Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Präsidenten der Republik Aserbaidschan, Alijew, am 26. April 2024 in Berlin

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BK Scholz: Herr Staatspräsident, willkommen in Berlin! Ich freue mich, Sie anlässlich des Petersberger Klimadialogs, an dem wir beide gerade schon teilgenommen haben, hier im Kanzleramt zu begrüßen. Viermal haben Sie in den vergangenen 14 Monaten Deutschland besucht, zuletzt bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Das zeigt, dass es viele Themen gibt, die wir miteinander zu besprechen haben, so auch heute.

Natürlich haben wir auch ganz besonders über den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan gesprochen und sind uns einig: Dieser Konflikt muss nun friedlich beigelegt werden. Die Chancen dafür sind so gut, wie sie schon lange Zeit nicht mehr waren. Deshalb ist es auch richtig, dass Sie mit Ministerpräsident Paschinjan nun auch im direkten persönlichen Austausch stehen. Bei unserem letzten Treffen in München haben Sie beide mir versichert, ausstehende Fragen ausschließlich friedlich zu lösen. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Schritt.

Lassen Sie mich heute noch einmal betonen: Deutschlands Angebot steht, eine dauerhafte und tragfähige Lösung zu unterstützen. Dafür stehen wir bereit, immer dann, wenn es von allen Seiten gewünscht wird.

Ich möchte beide Länder dazu ermuntern, den Willen und den Mut für notwendige Kompromissen aufzubringen. 2024 kann und sollte für die Region ein Jahr des Friedens werden. Das ist eine Chance und eine große Verantwortung zugleich. Die jüngsten Meldungen über eine erste Einigung zur Demarkationslinie sind ermutigend. Jetzt gilt es, diese Dynamik aufrechtzuerhalten und weitere couragierte Schritte zu gehen. Dazu möchte ich Sie genauso wie den Ministerpräsidenten ermutigen.

Ein weiteres Thema unseres Treffens war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Auswirkungen auf Aserbaidschan sowie die Region des südlichen Kaukasus. Russland bringt - das wissen wir alle - mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hunderttausendfaches Leid über die Ukraine. Dieses erbarmungslose Gemetzel muss endlich aufhören. Putin muss seinen Feldzug abbrechen, Truppen zurückziehen und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine akzeptieren.

Herr Präsident, Ihr heutiger Besuch steht vor allem im Zeichen der Klimapolitik. Denn Aserbaidschan wird die COP29 ausrichten. Der Beschluss der COP28 in Dubai war sehr wichtig. Der Ausbau der Erneuerbaren, die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 und die Verringerung des Methanausstoßes sind von elementarer Bedeutung für unseren Planeten. Es ist eine gute Nachricht, dass Ihr Land den Anteil von Windkraft, Solarenergie und Wasserkraft im Stromsektor bis 2030 auf 30 Prozent anheben will. Deutschland strebt einen Anteil von 80 Prozent an, wie alle wissen.

Großes Potenzial bietet die Zusammenarbeit gerade bei grünem Strom und Wasserstoff aus der Region. Deutsche Firmen sind sehr interessiert und auch sehr aktiv in diesen Fragen. In Aserbaidschan wollen sie sich am Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wasserstoffproduktion beteiligen, natürlich im Rahmen der Bedingungen, die dafür notwendig sind.

Die Weltklimakonferenz in Baku bietet große Chancen für die Welt, aber auch für die ganze Region. Die Zusammenarbeit in klimapolitischen Fragen kann vertieft werden. Es geht darum, die Beschlüsse, die in Dubai gefasst wurden, noch einmal zu intensivieren und weiterzuentwickeln, auch neue Klimaziele bis 2035 zu formulieren und die Klimafinanzierung voranzubringen. Deutschland leistet, wie Sie wissen, mit mehr als sechs Milliarden Euro an Haushaltsmitteln, die wir gezahlt haben, einen entscheidenden Beitrag. Deutschland ist und bleibt ein verlässlicher Geldgeber, der seinen fairen Anteil leisten will.

Jetzt geht es darum, die Investitionsbedarfe in den Blick zu nehmen und private Investitionen für den Klimaschutz zu ermöglichen. Gleichzeitig ist klar, dass auch bisherige Geber mehr tun müssen. Aber auch die Staaten, die bisher nicht zur Klimafinanzierung beigetragen haben, aber über entsprechende finanzielle Mittel verfügen, müssen das tun. Ich hoffe, dass es gelingt, bei der COP29 entsprechende Fortschritte zu erzielen.

Aserbaidschan ist ein wichtiger Partner für die Versorgungssicherheit Europas auch in Energiefragen. Deshalb bedanke ich mich auch für die Zusammenarbeit, die ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung unserer Energieversorgung war und ist.

Wir haben auch über die Rolle der Zivilgesellschaft und freie Medien sowie über die Lage der Menschenrechte gesprochen. Meine Grundüberzeugung ist dabei sehr klar: Zur Demokratie gehört eine lebendige und kritische Zivilgesellschaft. Meinungs- und Pressefreiheit sind europäische Grundwerte. Wir alle können davon immer nur profitieren.

Ich möchte mich für das gute Gespräch bedanken, das wir miteinander hatten, in schwierigen Zeiten, in der die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern noch wichtiger sein wird. Wir sind uns einig, dass wir diese Beziehung weiterentwickeln wollen.

Schönen Dank.

P Alijew: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst möchte ich mich für Ihre Einladung bedanken. Wie Sie betont haben, haben sich meine Besuche in Deutschland in den letzten Jahren und Monaten intensiviert. Ich kann sagen, dass sich die deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen mit großer Geschwindigkeit entwickeln. Im März des vergangenen Jahres war ich hier. Vor zwei Monaten sind wir mit Herrn Bundeskanzler in München zusammengekommen. Unsere bilaterale Agenda ist umfassend. Sie umfasst eine große Bandbreite von Fragen. Diese bilaterale Beziehung ist auch für das Wachstum der gesamten Südkaukasusregion von Bedeutung.

Heute Morgen war ich auf dem Petersberger Klimadialog. Ich habe mich mit einem Redebeitrag beteiligt und unsere Absicht zum Ausdruck gebracht. Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung bei der Ausrichtung der COP29. Die Mitglieder unserer Teams arbeiten eng zusammen. Als Gastgeberland der COP29 aufzutreten, ist eine große Ehre für uns. Gleichzeitig bedeutet das eine Verantwortung. Aber wir sind dazu bereit. Die aserbaidschanische Agenda für grüne Energie ist der ganzen Welt bekannt. Heute Morgen habe ich das auch in meinem Rednerbeitrag betont. Bis Ende 2027 werden in Aserbaidschan neun Solar- und Windenergiekraftwerke in Betrieb gehen, deren Leistungskapazität zwei Gigawatt beträgt. Bis 2030 werden wir zusätzlich zehn Gigawatt an erneuerbaren Energien, Solar- und Windenergie, bauen. Wir werden zusätzlich fünf Gigawatt haben.

Wir überlegen und strengen uns an, grüne Energie nach Europa zu exportieren. Wir als Versorger mit Erdgas können für Europa gleichzeitig auch als Versorger mit grüner Energie auftreten.

Was die europäische Gasversorgung angeht, haben wir gern erfahren, dass uns die Europäische Kommission als paneuropäischen Gaslieferanten benannt hat. Unsere Gaslieferung nach Europa wird auf der Grundlage einer strategischen Partnerschaft umgesetzt. Wir haben vor zwei Jahren eine Absichtserklärung abgegeben, unsere Erdgaslieferung nach Europa bis 2027 zu verdoppeln und auf 20 Milliarden Kubikmeter zu steigern.

Natürlich ist Europa an neuen Energiequellen, Erdgasquellen, interessiert. Vor einigen Jahren haben wir nur acht Milliarden Kubikmeter Erdgas in europäische Länder geliefert. Dieses Jahr sind es 12 Milliarden Kubikmeter. Für die Steigerung des Exportvolumens investieren wir und unterstützen dieses Projekt. Das heißt, dass wir gleichzeitig sowohl mit den traditionellen Energieträgen als auch mit erneuerbaren Energien arbeiten. Wir sind reich an beiden Energiequellen. Das ist für unsere strategische Partnerschaft im Energiebereich wichtig.

Was die regionale Sicherheit angeht, so werden die Friedensverhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan von uns hoch geschätzt. Herr Bundeskanzler, auf Ihre Einladung hin sind die Außenminister von Armenien und Aserbaidschan vor Kurzem in Deutschland zusammengekommen. Auch die deutsche Bundesaußenministerin, Frau Baerbock, hat dazu ihren Beitrag geleistet. Das nächste Treffen wird in Kasachstan geplant. Das heißt, dass wir zusätzliche, wichtige Schritte für den Abschluss eines Friedensvertrags machen.

Aserbaidschan hat im Jahre 2023 einen großen Teil seines souveränen Territoriums von der Okkupation befreit. Im vergangenen September hat Aserbaidschan seine vollständige Souveränität wiederhergestellt. Heute wurde die territoriale Integrität Aserbaidschans vollständig gesichert. Das ist eine historische Errungenschaft. Das zeigt noch einmal, dass sich das aserbaidschanische Volk und der aserbaidschanische Staat nie mit der Okkupation abgefunden haben. Wir haben, ausgehend von den internationalen Völkerrechtsnormen auf der Grundlage von Artikel 51 der UN-Charta, unsere territoriale Integrität wiederhergestellt, und zwar mit militärischen und politischen Mitteln.

Heute gehen die Verhandlungen zwischen Aserbaidschan und Armenien weiter. Wir haben eine Grenzdelimitation und sogar Demarkation der Grenzen erreicht, erste kleine Schritte. In den Jahren von 1990 bis 1992 wurden vier okkupierte Dörfer Aserbaidschans von Armenien zurückgegeben.

Ich muss hervorheben, dass die türkisch-russische Monitoringgruppe, die in Aserbaidschan stationiert ist, ihre Tätigkeit eingestellt hat. Es gibt keinen Bedarf an dieser Monitoringmission. Es gibt sehr gute Chancen, um Frieden zu erreichen. Wir danken den Ländern, die uns dabei unterstützen. Wir sind bereit, mit ihnen zu kooperieren. Ich hoffe, dass wir in naher Zukunft positive Schritte in dieser Richtung erzielen können. Auf die deutsche Unterstützung in dieser Richtung legen wir großen Wert und danken Ihnen dafür sehr herzlich.

Frage: Herr Präsident, ich möchte Sie nach dem Umgang mit Menschenrechten in Aserbaidschan und nach der Pressefreiheit fragen. In den vergangenen Wochen ist über ein Dutzend regierungskritischer Journalisten festgenommen worden, darunter auch unser Kollege Imran Alijew, der unter anderem auch für meinen Sender tätig ist, für das ZDF. Imran Alijew berichtet von Folter. Seine Familie berichtet von Verletzungsspuren, von Blutergüssen, von Folterspuren.

Wann beenden Sie dieses Vorgehen? Wann lassen Sie unsere Kollegen frei?

Herr Bundeskanzler, wie viel Raum hat das Thema der Menschenrechte in Ihren Gesprächen eingenommen? Konnten Sie auch konkrete Fälle ansprechen?

P Alijew: Die Menschenrechte und Medienfreiheit werden in Aserbaidschan gewährleistet und gesichert. Es gibt keine Zensur in Aserbaidschan. In Aserbaidschan gibt es freies Internet. Hunderte Medienorgane gibt es in Aserbaidschan. Aserbaidschan zu beschuldigen, Medieneinschränkungen eingeführt zu haben, ist unbegründet. Das ist eine unfaire Herangehensweise. Wenn das Internet frei ist, von welcher Einschränkung können wir reden?

Was individuelle Fragen, individuelle Ereignisse angeht, befassen sich natürlich Rechtsschutzorgane mit diesen Fragen. Die untersuchen das. Vor kurzer Zeit gab es in Aserbaidschan vom Ausland illegal finanzierte Medienorgane. Die Vertreter dieser Medienorgane wurden angehalten, kurzfristig festgenommen, und alle werden anhand der aserbaidschanischen Gesetzgebung untersucht. Jedes Land respektiert seine Gesetzgebung und muss seine Gesetzgebung schützen. Wenn illegale Finanzmittel aus dem Ausland einbezogen werden und wenn jemand dafür angeklagt wird, dann heißt das nicht, dass es bei uns keine Medienfreiheit gibt. Jeder muss im Rahmen der Gesetzgebung agieren - wir in unserem Raum, im Medienraum, im Presseraum -, wir müssen sie vor negativen Auswirkungen schützen, und jeder muss die Forderung der Gesetzgebung einhalten.

Kurz möchte ich sagen: Es gibt in Aserbaidschan eine freie Gesellschaft. Die Menschen leben frei, sie bewegen sich frei. Das gilt auch für die Medienvertreter.

BK Scholz: Ich will Ihre Frage sehr direkt beantworten: Natürlich hat das eine Rolle in unserem Gespräch gespielt und ist auch zwischen uns sehr sorgfältig besprochen worden. Sie wissen: Die Bundesregierung setzt sich für die Wahrung der Menschenrechte weltweit ein. Das gilt dann eben auch für Aserbaidschan. Insbesondere Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsverteidiger und Medien müssen frei und ohne Druck arbeiten können. Deshalb reden wir über Einzelfälle, deshalb reden wir über die konkrete allgemeine Situation, und natürlich ist es auch kein Geheimnis, dass wir Verbesserungsbedarf sehen, um es einmal so zu formulieren.

Frage: Herr Staatspräsident, nach dem Krieg in Aserbaidschan werden große Rekonstruierungsarbeiten durchgeführt. Milliarden werden dafür investiert. Aber bezüglich dieser Projekte sind einige Aspekte nicht transparent. Die Journalisten und auch die Einwohner haben keinen Zugang zu diesen Ausschreibungen und dazu, wie diese Unternehmen ausgewählt werden. Ich möchte mich nach den Gründen erkundigen. Warum werden einige Fragen geheim gehalten? Warum wird das nicht alles transparent bekannt gegeben?

P Alijew: Die Frage löst bei mir ein Fragezeichen aus. Was die großen Projekte in unseren Wirtschaftszonen Sangesur, Ostsangesur und Karabach angeht, welche durchgeführt werden, wird über sie und über die getätigten Investitionen transparent und regelmäßig berichtet. Dort wird bis zum Ende dieses Jahres eine große Arbeit durchgeführt. Das heißt, nach dem Ende des Krieges wurden in Karabach und in Ostsangesur Investitionen in Höhe von zwölf Milliarden aserbaidschanische Manat, etwa sieben Milliarden US-Dollar, getätigt, und das geht weiter. Was dort als Arbeit geleistet wird, steht uns vor Augen. Das Verfahren des Ausschreibens wird transparent durchgeführt. Alle Anforderungen werden eingehalten.

Ich weiß jetzt nicht, auf welche Informationen Sie sich berufen. Aus welcher Quelle haben Sie diese Informationen? Medientouren werden regelmäßig organisiert. Journalisten besuchen regelmäßig diese Gebiete, darunter auch ausländische Journalisten. Falls Sie diese Möglichkeit haben, würden Sie diese Gebiete auch besuchen? Wenn Sie diese Möglichkeit gehabt hätten, würden Sie mit eigenen Augen sehen, wie Armenien unseren Boden dem Erdboden gleich gemacht hat und mit welcher Freude unsere Leute jetzt zurückgehen, dreieinhalb Jahre nach dem Krieg. Etwa 6000 Flüchtlinge, Binnenvertriebene, sind in ihre angestammte Wohnung zurückgekommen, und bis zum Ende dieses Jahres werden etwa 20 000 Binnenvertriebene in ihre eigenen Häuser zurückkehren. Jeder zurückkehrende Binnenvertriebene ist der aserbaidschanischen Regierung und der aserbaidschanischen Leadership dankbar dafür, dass diese Rückkehr ermöglicht wurde. Wir sind auch unseren Märtyrern dankbar, die das alles möglich gemacht haben. Das ist eine allgemeine nationale Frage, wie auch die Frage der Befreiung unserer Territorien und wie auch heute die Wiederbelebung unserer von der Okkupation befreiten Gebiete nationale Fragen sind. Ich bin sicher, dass der größte Teil der aserbaidschanischen Medienvertreter unsere Aktivitäten unterstützt, und die sind auch davon überzeugt, dass alles, was läuft, positiv ist.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich hätte ganz gerne noch einmal nach den Klimagesprächen gefragt. Es ist jetzt zum zweiten Mal so, dass die Präsidentschaft der internationalen Klimakonferenz Ländern übertragen wurde, die selbst große Produzenten von fossilen Energien sind. Ist das eigentlich aus Ihrer Sicht ein Problem oder sogar eine Chance, weil die sich dann stärker verpflichtet fühlen?

Aus aktuellem Anlass stelle ich noch eine Frage zu Herrn Macron und seiner gestrigen Rede. Sie haben gestern von guten Impulsen gesprochen. Können Sie noch einmal ein bisschen ausführen, was Sie damit meinen? Nun waren ja auch Vorschläge wie zum Beispiel die Reform der EZB oder gemeinsame europäische Fonds dabei.

Herr Präsident, ich weiß nicht, ob Sie auch über Gaza und den Konflikt im Nahen Osten gesprochen haben. Es gibt Gespräche oder Spekulationen darüber, dass vom Internationalen Strafgerichtshof ein internationaler Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten ausgestellt werden soll. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob Sie solche Überlegungen unterstützen.

BK Scholz: Was den ersten Teil der Frage betrifft: Ich betrachte es als eine Chance, dass diese Konferenzen jetzt in Ländern, die selbst mit der Produktion von Energie aus fossilen Ressourcen zu tun haben, stattgefunden haben und stattfinden werden. Wenn wir uns an die letzte COP erinnern, hat sie sehr viele Durchbrüche mit sich gebracht, zum Beispiel auch, was die Finanzierung des Loss and Damage Fund betrifft. Das war auch deshalb bemerkenswert, weil der Durchbruch gelungen ist, weil zwei Länder - zum einen Deutschland und zum anderen das Ausrichterland - mit Finanzierungsbeiträgen vorangegangen sind, was es vielen möglich gemacht hat, das dann auch selbst zu unterstützen; ein großer Fortschritt, finde ich, der letzten Konferenz.

Das Gleiche gilt für die sehr klaren Aussagen dazu, dass wir aus den fossilen Energien aussteigen müssen; denn wir sind ja jetzt in einer Transformationsphase, in der es noch die Nutzung fossiler Energien gibt, gerade auch in Europa und überall in der Welt. Diese Phase muss genauso mit großer Energiesicherheit versehen sein wie gleichzeitig mit Investitionen in die Transformation hin zu den erneuerbaren Energien, die in Deutschland ja mit großer Geschwindigkeit vorangeht, aber in vielen anderen Ländern auch.

Deshalb gilt also zusammenfassend: Es ist der schwierigere Weg, es so zu machen, aber es ist der kluge Weg, weil er Chancen beinhaltet. Ich glaube, dass es so, wie es beim letzten Mal gelungen ist, gute Aussichten gibt, dass es auch erneut gelingt, weitere Durchbrüche zu erzielen, gerade wegen dieser besonderen Konstellation.

Ansonsten will ich nur noch einmal unterstreichen, was ich gesagt habe: Das sind interessante und wichtige Impulse. Ich freue mich darüber, dass so in Richtung eines guten Europas diskutiert wird. Wir brauchen da eine breite Debatte.

P Alijew: Heute habe ich mich mit dem Bundeskanzler über die bilateralen Beziehungen ausgetauscht. Auch über regionale Sicherheitsfragen haben wir gesprochen, darunter Fragen der COP 29. Wir haben Vorbereitungsmaßnahmen besprochen. Besprechungen anderer internationaler Fragen fanden nicht statt.

Was den Nahen Osten und die dortige Lage angeht, ist die Position Aserbaidschans immer eindeutig und klar: Die Freiheit des palästinensischen Volkes und die Unabhängigkeit des palästinensischen Volkes wurden immer vom aserbaidschanischen Volk unterstützt. Wir wollen, dass der Krieg und militärische Auseinandersetzungen im Nahen Osten bald zu Ende gehen sollen, und Aserbaidschan wiederholt diese Position immer.

Was den anderen Teil der Frage angeht: Die Länder, die reich an Öl und Gas sind, können nicht dafür beschuldigt werden, dass sie reich an Öl und Gas sind. Dafür sollten wir nicht diskriminiert werden. Öl- und Gasvorkommen sind ein Gottesgeschenk, eine Gottesgabe. Die Länder sollten nach dem Kriterium bewertet werden, wie die Länder mit diesen Ressourcen umgehen. Aserbaidschan hat die Einnahmen aus dem Öl- und Gashandel richtig eingesetzt. Dadurch wurde in Aserbaidschan in den letzten 20 Jahren zum Beispiel die Armutsquote von 50 Prozent auf fünf Prozent reduziert. Aserbaidschan konnte dank dieser Öleinnahmen sein Wirtschaftspotenzial ausbauen. Unsere Auslandsverschuldung macht nur 7,9 Prozent des gesamten BIP aus. Diese Öl- und Gaseinnahmen werden für die Entwicklung der aserbaidschanischen Gesellschaft gerecht verteilt. Ein Teil fließt auch in die Wiederbelebung von Ostsangesur und Karabach.

Deswegen sollten über diese Länder, die reich an Öl und Gas sind, keine Mythen ins Leben gerufen werden. Diese Länder und auch die Länder, die vor uns die COP ausgerichtet haben - die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten -, haben große Anstrengungen für die Lösung der Klimawende unternommen. Aserbaidschan, Brasilien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind reich an natürlichen Ressourcen. Wir arbeiten als Troika und treten als Troika auf. Unsere Absicht besteht darin, die erzielten Einnahmen in die grüne Energie zu investieren, und in diese Richtung unternehmen wir Schritte. COP 29 sollte keine Arena für Konfrontationen darstellen. Aserbaidschan als Gastgeberland wird bestimmte Brücken des Dialogs bauen und will zwischen dem globalen Süden und Europa in der Rolle eines Brückenbauers auftreten. Unsere Transformation hin zur grünen Energie wird auf dieser Agenda Priorität haben.

Frage: Herr Bundeskanzler, das deutsche Bundesinnenministerium hat im Juli 2023 einen Bericht einer Expertengruppe veröffentlicht, die sich mit der Frage der Islamfeindlichkeit beschäftigt hat. Die hat eine Umfrage analysiert. Die Hälfte der Respondenten, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, hat islamfeindliche Ansichten vertreten. Wie lässt sich diese gefährliche Tendenz erklären? Ist sie Ausdruck solcher Trends der Fremdenfeindlichkeit? Welche Schritte unternimmt Ihre Regierung, um solche Tendenzen zu bekämpfen?

BK Scholz: Sie zitieren ja staatliche Institutionen. Das heißt, Sie sehen, der Staat macht sich große Gedanken darüber, wie wir ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft gewährleisten können. Das tun wir mit den Gesetzen, die wir haben, mit strafrechtlichen Vorschriften, aber natürlich auch mit allgemeiner politischer Aufklärung. Deshalb ist der Kampf gegen Antisemitismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen Rassismus etwas, das zu den Aufgaben der Regierung, aber auch unserer ganzen Bürgergesellschaft insgesamt gehört - ich glaube, dass das im weltweiten Vergleich auch sehr gut gelingt -, weshalb wir ja weiter aufmerksam sein müssen.

Wir sind in diesen Fragen immer sehr klar. Deutschland ist ein Land, in dem viele Menschen mit sehr unterschiedlichen religiösen Überzeugungen leben, und dass die religiöse Toleranz unser Zusammenleben prägt, gehört auch zu den großen Vorzügen unserer freiheitlichen Verfassung.