einmal bekräftigt worden ist. Ich weiß, dass das ein Punkt ist, bei dem Frankreich und Deutschland alles tun, um in dieselbe Richtung zu gehen.

Zum Konflikt im Nahen Osten: Frankreich und Deutschland waren von diesem terroristischen, barbarischen Angriff am 7. Oktober tief betroffen, und ich möchte hier noch einmal die Befreiung aller Geiseln ohne Bedingungen fordern. Bei unserem Austausch haben wir auch noch einmal unsere Besorgnis angesichts der humanitären Lage im Gazastreifen und des Verlustes zahlreicher ziviler Leben auf palästinensischer Seite zum Ausdruck gebracht. Ich möchte noch einmal klar sagen: Das Völkerrecht muss geachtet werden, und es muss zu einem humanitären Waffenstillstand kommen, damit Hilfe für die Zivilisten zur Verfügung gestellt werden kann. Die einzige friedliche Lösung ist eine friedliche Lösung auf der Grundlage von zwei Staaten, bei der in Frieden und Sicherheit gelebt werden kann. Das ist eben auch die Initiative dieser drei Säulen, die wir vertreten, von Sicherheit, Humanität und Politik. Der Außenminister Frankreichs ist aktuell in der Region, um noch einmal unsere Vorschläge hinsichtlich dieser unterschiedlichen Bereiche voranzubringen.

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist natürlich unsere bilaterale Agenda. Kommende Woche werden sich die Außenminister Frankreichs, Polens und Deutschlands bei einem Ministertreffen im Format des Weimarer Dreiecks treffen. Das Wiederaufkommen dieses Formats ist eine gute Neuigkeit und zeigt, dass Polen nun wieder voll im Herzen Europas angekommen ist. Es geht darum, Fortschritte in für unsere drei Nationen entscheidenden Punkten zu machen, zum Beispiel der Ukraine, aber auch der Stärkung unserer strategischen Souveränität in Europa oder auch der Zukunft und der Reform der Europäischen Union.

Ende Mai wird der französische Präsident die Ehre haben, hier in Deutschland im Rahmen eines Staatsbesuchs empfangen zu werden. Dieser Staatsbesuch kommt zu einem Schlüsselmoment in unseren bilateralen Beziehungen, 60 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags, aber auch zu einem Schlüsselmoment für Europa. Es ist der erste Staatsbesuch eines französischen Staatspräsidenten seit 24 Jahren in Deutschland.

2024 wird auch Gelegenheit sein, die 80 Jahre der Landung der Alliierten in der Normandie zu begehen. Diese Erinnerung ist ein wichtiger Moment, und ich denke, es ist entscheidend, diese Erinnerung auch zu verstehen und die Zukunft aufzubauen und zu verstehen; denn das ist das, was letztlich den Weg zu Frieden und Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland möglich gemacht hat. Wir haben uns gemeinsam wieder aufgerichtet, haben gemeinsam wieder aufgebaut, haben gemeinsam eine gemeinsame Zukunft aufgebaut, und das ist ein Beispiel, das wir eben auch entsprechend würdigen sollten.

Schließlich gibt es natürlich auch noch die Sportereignisse, die bevorstehen und auf die wir uns sehr freuen; denn für unsere beiden Länder werden die kommenden Monate Gelegenheit sein, zwei Großereignisse zu begehen, zum einen - Sie haben es bereits gesagt - die Fußball-Europameisterschaft und dann die Olympischen Spiele und Paralympischen Spiele in Frankreich. Ein Großereignis auszurichten, ist immer eine Herausforderung, und ich möchte, dass die Fußball-Europameisterschaft wie auch die Olympischen und Paralympischen Spiele Gelegenheiten sein werden, das Beste von unseren Ländern zu zeigen und die Werte zu feiern, die die Jugend und der Sport mit sich bringen.

Lieber Olaf, vielen Dank noch einmal für den Empfang, den Sie mir hier bereitet haben! Die deutsch-französische Freundschaft ist etwas Wertvolles, und Sie können auf mich zählen, dass ich sie lebe. Vielen Dank!

Frage: Die Frage betrifft das Thema MERCOSUR und geht vor allen an den Bundeskanzler. Sind Sie angesichts des Widerstands mehrerer Länder, vor allem auch von Frankreich, bereit, auf dieses Abkommen zu verzichten?

Die Frage, die sich an den Premierminister richtet: Paris fordert Spiegelklauseln. Die sind natürlich in Bezug auf das MERCOSUR-Abkommen sehr schwierig umzusetzen. Blockiert es nicht letztendlich die Verhandlungen, diese Klauseln zu fordern, oder gibt es noch einen möglichen Ausweg?

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre Frage. Es ist so, dass für die Handelsabkommen der Europäischen Union die Union als Ganzes zuständig ist. Die Kommission führt diese Verhandlungen, und sie hat dazu Mandate von uns erhalten, auch dafür, das MERCOSUR-Abkommen zu verhandeln.

Deutschland ist, wie man weiß, ein Land, das den freien Handel mit der ganzen Welt sehr schätzt, und ich glaube, dass wir uns alle einig sind, dass wir solche Abkommen brauchen, weil sie geostrategisch eine große Bedeutung haben. Es kann ja nicht sein, dass wir uns auf der einen Seite unserer Zeitung darüber beklagen, dass der Einfluss bestimmter Länder zunimmt und der Europas abnimmt, und auf der anderen Seite keine Wege finden, eben über gute Zusammenarbeitsformen auch in wirtschaftlichen Beziehungen die ökonomischen Wachstumsperspektiven unseres Kontinents zu verbessern.

Die Verhandlungen mit den MERCOSUR-Staaten sind jetzt schon 20 Jahre im Gange. Dass man da das Gefühl hat, sie sollten einmal fertig werden, und das auch wünscht, ist, glaube ich, nicht so erstaunlich.

PM Attal: Vielen Dank für Ihre Frage. - Zunächst einmal möchte ich daran erinnern, dass Europa ein Handelskontinent ist. Natürlich müssen wir auch entsprechende Handelsbeziehungen mit Ländern und Kontinenten außerhalb Europas unterhalten, und heute ist alles Teil der politischen Debatte. Das heißt nicht, dass man jetzt auf Handel außerhalb der EU verzichten sollte. Es gibt Freihandelsabkommen, die wir bereits unterstützt haben, gerade weil wir davon ausgehen, dass diese Freihandelsabkommen akzeptabel und im Interesse der Europäer sind. Das ist natürlich eine wichtige Debatte, die wir aktuell in Frankreich führen. Was sehen wir jetzt? Na ja, wir haben einen Überschuss, das heißt, es ist im Interesse der Europäer.

Es gibt natürlich eine Vielzahl von Ländern und Kontinenten auf der Welt, mit denen wir enge Beziehungen aufbauen beziehungsweise diese weiter stärken müssen, und dazu gehört eben auch Lateinamerika. Wir haben aber auch immer ganz klar gesagt: Es gibt Abkommen, bei denen die Bedingungen erfüllt sind, und Abkommen, bei denen die Bedingungen für Frankreich noch nicht gegeben sind. Ich möchte sagen: Vom Standpunkt Frankreichs - der Präsident hat es bereits gesagt, ich habe es auch gesagt - liegen die entsprechenden Bedingungen für das MERCOSUR-Abkommen bei uns noch nicht vor, und das aus ganz einfachen Gründen - Sie haben es ja gesagt -, nämlich aufgrund der Spiegelklauseln. Die Spiegelklauseln sind etwas, was absolut gesunder Menschenverstand sind. Wie soll man denn erklären, dass man in Europa die Verwendung mancher Produkte verbietet, dass man bestimmte Methoden verbietet, und dass man gleichzeitig akzeptiert, dass Produkte nach Europa importiert werden, die eben genau diese Techniken und Methoden verwenden, die wir selbst verboten haben? Das wäre ja ein unlauterer Wettbewerb. Das heißt: Ja, das nehme ich so voll an; in der Frage der Spiegelklauseln ist unsere Position klar, und da bleiben wir hart.

Das Gleiche gilt auch für die Anwendung des Pariser Klimaabkommens. Auch da sind wir natürlich Verpflichtungen eingegangen. Bereits seit 20 Jahren wird jetzt über das MERCOSUR-Abkommen verhandelt, aber es ist eben nicht eines dieser Abkommen, das sozusagen eines der neuen Generation ist, die bereits die Ergebnisse des Pariser Klimaabkommens mit den entsprechenden CO2-Reduzierungen berücksichtigen.

Insofern ist unsere Position da ganz klar. Ich habe ja gesagt: Es gibt Themen, bei denen wir nicht einer Meinung sind. Das nehmen wir aber so an und das erkennen wir eben auch an. Das ist eben Teil dieses Dialogs, den wir führen. „We agree to disagree“, und Frankreichs Position ist da ganz klar und konstant.

Frage: Herr Premierminister, der Bundeskanzler hatte in der vergangenen Woche beim EU-Gipfel in Brüssel die EU-Partnerländer dazu aufgerufen, mehr Militärhilfe für die Ukraine zu leisten. Dieser Appell richtet sich in erster Linie an die großen EU-Partner, also Italien, Spanien und auch Frankreich. Sind Sie bereit, die Militärhilfe deutlich aufzustocken? Deutschland hat für dieses Jahr 7,4 Milliarden Euro eingeplant. Wie viel ist Frankreich bereit zu geben?

Herr Bundeskanzler, Sie reisen am Donnerstag in die USA. Im US-Kongress liegt jetzt ein neues Sicherheitspaket vor, das auch die Ukrainehilfe enthält. Den ersten Reaktionen nach zu urteilen sind die Chancen auf eine Mehrheit da jetzt nicht so besonders groß. Wie besorgt sind Sie über diese Hängepartie in den USA, und mit welcher Botschaft in Bezug auf die Ukrainehilfe treten Sie am Donnerstag diese Reise an?

PM Attal: Ich hatte in meiner Rede die Gelegenheit zu sagen, dass Frankreich die Ukraine unterstützt und weiter in ihrem Kampf unterstützen wird. Das ist ein Kampf für ihre Sicherheit, für ihre Souveränität, für die Werte, die wir vertreten und für die wir auch als Europäische Union stehen - die Werte von Freiheit und Demokratie. Das heißt: Ja, wir werden die Ukraine weiterhin unterstützen, und wir werden auch weiter finanzielle Investitionen tätigen. Wir werden auch technische Militärunterstützung zur Verfügung stellen, um die Ukraine zu unterstützen.

Es gibt einige Programme, die bereits länger auf den Weg gebracht worden sind. Es gibt unterschiedliche Waffengattungen, die als Unterstützung für die Ukraine zur Verfügung gestellt werden. Sie haben vermutlich den Präsidenten gehört: Er hat sich vor einigen Wochen zu den unterschiedlichen Waffen der neuesten Generation geäußert, die wir der Ukraine zur Verfügung stellen werden, genauso wie wir das auch mit dem CAESAR, dem Panzer AMX-10 oder auch der SCALP und den anderen Waffentypen neuester Generation gemacht haben. Es geht also nicht nur um die finanziellen Mittel, die zur Verfügung gestellt werden, sondern eben auch um die Art der Waffengattungen, die zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen eben auch die höchsten Standards erfüllen, damit die Ukrainer sich verteidigen können. Es geht hier ja hier um das Recht auf Selbstverteidigung und um die Fähigkeit, sich zu verteidigen.

BK Scholz: Die USA und auch Europa haben eine große Aufgabe, die Ukraine zu unterstützen. Die Botschaft, die wir aussenden müssen, ist ganz klar: Wir werden das so lange tun, wie es notwendig ist, und in dem Umfang, der notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann. Das ist die Botschaft des amerikanischen Präsidenten und das ist auch die Botschaft, die wir in Europa formuliert haben. Es ist deshalb natürlich im Vorfeld meines Besuchs in den USA sehr gut, dass der auch nicht einfache Willensbildungsprozess im Europäischen Rat über die Frage der finanziellen Unterstützung des Haushalts der Ukraine bis 2027 mit jährlich 12 Milliarden Euro und insgesamt 50 Milliarden Euro geklärt ist.

Ich hoffe sehr, dass die USA und der amerikanische Kongress jetzt bald eine Entscheidung treffen werden, die notwendige Unterstützung finanziell möglich zu machen. Ich werbe sehr dafür, dass die USA und Europa sowie auch alle Mitgliedstaaten in Europa einen so großen Beitrag leisten, dass die Rechnung des russischen Präsidenten, die Sache auszusitzen, nicht aufgeht. Das ist doch ganz offensichtlich: Er hofft, dass wir irgendwann einfach nicht mehr weitermachen wollen. Insofern ist die Botschaft, die sowohl aus den USA als auch aus Europa ganz klar an ihn gerichtet sein muss: Diese Rechnung geht nicht auf, wir werden die Ukraine unterstützen. Und wenn ich das ergänzen darf: Ich bin ganz zuversichtlich.

Frage: Herr Premierminister, guten Abend. Was ist Ihr Blick auf die Demonstrationen gegen die AfD in Deutschland? Gehen Sie davon aus, dass in Frankreich die RN genauso eine Gefahr darstellt wie die AfD in Deutschland, also die Rassemblement Nationale, die sich auch für die kommenden Europawahlen aufstellen? Wie können Sie erklären, dass es in Frankreich keine ähnlich geartete Reaktion der Bevölkerung gibt wie diese Demonstrationen, die man derzeit in Deutschland sieht?

PM Attal: Vielen Dank für Ihre Frage. Man sieht allgemein auf europäischer Ebene - und ich glaube, in fast allen Ländern der Europäischen Union -, dass es ein stärkeres Aufkommen von extremen Parteien aus dem rechten Spektrum gibt. Ich glaube, wir müssen systematisch daran erinnern, dass diese rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien einen gemeinsamen Punkt haben. Sie wollen Europa abbauen, zerlegen - und wir, wir wollen Europa stärken, aufbauen, weiterentwickeln.

Das ist sozusagen ein verdecktes Projekt, das es gibt. Das hat man auch immer wieder beim Brexit gesehen, dass es sozusagen jene gab, die das für Großbritannien vertreten haben. Sie haben das Projekt, die Europäische Union zu zerlegen und damit letztendlich Europa grundlegend zu schwächen. Das ist ein Punkt, den all diese Parteien gemeinsam haben. Sie haben diese Ideologie, die relativ ähnlich ist. Natürlich gibt es da auch je nach Land immer wieder Besonderheiten.

Wie reagiert man nun darauf? Ich glaube, man sollte darauf reagieren, indem man so in Betracht auf alles handelt, was eine Schwäche sein könnte. Ich gebe ein Beispiel. Nehmen Sie zum Beispiel die Einigung, die vor einigen Wochen beim Pakt für Einwanderung und Asyl getroffen wurde. Das ist eine wirklich große Stärkung, um unsere Grenzen auf europäischer Ebene besser zu verwalten. Alles, was in Europa gemacht wird für eine Reindustrialisierung unseres Kontinents, für eine Investition in die Spitzentechnologien, das ist etwas, was wir als Europäer gemeinsam aufbauen und was eben auch dazu führt, dass wir uns bekräftigen können. Das ist meiner Meinung nach die beste Art, darauf zu regieren.

Um jetzt auf Ihre Frage einzugehen: Ich habe festgestellt, dass die Franzosen bei den letzten Präsidentschaftswahlen zweimal abgelehnt haben, es den extrem rechten Parteien möglich zu machen, den Präsidenten in Frankreich zu stellen. Auch das zeigt mir, dass es eine ganz klare Ablehnung dieser politischen Linie, dieser Partei, gibt. Diese Ablehnung ist sehr deutlich.

Frage: Ich habe eine Frage an den französischen Ministerpräsidenten. Es gibt ja immer wieder Verzögerungen bei dem Projekt FCAS, auch in jüngster Zeit wieder. Wie sehen Sie das eigentlich? Sind Sie optimistisch, dass dieses Projekt noch rechtzeitig fertig wird, auch angesichts der russischen Bedrohungslage? Zeigt sich da nicht auch ein bisschen die möglicherweise bestehende Unfähigkeit Europas, für eine europäische Verteidigung, eine gemeinsame Verteidigung, zu sorgen?

Herr Bundeskanzler, erlauben Sie noch kurz eine Frage zur deutschen Diskussion um Steuersenkungen. Ihre beiden Minister Habeck und Lindner haben sich jetzt für Steuersenkungen für Unternehmen ausgesprochen, sind sich aber bei der Finanzierung noch nicht ganz einig. Sind Sie da auch für Steuersenkungen, und wie soll das finanziert werden?

PM Attal: Vielen Dank. Zunächst einmal glaube ich an das Europa der Verteidigung. Das gilt für meine Generation. Wie lange sprechen und hören wir schon darüber? Viele waren der Meinung, das sei nur ein frommer Wunsch. Aber ich habe auch festgestellt, dass in den vergangenen Jahren sehr viele Herausforderungen, die in der Vergangenheit nur ein frommer Wunsch waren, gemacht worden sind. Das, denke ich, waren auch die Krisen, die uns dazu gebracht haben.

In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass aufgrund der Coronakrise und des entsprechenden Wiederaufbauplans ein entscheidender Schritt für Europa getan wurde, und das, obwohl wir bereits seit Jahrzehnten darüber sprechen. Ich denke, es ist auch eine große Herausforderung für unsere gemeinsame Sicherheit, dass wir bei diesen Projekten vorangehen.

Das heißt: Ja, ich habe das Vertrauen in die Fähigkeit, beim Projekt FCAS Fortschritte zu machen. Das Gleiche glaube ich, wenn es um die Fähigkeit geht, Programme beim MGCS zu machen, beim Kampfpanzer der Zukunft. Das sind große Projekte. Wir werden weiter dort investieren; wir werden dort vorangehen.

Natürlich ist es nicht immer einfach, wenn man in solchen Bereichen aktiv ist - Bereiche, in denen sehr lange keine Fortschritte gemacht wurden, in denen keine großen Schritte gegangen worden sind. Ich denke aber, das ist entscheidend für unsere beiden Länder. Es ist ein großes Interesse für unsere beiden Länder. Das wurde durch die Rückkehr des Kriegs auf unseren Kontinent noch einmal gestärkt.

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage an den Kollegen. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich beide Projekte auf gutem Weg sehe, und finde, dass die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern dort sehr intensiv ist. Ich habe mir vor kurzem in der Nähe von München die entsprechenden Arbeiten bei Airbus angeguckt, die ganz wichtig für das Gesamtprojekt FCAS sind. Ich habe gesehen, welche Fortschritte dort gemacht worden sind, aber auch, welcher Ehrgeiz in die Vorbereitung, in die Forschung und in die Entwicklungstätigkeit gelegt wurde. Deshalb ist mein Eindruck eher ein zuversichtlicher. Ich glaube, dass dieses große Projekt, das wir für unsere gemeinsame Zukunft brauchen werden, erfolgreich sein wird und gleichzeitig technologische Fortschritte mit sich bringt, die wir brauchen, die aber selbstverständlich auch die Sicherheit Europas und unserer beiden Länder stärken wird.

Was die Frage von Steuermodernisierungen, auch Erleichterungen betrifft, hat die Bundesregierung ein sehr gutes Projekt. Das ist das Wachstumschancengesetz, das der Bundestag beschlossen hat und das jetzt im Bundesrat zur Beratung ansteht. Wir haben ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat über die Gesetzgebung. Ich hoffe, dass dieses sehr konkrete und sehr praktische Projekt, das die Investitionstätigkeit von Unternehmen erleichtern soll, auch mit der Zustimmung der Länder etwas werden wird - und darauf sollte man sich konzentrieren. Das ist praktisch, anfassbar und wirkt schnell.