Bund-Länder-Besprechung zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik
Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine und viele Geflüchtete aus anderen Ländern haben aktuell bei uns Schutz gefunden. Unser Land ist offen und erkennt es als seine humanitäre und völkerrechtliche Verpflichtung an, Menschen in Not schnell und unkompliziert zu helfen. Alle staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – stellen sich dieser großen Herausforderung.
Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich in ihren Beratungen am Mittwoch darauf verständigt, in einem geordneten, strukturierten und digitalisierten Verfahren den Zugang der Geflüchteten stärker zu steuern. Die Gespräche im Kanzleramt seien „gut und konstruktiv“ gewesen, resümierte der Kanzler in der anschließenden Pressekonferenz.
Bund und Länder einigten sich darauf, …
- … neue Migrationspartnerschaften, um Fachkräftezuzug zu erleichtern, aber auch im Gegenzug Rückführungen in die Herkunftsländer zu erleichtern.
- ...den Schutz der EU-Außengrenzen weiter voranzubringen.
- … die Asylverfahren zu beschleunigen.
- … die Digitalisierung der Ausländerbehörden voranzubringen.
- … eine angemessene Unterbringung, Betreuung und Integration der Geflüchteten zu gewährleisten.
- … die Durchsetzung der Ausreisepflicht, insbesondere von Straftätern und Gefährdern, konsequent umzusetzen.
- … dass der Bund die Länder und Kommunen nochmal zusätzlich mit einer weiteren Milliarde Euro im Jahr 2023 finanziell unterstützt.
Hier finden Sie das Beschluss-Papier PDF, 124 KB, nicht barrierefrei nach der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder.
„Ein guter Tag für den deutschen Föderalismus“
Kanzler Scholz betonte angesichts der gefundenen Einigung: „Das ist ein guter Tag des deutschen Föderalismus, den wir heute haben.“ Die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten stelle für Bund, Länder und Kommunen eine große Herausforderung dar. „Das wird nur funktionieren, wenn die Bürgerinnen und Bürger, die vielen Helferinnen und Helfer aber eben auch alle Ebenen unseres Staates – Gemeinden, Länder und Bund – eng miteinander zusammenarbeiten“, so der Kanzler
Weitere Unterstützung für Länder und Kommunen
Angesichts hoher Flüchtlingszahlen hat der Bund die Länder und Kommunen bereits in der Vergangenheit aus gesamtstaatlicher Verantwortung umfassend finanziell unterstützt. Diese Unterstützung setzt er auch in diesem Jahr in großer Höhe fort. Bundeskanzler Scholz: „Wir haben gemeinsam noch einmal betrachtet, dass es schon sehr umfassende Mittel sind, die wir aufwenden.“ Der Bund habe in diesem Jahr im engeren Sinne etwa 15 Milliarden Euro an Kosten aufgewandt.
Der Bund wird diese finanzielle Unterstützung auch in den kommenden Jahren fortführen, insbesondere durch die Flüchtlingspauschale, die Zahlung von Bürgergeld an hilfsbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine und an anerkannte Asylsuchende sowie durch die mietzinsfreie Überlassung von Gebäuden und Grundstücken des Bundes.
Für das Jahr 2023 wird der Bund die Flüchtlingspauschale an die Länder zusätzlich zu diesen pauschalen Zahlungen um eine weitere Milliarde Euro erhöhen. Das Geld sei nötig, so der Bundeskanzler, „damit sowohl die Digitalisierung der Ausländerbehörden gestützt werden kann, als auch die Kommunen besser unterstützt werden können bei ihrer schwierigen und umfassenden Aufgabe.“
Der Bundeskanzler und die Länderchefs werden Ende November 2023 über die weitere Entwicklung entscheiden. Zu diesem Zwecke wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorarbeit leisten. Hierzu führte der Bundeskanzler aus: „Wir werden eine kleine, effiziente Arbeitsgruppe einrichten, die auch zwischendurch berichten wird über ihre Arbeit, um zu gucken, was wir dann an guter Erkenntnis und Idee entwickeln können.“ Bei der nächsten regulären Zusammenkunft Mitte Juni 2023 will der Kanzler mit den Ländern dann den Zwischenstand erfassen.
Asylverfahren substanziell beschleunigen
Die Durchführung zügiger und qualitativ hochwertiger Asylverfahren ist das gemeinsame Ziel von Bund und Ländern. Denn es sei wichtig, so der Bundeskanzler, „sowohl für diejenigen, die hier Schutz suchen, schnell zu wissen, woran sie sind, als auch für uns wichtig, dass wir durch ein schnelles und zügiges Verfahren entscheiden können, wer bleiben soll.“ Es bestand Einigkeit darüber, die Verfahrensabläufe auf allen staatlichen Ebenen besser zu steuern und zu koordinieren, um schneller und effizienter zu werden.
Im Januar 2023 ist bereits das Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren in Kraft getreten. Bund und Länder halten frühzeitige Registrierungen und eine anschließende schnelle Weiterleitung der Asylsuchenden zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für notwendig. Eine Asylantragstellung soll künftig binnen zwei Wochen und eine Anhörung beim BAMFe binnen vier Wochen erfolgen.
Ausländerbehörden rasch digitalisieren
„Was wir brauchen, ist eine moderne Verwaltung“, so Bundeskanzler Scholz. Deshalb sollen die Ausländerbehörden in kürzester Zeit digital arbeiten. Der Digitalisierung und dem behördenübergreifenden Datenaustausch kommt daher eine besondere Bedeutung zu, um bei Prozessen und Verfahren strukturierter und schneller zu werden. Wichtig ist, dass unsere Ausländerbehörden in der Lage sind, mit anderen Leistungsbehörden Daten digital auszutauschen.
Ziel ist es daher, wo immer möglich Online-Zugangswege zu schaffen, alle Arbeitsprozesse der beteiligten Behörden und Einrichtungen so schnell und so umfassend wie möglich zu automatisieren, den Datenaustausch medienbruchfrei zu gestalten und die Speicherung und Weiterverarbeitung von Daten in einheitlichen Standards umzusetzen. Um dies zu erreichen, ist eine vollständige Überführung der lokalen Ausländerdateien in das Ausländerzentralregister erforderlich.
Personen ohne Bleiberecht konsequent ausweisen
Bund und Länder stimmen darin überein, dass diejenigen, die kein Bleiberecht besitzen, in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden müssen. Dies betrifft vor allen Dingen straffällig gewordene Geflüchtete und Gefährder. Hierfür bedarf es eines effektiven Rückführungsmanagements. Bund und Länder einigten sich darauf, gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder erschweren, anzupassen.
Dazu gehört, dass Fortdauer und Anordnung von Abschiebungshaft unabhängig von etwaigen Asylantragstellungen möglich sein sollen, auch bei Folgeanträgen. Die Länder werden weiterhin Abschiebungshaftplätze in ausreichender Zahl einrichten und vorhalten.
Irreguläre Migration verringern – reguläre Migration fördern
Um irreguläre Migration zu verringern muss die Kooperation mit den Herkunftsländern verbessert werden. Der von der Bundesregierung eingesetzte Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen Joachim Stamp wird sich verstärkt um den Abschluss von partnerschaftlichen Verträgen mit den betroffenen Staaten kümmern. Ziel aller partnerschaftlichen Abkommen wird die konsequente Eindämmung irregulärer Migration und die Förderung regulärer Migration, beispielsweise von dringend benötigten Fachkräften für unseren Arbeitsmarkt sein.
Maßnahmen auf europäischer Ebene
- Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene konsequent dafür einsetzen, dass sämtliche aktuelle Reformvorschläge zum europäischen Asyl- und Migrationspolitik bis zur Europawahl 2024 geeint werden. Damit wird eine solidarische Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit zwischen den EU-Staaten sowie bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren und bei der Integration in den EU-Staaten erreicht.
- Die Bundesregierung wird zudem darauf drängen, die irreguläre Sekundärmigration innerhalb des Dublin-Verfahrens zu reduzieren. Asyl muss in dem Staat beantragt werden, in dem der EU-Raum erstmals betreten wird. Dadurch wird gewährleistet, dass ein Antrag innerhalb der EU nur einmal geprüft werden muss.
- Ferner setzt sich die Bundesregierung gemeinsam mit Regierungen anderer europäischer Länder für einen wirksamen Außengrenzschutz und den Ausbau von Grenzschutzkapazitäten und einer zielführenden Grenzschutzinfrastruktur zur Bekämpfung irregulärer Migration ein.
Weitere Beschlüsse
Darüber hinaus verständigten sich Bund und Länder darauf, …
- … die Verfahren zur Verteilung und Registrierung von neuankommenden Geflüchteten zu überprüfen, um vereinbarte Quoten einzuhalten.
- … eine bessere Ausstattung der Verwaltungsgerichte für asyl- und aufenthaltsgerichtliche Verfahren vorzusehen.
- … die Unterbringung der Geflüchteten durch gesetzliche Änderungen im Bauplanungsrecht und Vergaberecht zu erleichtern.
- … die Ausländerbehörden für ihre Aufgaben angemessen personell und finanziell auszustatten und Prozesse und Verwaltungsverfahren kritisch auf Optimierungspotenziale zu überprüfen.
- … eine bundesweite, krisenfeste Integrationsinfrastruktur zu schaffen, die Integration von Anfang an ermöglicht.