Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, BDI-Präsident Russwurm und ZDH-Präsident Dittrich nach dem Münchner Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft und der Internationalen Handwerksmesse am 1. März 2024

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, BDI-Präsident Russwurm und ZDH-Präsident Dittrich nach dem Münchner Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft und der Internationalen Handwerksmesse am 1. März 2024

in München

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 1. März 2024

Preuschoff: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie sehr herzlich zur Pressekonferenz nach dem Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Als Gesprächspartner stehen Ihnen der Bundeskanzler sowie die Präsidenten der vier führenden Wirtschaftsverbände BDA, BDI, DIHK und ZDH zur Verfügung. Im Mittelpunkt des diesjährigen Gesprächs standen die von der Wirtschaft vorgeschlagenen zehn Punkte, um Vertrauen zurückzugewinnen und den Standort Deutschland zu stärken.

Darüber, ob Politik und Wirtschaft hier zu übereinstimmenden Handlungs­notwendigkeiten gekommen sind und diese identifiziert haben, wird zunächst BDI-Präsident Russwurm berichten ‑ er ist in diesem Jahr der Sprecher des federführenden Verbandes ‑, und daran anschließend dann Sie, Herr Bundeskanzler. Aber zunächst haben Sie das Wort, Herr Russwurm.

Russwurm: Vielen Dank für das Erwartungsmanagement. ‑ Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich möchte mich zunächst auch im Namen meiner Kollegen Adrian, Dietrich und Dulger bedanken, dass Sie den traditionellen Austausch mit den Spitzenverbänden anlässlich der Internationalen Handwerksmesse heute hier wieder fortgesetzt haben.

Die schwache Industriekonjunktur, ein rückläufiger Güterhandel, zusätzliche Kosten für das De-Risking sowie hohe Energiepreise und Inflationsraten haben Deutschlands Wirtschaft hart getroffen. Dazu kommen hausgemachte Belastungen durch die deutsche Standortpolitik, im europäischen und internationalen Vergleich drastisch höhere Steuern, ausufernde Bürokratie, überlange und komplexe Genehmigungsverfahren und Dokumentationspflichten und zunehmende Planungsunsicherheit durch viel Hin und Her in der Politik. ‑ Nur am letzten Satz merken Sie, dass das kein Zitat aus dem Jahreswirtschaftsbericht war.

Das Urteil des Verfassungsgerichts erfordert zudem Priorisierungen und verengt die Handlungsspielräume. Kein Wunder, dass wir nur mit magerem Wachstum rechnen können, und mit mehr Abwärtsrisiken für die Prognose, als uns lieb sein kann. Im Mittelstand genauso wie in großen Unternehmen kommt es zunehmend zu der Verlagerung von Investitionen ins Ausland oder gleich zur Schließung ganzer Betriebe. Die Zeiten sind also ernst.

Es ging in unserem Gespräch vor allem um die Chancen, durch Strukturreformen im Inland das Klima für Unternehmen und die Wachstumsaussichten wieder zu verbessern. Die Themenpalette war genauso breit wie die Problemlage: von der Steuer- und Energiepolitik über Planungs- und Genehmigungsverfahren und Bürokratieabbau bis zur Fachkräftesicherung. Klar ist: Die letzten Monate haben bei vielen Unternehmen für Ernüchterung gesorgt. Die Verunsicherung ist groß, und das ist Gift für Investitionen. Das Wachstumschancengesetz ist nur ein Beispiel unter vielen, wie es nicht laufen sollte. Das halbierte Volumen war schon eine herbe Enttäuschung, und die anhaltende Hängepartie kommt noch hinzu.

Die Verbesserung der steuerlichen Forschungsförderung ist richtig. Deswegen hoffen wir darauf, dass sie nach dem 22. März dann endlich kommt. Eine substanzielle Investitionsprämie und eine bessere Verlustverrechnung wären ebenfalls zielführend gewesen; da ist unsere Hoffnung aber schon geringer.

Gerade angesichts der trüben Wachstumsprognose braucht es einen echten Kraftakt, auch einen steuerpolitischen Kraftakt, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und Investitionen in Deutschland zu motivieren. Ziel muss aus unserer Sicht eine international wettbewerbsfähige Steuerbelastung der Unternehmen sein, und die 25 Prozent, die wir vorschlagen, wären immer noch deutlich höher als der Schnitt in der EU. Konkrete Maßnahmen haben wir natürlich diskutiert, zum Beispiel den Abbau des Solidaritätszuschlags und eine mittelstandsgerechte Ausgestaltung der Thesaurierungsrücklage.

Wir haben über Energie gesprochen, etwa über die Stromsteuer, die tunlichst für alle Betriebe und Unternehmen auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden sollte; denn auch die hohen Strompreise sind ein echter Standortnachteil, und sie bremsen die stärkere Elektrifizierung aus, die aus Klimaschutzgründen in vielen Lebensbereichen gewollt und notwendig ist. Wir haben auch über Stromnetzentgelte gesprochen, über den drohenden Anstieg durch den gewaltigen Netzausbaubedarf und über die Frage, wie dort eine Entlastung notwendig ist ‑ auch dadurch, dass wir beim Bau von Infrastruktur stärker auf Effizienz achten, zum Beispiel durch Freileitungen statt Erdkabel, wo immer das noch möglich ist, ohne Planungs- und Genehmigungsprozesse wieder von vorne binden zu lassen.

Zusammengefasst: Die Unternehmen wünschen sich von der Bundesregierung eine klare Wachstumsagenda, und zwar eine, die über eine Legislaturperiode hinaus trägt. Die Unsicherheit angesichts der vielen Krisen und geopolitischen Herausforderungen ist schon groß genug, und deswegen war unser Petitum ‑ und das wird es bleiben, auch nach der heutigen Veranstaltung ‑, dass die Bundesregierung alles tut, um zumindest durch die eigene Standortpolitik Vertrauen zu stabilisieren.

Vielen herzlichen Dank!

BK Scholz: Schönen Dank! ‑ Meine Damen und Herren, lieber Herr Russwurm, ich freue mich sehr über die Einladung zu diesem Spitzengespräch. Das ist immer wieder ein sehr guter Ort, um sich auszutauschen, und hier sind auch sehr wichtige, konstruktive Diskussionen möglich. Ich habe schon gesagt: Wir müssten eigentlich viel mehr Zeit haben ‑ beim nächsten Mal komme ich mit fünf Stunden Gesprächszeit, und das wäre, glaube ich, dann auch das, was alle sich wünschen würden. Insofern ist dies aus meiner Sicht ein guter Ort und war dies ein guter Austausch und eine konstruktive Debatte über die Zukunft unseres Landes.

Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sind zentral, und deshalb sind es die zentralen Ankerpunkte der Bundesregierung für das, was wir bisher gemacht haben und was wir zukünftig machen werden. Das Wachstumschancengesetz, über das hier geredet worden ist, ist ein solches Beispiel. Wir haben steuerliche Erleichterungen für investierende Unternehmen geschaffen ‑ für diejenigen, die etwas für Forschung und Entwicklung tun wollen, für diejenigen, die in den Wohnungsbau investieren wollen, mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten, aber auch für allgemeine Investitionen, die jetzt ganz aktuell getätigt werden. Das Paket liegt immer noch im Bundesrat. Wir sind aber ganz zuversichtlich, dass es jetzt, wenn auch in veränderter Form, beschlossen wird. Sie wissen, dass die Bundesregierung gerne das ganze Paket durchbekommen hätte, aber hier geht es ja um Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden, und da werden wir uns miteinander verständigen müssen. Wichtig ist aber, dass dieses zentrale Zeichen als Anregung für Investitionstätigkeit unserer vielen Unternehmen in Deutschland auch tatsächlich gelingt.

Ich weiß als ehemaliger Hamburger Bürgermeister, dass der Gruß des Kaufmanns die Klage ist. Das ist nicht schlimm und seit Jahrhunderten so. Deshalb ist es auch wichtig, über all die Herausforderungen zu sprechen, die vor uns liegen. Dass eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung dazugehört, das steht außer Frage. Ich will noch einmal daran erinnern, vor welchen Herausforderungen wir vor noch gar nicht so langer Zeit standen, als plötzlich die Hälfte der Gasimporte, die aus Russland kamen, nicht mehr nach Deutschland gekommen sind, weil der russische Präsident sie von einem Tag auf den anderen gestoppt hatte. Das Gleiche gilt für andere fossile Importe, die wir nach Deutschland bekommen haben, und wir mussten Ersatz beschaffen. Das haben wir geschafft mit Importen aus Norwegen, mit Importen über die westeuropäischen Häfen und neu gebaute Terminals an den norddeutschen Küsten in Wilhelmshaven, in Stade, in Brunsbüttel und jetzt auch in Mukran, wo der Probebetrieb begonnen hat. Wir sind beharrlich geblieben und werden die Kapazitäten noch weiter entwickeln; denn trotz aller Aufgaben zur Modernisierung unserer Energieversorgung und zur Transformation zu einer klimaneutralen Energiewirtschaft ist es wichtig, dass wir für die Zeit bis dahin über billigere und bezahlbare Energie verfügen. Das hängt an den Importmöglichkeiten.

Wie sehr sich das schon ausgewirkt hat, merkt man daran, dass der Strompreis bereits auf dem Niveau vor der Energiekrise liegt ‑ jedenfalls für die Unternehmen ‑, und dazu haben ganz erheblich Entscheidungen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages beigetragen. Wir haben für die meisten unternehmerischen Tätigkeiten die regulatorischen Kosten der Energieversorgung reduziert, indem wir die Stromsteuer für produzierende Unternehmen auf das europäische Mindestmaß gesenkt haben und indem wir dafür gesorgt haben, dass große Unternehmen von den CO2-Preisen bei der Energieerzeugung entlastet werden, sodass sie gewissermaßen das alles nicht aufwenden müssen, um ihre Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.

Natürlich gehört dazu auch, dass wir es endlich geschafft haben, dass nach Jahrzehnten des Stillstandes der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Umbau unseres Stromsystems nicht nur eine Rede von Politikern geblieben ist, sondern sich in Deutschland jeden Tag mit großem Tempo abspielt. Wir haben Tempo gemacht beim Ausbau des Stromnetzes ‑ das ist jahrelang liegen geblieben; jetzt gibt es unglaublich viele Genehmigungen ‑ und haben alle Zusatzmöglichkeiten genutzt, die uns das europäische Recht bietet. Wir haben dafür gesorgt, dass der Ausbau der Windkraft an Land und auf hoher See sowie der Ausbau der Solarenergie mit mehr Tempo vorankommen, sodass wir unser Ziel erreichen werden, 2030 80 Prozent unseres Stroms billig aus erneuerbaren Energien zu bekommen. Damit wir immer gewährleisten können, dass Strom 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche zur Verfügung steht, haben wir mit der Kraftwerksstrategie jetzt dafür Sorge getragen, dass dann auch Strom produziert werden kann, wenn Wind und Sonne uns zugleich im Stich lassen. Das ist eine wichtige Zukunftsentscheidung und etwas, das dringend notwendig war.

Was wir natürlich auch brauchen, ist eine Modernisierung, wenn es darum geht, Investitionen der Unternehmen zu begleiten. Deshalb steht das Bürokratieentlastungsgesetz IV kurz bevor, das der Justizminister vorbereitet und das erhebliche, milliardenschwere Entlastungen für die Wirtschaft mit sich bringen wird.

Das gleiche gilt für dieses Beschleunigungspaket bei Planung und Genehmigungen. Darüber haben wir mit den 16 Ländern einen Deutschlandpakt abgeschlossen. Etwa 100 Einzelvorhaben werden jetzt in großem Tempo Stück für Stück umgesetzt, damit Deutschland schnell wird und mit der Geschwindigkeit handeln kann, die notwendig ist.

Wie sehr das dann wirkt, kann man gegenwärtig bei den schon auf den Weg gebrachten Entscheidungen im Bereich der Gesundheitswirtschaft merken. Das Gesundheitsdatengesetz hat dazu geführt, dass viele Pharmaunternehmen in Deutschland jetzt investieren und dass sie das sogar im Wesentlichen ohne Subventionen tun. Das Forschungspaket für die Pharmaindustrie führt dazu, dass dieser Prozess noch einmal gesteigert wird.

Wir werden auch weiter unser hohes Investitionsniveau aus dem Bundeshaushalt und aus dem Klima- und Transformationsfonds aufrechterhalten. Es ist schließlich, wenn es eigenständig beschlossen worden wäre, ein substanzielles Konjunkturprogramm. So hoch waren die öffentlichen Investitionen noch nie. Wir wollen aber natürlich auch dafür Sorge tragen, dass die Privaten nicht nachstehen. Deshalb also das Wachstumschancengesetz, das gerade Investitionen auf unglaubliche Weise begünstigt.

Wenn ich das noch einmal aufgreifen darf: Forschung und Entwicklung, auch in mittelständischen Unternehmen, sind die Grundlage unseres heutigen Wohlstands. Deutschland ist die einzige größere europäische Volkswirtschaft, die mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung ausgibt. Das war die Grundlage unseres Erfolgs und wird sie auch in Zukunft sein. Wir wollen diesen Anteil noch steigern.

Das wichtigste Wachstumshemmnis für Deutschland ist, wie in jedem Bericht steht, aber meist gern verschwiegen wird, der Arbeitskräftemangel. Wobei das erst einmal eine gute Botschaft ist; denn es ist ja noch gar nicht so lange her ‑ um die Jahrtausendwende ‑, dass Deutschland Arbeitslosigkeit in einer Millionen­größenordnung gehabt hat. Jetzt werden wir uns für die nächsten Jahre und Jahrzehnte vorwiegend und fast ausschließlich mit dem Thema beschäftigen müssen: Wie bekommen wir genug Leute, die etwas in die Hand nehmen, die arbeiten, die anpacken, die das tun, was dringend notwendig ist? Dafür haben wir mit einer Weiterbildungs- und Ausbildungsstrategie und einem besseren Übergang von der Schule in den Beruf die Voraussetzungen geschaffen. Wir versuchen aber auch, alles aus diesem Land herauszuholen, indem die Bedingungen für Familien attraktiver werden zu arbeiten, indem der Ganztag in den Schulen, Krippen und Kitas ausgebaut wird oder indem wir dafür sorgen, dass es für die Ende-50-Jährigen, Anfang-60-Jährigen unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern attraktiver ist und leichter möglich ist, im Arbeitsleben noch aktiv zu sein. Die Zahlen zeigen, es geht nach oben, aber das ist natürlich noch nicht alles, was wir erreichen können.

Das Wichtigste ist aber, dass wir die Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlstandes wie in den letzten Jahren auch darin erkennen, dass Arbeitskräfte aus Europa und aus aller Welt in Deutschland mithelfen und dass sie dazu beitragen, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass hier etwas gelingt. Wie sehr das die heutige Wirtschaftskraft Deutschlands getragen hat, sieht man an den Zahlen. Es gab noch nie so viele Erwerbstätige in Deutschland wie gegenwärtig. Das ist das Allzeithoch. So viele Menschen wie gegenwärtig waren noch nie in Deutschland erwerbstätig. Es ist deshalb auch gelungen, viele unserer staatlichen Strukturen, aber auch die Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren, weil es Millionen gegeben hat, die zusätzlich mit angepackt haben. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das jetzt das modernste ist, das es im weltweiten Vergleich gibt und das wir auch unbürokratisch einsetzen und umsetzen werden, sind jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir diese Grenze des Produktivitätswachstums in Deutschland beiseiteräumen können und dass wir in der Zukunft genügend Arbeitskräfte haben werden. Dass die Prognosen für das wirtschaftliche Wachstumspotenzial Deutschlands immer etwas skeptisch sind, liegt an den fehlenden Arbeitskräften ‑ das steht da drin, das muss man nur einmal lesen. Das können wir aber lösen, wenn wir das auf die richtige Weise voranbringen. Für mich ist wichtig, dass wir da sehr präzise sind und diese Dinge tun.

Eine letzte Bemerkung zu den Themen, die uns hier bewegt haben: Natürlich hilft es nicht, wenn ganz viele Lobbyisten und Politikunternehmer die Stimmung im Land verschlechtern, weil die Leute ihr Geld dann auf dem Sparbuch behalten und nicht investieren. Also müssen wir dafür sorgen, dass wir unsere Herausforderungen nicht übersehen, dass wir die Lage nicht schönreden, aber dass wir die Grundlage dafür schaffen, dass Zuversicht herrscht, was unternehmerische Investitionen möglich macht, aber selbstverständlich auch das, was der Konsum der Bürgerinnen und Bürger für unser wirtschaftliches Wachstum bedeutet.

Für mich war der Rundgang am Ende noch einmal toll! Ich habe Dachziegel mit integrierten Solarzellen mit einem sehr plausiblen und, wie ich fand, auch sehr wirtschaftlichen Konzept gesehen. Eine unternehmerische Leistung, das zu entwickeln! Das wird sehr dazu beitragen, den Energiebedarf in Deutschland besser zu decken. Es sieht schöner aus als manches, was wir heute so auf den Dächern sehen, und es wird dazu beitragen, dass wir unsere Zukunftsfähigkeit gewährleisten können. Auch den Arbeitskräftemangel auf den Feldern unserer Republik kann vielleicht der „Feldfreund“ beseitigen.

Dass Handwerk eine Sache ist, an der viele teilnehmen können ‑ viele Frauen, aber auch viele Männer ‑, ist mir mit dem praktischen Einsatz von Exoskeletten klar geworden, die schwere Arbeit für uns alle bei uns in Deutschland möglich machen und auch der Gesundheit nützen.

Es gibt also viel, was für die Zukunft möglich ist. Gerade der Rundgang auf dieser Messe, die uns hier zusammenführt, ist immer ein Zeichen, das klar gesetzt werden muss: Handwerk ist ein Zukunftsberuf. Ich hoffe, dass möglichst viele junge Frauen und Männer sich dafür entscheiden, eine Ausbildung im Handwerk zu wählen, einen guten Lebensunterhalt zu verdienen und an einer guten Zukunft mitzubauen!

Frage: Meine Frage geht erst einmal an den Bundeskanzler und dann im Anschluss noch an Herrn Dittrich. Wir haben die Forderung der deutschen Wirtschaft gehört, und Sie sind ja auch auf Punkte eingegangen. Die Dringlichkeit sei sehr hoch, wurde gesagt. Jetzt ist die Frage: Wie gehen Sie aus diesem Gespräch heraus? Gibt es konkrete Dinge, auf die Sie sich jetzt verständigen konnten, Stichwort Bürokratie, die schnell gehen und hinsichtlich der Sie Zugeständnisse machen konnten?

BK Scholz: Zunächst einmal schönen Dank für Ihre Frage. Ich glaube, der große Unterschied zwischen vielen früheren Malen in den letzten zehn, 20 Jahren und jetzt ist, dass wir beim Bürokratieabbau von der Rede zur Tat voranschreiten. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV steht unmittelbar bevor. Das wird erhebliche Milliardenerleichterungen für die Wirtschaft mit sich bringen. Wir haben außerdem den Deutschlandpakt mit den 16 Ländern geschlossen. Darin stehen 100 Einzelmaßnahmen, die viele Genehmigungen und Beschleunigungen in großem Umfang schneller möglich machen werden. Das ist dann für die konkreten Investitionen wichtig; denn, ehrlich gesagt, wenn man in anderen Ländern ist, beklagen die, dass es in Deutschland schneller gehe und bei ihnen so langsam. Aber es ist für uns ganz entscheidend, dass wir das wirklich hinbekommen. Viele Dinge dauern zu lange, und es sind auch viele Vorschriften entwickelt worden, die keiner in der Verwaltung, wenn er auch noch so gutwillig ist, mehr umsetzen kann. Dann müssen die Vorschriften für die Wirtschaft und für die Verwaltung viel anwendungsfreundlicher werden, sodass es schnelle Entscheidungen gibt. Auch das geht jetzt voran und wird sich auswirken.

Dass sich das, wenn erst einmal klar ist, dass es so kommt, in Wachstum niederschlägt, sehen wir an der Pharmaindustrie, in der allein das Gesundheitsdatengesetz, das wir gemacht haben, die Digitalisierungsentscheidung und das bevorstehende Pharmaforschungspaket dazu beitragen, dass es milliardenschwere Ansiedlungen von Pharmaunternehmen ‑ im Wesentlichen ohne Subventionen, nur, weil wir ein guter Standort sind ‑ in Deutschland gibt.

Dittrich: Ich schließe mich den Worten des Bundeskanzlers an. Ich weiß nicht, ob die Klage das Lied des Kaufmanns ist. Ich möchte da nicht auf die Kaufleute losgehen. Im Handwerk ist das nicht der Fall. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen uns selbst aus den Dingen befreien. Ich bin dankbar, dass sich der Kanzler der Kritik und den Forderungen gestellt hat. Das muss der Weg in der Demokratie sein, miteinander zu sprechen.

Wir haben die konkreten Punkte angesprochen, so den Bürokratieabbau. Der vorliegende Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes IV reicht uns bei Weitem nicht. Es gibt noch wesentlich mehr Punkte, die auf dem Tisch liegen. Wir haben auch dem Bundeswirtschaftsminister schon wieder 44 Punkte übergeben, die er prüfen möchte. Die könnten wir gleich mit aufnehmen. Bürokratieabbau braucht Mut und Tempo; das ist die Erwartung.

Wenn ich das Bauwesen noch einmal ansprechen darf: Dem Wohnungsbau droht ein verlorenes Jahr. Selbst wenn das Wachstumschancengesetz und Förderprogramme hoffentlich den Bau wieder anschieben werden, worüber wir uns auch noch nicht sicher sind, wird die Auslastung der Wohnungsbaubetriebe, der Rohbauer, nicht gegeben sein. Auch dort werden wir Lösungen finden müssen, damit nicht Kapazitäten abgebaut werden, die wir bitter nötig haben und brauchen.

Die Stimmung in den Betrieben ist schlecht. Ja, es ist richtig, dass wir gemeinsam antreten wollen. Aber Unsicherheiten können nicht allein aus den Unternehmen heraus beseitigt werden. Es sind weitere Gespräche nötig, und ich bin dem Bundeskanzler dankbar, dass er gesagt hat: Ja, wir wollen die heute nicht angesprochenen Themen alle angehen. - Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat ja viele Dinge angesprochen. Im Ziel, Deutschland aus der Talsohle zu führen und wieder eine positive Stimmung zu erzeugen, sind wir uns mehr als einig.

Frage: Herr Bundeskanzler, wir haben es gerade gehört: Der deutschen Wirtschaft reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus, auch finanziell. Die Zeit laufe davon, sagte Herr Russwurm heute früh. Haben Sie der deutschen Wirtschaft über das bereits Gesagte hinaus konkrete Schritte ankündigen können, was weitere Entlastungen bei Steuern und Abgaben angeht, oder zumindest in Aussicht stellen können?

Herr Russwurm, reicht Ihnen das vom Kanzler Gesagte aus?

Dann hätte ich, wenn Sie erlauben, noch eine zweite, außenpolitische Frage. Es gibt deutliche Kritik aus Großbritannien an Ihren Äußerungen zu Taurus. Was sagen Sie dazu?

BK Scholz: Schönen Dank für die beiden Fragen. Was die zweite Frage betrifft, erlaube ich mir die Bemerkung: Schönen Dank für Ihr Interesse am Handwerk. Ich beantworte sie trotzdem.

Ich will ausdrücklich dazu sagen, dass wir ja sehen, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Das Wachstumschancengesetz mit einem Umfang von sieben Milliarden Euro an Entlastungen muss von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen werden. Es braucht auch inhaltlich und vom Herzen die Zustimmung der Gemeinden, weil es um gemeinsame Steuern geht, die erhoben werden. Ich bin froh, dass es jetzt so aussieht, als ob wir es wenigstens so durchbekommen werden, und zwar mit sehr relevanten, wachstumsfördernden Maßnahmen; denn Abschreibungen sind ja Unterstützungen von Investitionen. Da bleibt ja nicht einfach irgendwo Geld, sondern das ist ja dann eine steuerliche Erleichterung, wenn man tatsächlich investiert. Ich habe ja schon auf den Zusammenhang von Forschung und Entwicklung hingewiesen.

Ich glaube, alle wissen, dass die Herausforderungen groß sind. Die Wirtschaftsverbände sind ja gegen zusätzliche Staatsverschuldung und machen das auch immer wieder sehr klar. Es gibt viele Wünsche nach Steuersenkungen. Wir haben in der letzten Zeit viele zusätzliche vorgenommen, aber das ist auch eine Rahmenbedingung. Alle wollen, dass wir zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Das bedeutet eine Steigerung des Verteidigungsetats von knapp 50 Milliarden auf knapp 80 Milliarden Euro. Ab 2028 wird das spätestens der Fall sein. Gleichzeitig wollen viele Subventionen. Andere wollen wiederum Subventionen abbauen. Aber Subventionswünsche erreichen einen letztendlich täglich, von morgens bis abends. Das alles muss dann zusammenpassen mit den fast 15 Milliarden Euro, die wir aus dem Bundeshaushalt zur Unterstützung der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf ausgeben. Übrigens sind es dieses Jahr mindestens sieben Milliarden Euro für Waffenlieferungen, die da notwendig sind. Da sind schon viele Aufgaben auf einmal zu bewältigen, und ich bewundere alle, die sagen, das sei alles von selbst getan. Das ist es nicht. Aber wir werden die Grundlagen dafür schaffen, dass wir die Grundlage unserer Volkswirtschaft erhalten, die nämlich bedeutet, dass wir Wachstum haben, das auf unternehmerischer Tätigkeit und dem Fleiß von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von vielen Handwerkern und vielen großen und kleinen Betrieben beruht. Das muss die Grundlage auch für die Zukunft bleiben.

Ich habe mich zum Einsatz von Taurus erklärt und meine Position deutlich gemacht. Es ist eine Entscheidung, die ich als Kanzler getroffen habe und zu der ich auch genau so stehe, dass das zu diesem Zeitpunkt nichts ist, was wir zur Verfügung stellen können, und dafür spricht eben sehr viel, was ich ausdrücklich erläutert habe. Ich will noch einmal sagen: Ich werde keine Entscheidung unterstützen, bei der es darauf hinausläuft, dass deutsche Soldaten irgendwie in einen militärischen Einsatz im Zusammenhang mit dem furchtbaren Krieg Russlands gegen die Ukraine verwickelt werden; denn wir müssen verhindern, dass es zu einer Eskalation des Krieges, zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO, kommt. Darüber bin ich mir auch mit all meinen Freunden in Europa, in den USA und anderswo einig. Deshalb ist alles zu diesem Thema gesagt, was zu sagen ist.

Russwurm: Das Singuläre an dieser Veranstaltung ist ja, dass Unternehmerinnen und Unternehmer direkt mit dem Bundeskanzler ins Gespräch kommen. Wir vier sind in gewisser Weise Katalysatoren bei dieser Veranstaltung. Wir sind im kontinuierlichen Gespräch mit der Bundesregierung. Wir haben vorher unsere Liste der Vorschläge eingereicht. Wir tun das auch bei den zuständigen Fachministern, und wir werden natürlich auch weiterhin mit der Bundesregierung im Gespräch bleiben.

Natürlich sind auch wir uns bewusst, Herr Bundeskanzler, dass die Finanzierungsdiskussion momentan viele Themen überschattet. Umso wichtiger ist, dass wir dort, wo es keine Finanzierungsdiskussion gibt, zum Beispiel beim Bürokratieabbau, vorankommen. In diese Reihe würde auch gehören ‑ auch darüber stehen wir in kontinuierlicher Diskussion mit der Bundesregierung ‑, dass wir das Thema Freihandelsabkommen weiter befördern, um Exportmöglichkeiten für Unternehmen zu schaffen, weil die beste Lösung, um aus unserer Finanzierungsklemme zu kommen, Wachstum ist, das dann auch mit einem höheren Steueraufkommen verbunden ist. Auch darin sind wir uns völlig einig.

Frage: Herr Bundeskanzler, Herr Dittrich hat jetzt eine Bildungswende gefordert. Er will die berufliche Bildung genauso wie die akademische Bildung behandelt sehen. Wird es dazu auch konkrete Schritte der Bundesregierung geben?

BK Scholz: Zunächst einmal ist diese Forderung mir sehr sympathisch. Ich habe mich sehr, sehr lange dafür eingesetzt, dass die berufliche Ausbildung höher bewertet wird, dass sich mehr junge Leute für Berufsausbildung entscheiden. In verschiedenen Funktionen, die ich in der Vergangenheit innehatte, und das verfolge ich als Kanzler natürlich mit noch mehr Energie, ist es mir wichtig gewesen, den Übergang von der Schule in den Beruf und in die Berufsausbildung zu erleichtern. Viel zu viele junge Leute bleiben viel zu lange nach der Schule ohne eine konkrete Ausbildung und gehen erst einmal Wege, die sich für sie gar nicht als erfolgreich erweisen. Unverändert ist ja richtig, dass das durchschnittliche Eintrittsalter in eine ungeförderte Berufsausbildung, also eine Lehre, bei knapp 20 Jahren liegt. Das heißt, für viele junge Leute, die die Schule mit 16 oder 17 verlassen haben, müssen dazwischen Jahre liegen, in denen nichts richtig für das vorangeht, was für ihr Leben wichtig ist. Deshalb wünsche ich mir, dass wir überall in Deutschland mit den Jugendberufsagenturen ein besseres Passmanagement hinbekommen, sodass viel mehr junge Leute unmittelbar nach der Schule auch mit einer Berufsausbildung beginnen.

Ich wünsche mir auch, dass viele, die gar nicht so richtig wissen, was sie wollen, und denken, man müsse ja studieren, vielleicht erkennen, dass ihre Zukunft, ihr Glück und alles, was sich damit verbindet, auch im Handwerk liegt. Für mich bedeutet das auch, dass wir uns sehr klarmachen, dass in der Welt, auch wenn sie noch so digital wird, immer etwas zu tun ist, was unmittelbar handwerkliche Kompetenzen erfordert. Ich habe mir hier heute die Solarpaneele auf dem Dach angeschaut, die so aussehen wie Schindeln, also wie ein richtiges Dach, wenn man das einmal zu sagen kann, und das war doch ein Zeichen dafür, was Innovation, Handwerk und körperliche Arbeit miteinander umfasst. Deshalb bin ich auch sehr dafür, dass wir die berufliche Ausbildung höher bewerten und dass wir es auch möglich machen, dass es Weiterentwicklungsmöglichkeiten gibt; denn viele wollen wissen, dass sie, wenn sie den Weg ins Handwerk beschreiten, auch noch weiter gehen können - ganz oft im Handwerk, aber mit Möglichkeiten für Anschlussqualifikationen aller Art, der Meisterausbildung, aber auch auf was weiß ich wie viele andere Weisen. Deshalb ist mir das sehr sympathisch.

Preuschoff: Ich glaube, nicht nur dieses Plädoyer für die berufliche Ausbildung haben sehr viele hier sehr gerne gehört, sondern auch das, was Sie am Anfang gesagt haben, nämlich dass Sie sich beim nächsten Mal fünf Stunden Zeit für das Gespräch nehmen werden. Ich glaube, der eine oder andere hat wahrscheinlich im Terminkalender diese fünf Stunden schon fest geblockt! Wir nehmen Sie da beim Wort!

BK Scholz: Ja, wir auch!

Preuschoff: In diesem Sinne schließe ich die Pressekonferenz und wünsche Ihnen noch einen guten Aufenthalt hier auf der ZUKUNFT HANDWERK und auf der IHM!

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