Bürgergespräch in Heidelberg - Teil 1

Moderator: Meine Damen und Herren, einen schönen Abend und herzlich willkommen zum Dialog über Deutschlands Zukunft! Herzlich willkommen hier in Heidelberg und herzlich willkommen, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel! Schön, dass Sie da sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Danke.

Moderator: Frau Bundeskanzlerin, heute soll es um das Thema gehen: Wie wollen wir in Zukunft gemeinsam lernen?

Vielleicht erst noch ein paar Worte zur Idee des Zukunftsdialogs insgesamt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir haben uns gedacht, dass es vielleicht gut ist, dass wir über das nächste Jahr hinaus denken - vielleicht um fünf, zehn Jahre - und uns überlegen: Wie soll Deutschland dann aussehen? Die Welt verändert sich sehr stark. Wir haben ja auch unsere Vorstellungen. Wir haben uns drei Fragen ausgedacht oder überlegt, die vielleicht die Dinge auf den Punkt bringen. Das eine ist: Wie wollen wir zusammenleben? Dazu war ich in Erfurt und habe dort mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Heute wollen wir darüber sprechen: Wie wollen wir lernen für das Morgen? Wie wollen wir morgen die Dinge erfahren, erleben und erlernen? Und dann wird es in Bielefeld noch eine Veranstaltung geben: Wovon wollen wir leben?

Wir haben uns gedacht, Heidelberg könnte eine interessante Stadt fürs Lernen sein. Wir haben uns insgesamt überlegt, dass wir immer in mittlere Städte gehen. Die meisten Menschen leben weder in der Großstadt noch in ganz kleinen Dörfern, sondern in mittelgroßen Städten. Ich hoffe, Heidelberg ist nicht beleidigt, wenn ich sage, dass es sich um eine mittelgroße Stadt handelt. Es ist eine wunderschöne Stadt. Der Oberbürgermeister wird mir wahrscheinlich recht geben - meine Kollegen aus dem Bundestag auch.

Wir haben Erfurt, Bielefeld, Heidelberg auch ein bisschen regional ausgesucht. So sind wir heute bei Ihnen. Wir haben uns überlegt, mit den lokalen Medien ein bisschen zusammenzuarbeiten, damit man interessierte Bürgerinnen und Bürger findet. Denn wir machen ja heute in gewisser Weise verkehrte Welt. Normalerweise fragen Sie mich aus, was meine Vorstellungen sind. Heute frage ich Sie, was Ihre Vorstellungen sind. Bevor wir entscheiden, was wir auf der Regierungsebene machen, sollten wir uns auch dafür interessieren, was die Bürgerinnen und Bürger denken, denn die haben ja auch Vorstellungen davon, wie das Leben aussehen soll. Das machen wir im Internet und auch direkt heute mit Ihnen.

Moderator: Also, meine Damen und Herren, die nächsten Minuten stehen Sie wirklich im Mittelpunkt. Wir freuen uns auf eine spannende, interessante Diskussion und natürlich auf möglichst viele, viele Vorschläge und sind gespannt, was die Bundeskanzlerin dann an Vorschlägen von Ihnen so mitnehmen kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Vielleicht sollten wir noch eine Sache sagen. Beim Lernen ist es ja so, dass die Bundesebene nicht für alles verantwortlich ist. Die Länder sind für die Schulen und für die Schulpolitik verantwortlich. Das heißt nicht, dass Sie kein Wort darüber sagen dürfen. Aber wenn es darum geht, was wir später auch umsetzen können, dann müssen wir uns das Lernen insgesamt anschauen über das ganze Leben sozusagen vom Säugling bis ins hohe Alter. Aber ich glaube, auch da gibt es genug zu reden.

Moderator: Wir bewegen uns anhand unseres Teppichs über diese drei Themen. Wir beginnen ganz links mit Lernen, danach Internet und Gemeinsinn. Wir haben jeweils ungefähr 30 Minuten Zeit. Das wird bestimmt eine spannende Diskussion. Damit jeder von uns in der schönen Stadthalle in Heidelberg ein bisschen eine Vorstellung bekommt, um was es im ersten Thema geht, haben wir für das Thema Lernen einen kleinen Film vorbereitet.

Thema "Lernen"

(Einspielfilm Lernen)

Meine Damen und Herren, dann legen wir los. Wir haben gehört, generationenübergreifendes Lernen ist ganz wichtig. Das soll ein Thema sein, aber natürlich auch: Wie kann man dafür sorgen, dass Lernen lange unseren Alltag positiv beeinflusst? Wer hat einen Vorschlag? Wer möchte anfangen? - Fangen wir mal bei diesem Herrn hier vorne an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Er war der Erste.

Moderator: Dann nehmen wir den Herrn da hinten als Zweites. - Erst mal Herr Efing.

Herr Efing: Schönen guten Tag, Frau Bundeskanzlerin! Einen schönen Gruß auch von meiner Tochter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wie alt ist Ihre Tochter?

Herr Efing: Die eine ist 15, die andere ist 16.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Von welcher?

Herr Efing: Von beiden darf ich Ihnen einen Gruß ausrichten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ach so, von beiden. Gut.

Herr Efing: Mein Name ist Carsten Efing. Ich komme aus Limbach im schönen Odenwald. Was meine Töchter angeht: Die eine hat schon ein Praktikum hinter sich, die andere hat eines vor sich. Diese Berufspraktika gehen meist etwa zwei Wochen lang. Danach geht es wieder in die Schule und in den Schulalltag.

Mein Vorschlag zum praxisnahen Lernen wäre, dass man ab der 7., 8. Klasse eine Art Praktikum einführt, wo die Schüler in Form von Nachmittagsunterricht ein-, zweimal in der Woche in einen Betrieb gehen. Ein Betrieb müsste dafür nicht extra Personal bereitstellen, sondern ein Praktikant könnte die Zeit direkt nebenan verbringen oder richtig mitarbeiten. Ein Betrieb hätte auch die Möglichkeit, die zukünftigen Lehrlinge schon im Vorfeld besser kennenzulernen und vielleicht kurz vor Abschluss schon einen Ausbildungsvertrag unterschreiben zu lassen. Das wäre mein Vorschlag.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay. Also Sie sagen, nicht nur punktuell mal zwei Wochen ein Praktikum, sondern schon regelmäßig Kontakt zum Betrieb. Glauben Sie, es soll gleich der erste Betrieb sein? Ich meine, wenn man Pech hat, dann sitzt man da und muss gleich einen Lehrvertrag unterschreiben. Vielleicht sollte man ein bisschen Variationen möglich machen.

Herr Efing: Die Idee ist eigentlich, wenn der Jugendliche merkt, das ist nicht meine Sache, oder auch der Betrieb möglicherweise irgendwann merkt, das ist nicht das Richtige, dass man auch wechseln kann und verschiedene Berufsfelder kennenlernt. Klar, es wird vielleicht den einen oder anderen geben, der sagt, das ist mein Betrieb, und das Unternehmen sagt, den wollen wir behalten. Aber ich denke, dass die meisten schon wechseln, was in der Form nicht möglich ist. Innerhalb von zwei Wochen kann man einen Betrieb nicht kennenlernen, man kann den Schüler nicht kennenlernen. Und dadurch wäre die Möglichkeit gegeben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Okay, das nehmen wir auf.

Moderator: Auch um sicherzustellen, dass man noch dabeibleibt, dass man nicht nach einem halben Jahr frustriert ist und sagt, das ist doch nicht das Richtige für mich gewesen.