Pressestatements von Bundeskanzler Scholz, dem französischen Präsidenten Macron und dem polnischen Präsidenten Duda beim Treffen im Format des Weimarer Dreiecks am 8. Februar 2022 in Berlin

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Im Wortlaut Pressestatements von Bundeskanzler Scholz, dem französischen Präsidenten Macron und dem polnischen Präsidenten Duda beim Treffen im Format des Weimarer Dreiecks am 8. Februar 2022 in Berlin

In Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 8. Februar 2022

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

BK Scholz: Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass Emmanuel Macron und der polnische Staatspräsident Andrzej Duda meiner Einladung, heute nach Berlin zu kommen, gefolgt sind. Ein wenig historisch ist dieses Treffen schon. Denn zum ersten Mal seit elf Jahren trifft sich das Weimarer Dreieck wieder als Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Herzlich willkommen!

Angesichts der aktuell außenpolitisch so angespannten Lage liegt mir sehr viel an einem engen Dialog mit unseren europäischen Partnern, gerade auch in diesem Format des Weimarer Dreiecks. Unser gemeinsames Ziel ist es, einen Krieg in Europa zu verhindern. Der Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine ist sehr besorgniserregend.

Unsere Einschätzung der Lage ist sehr identisch genauso wie unsere Haltung. Eine weitere Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine ist inakzeptabel und würde weitreichende Konsequenzen für Russland nach sich ziehen, politisch, wirtschaftlich und sicherlich auch geostrategisch. Gestern habe ich in Washington ausführlich mit US-Präsident Biden darüber gesprochen, und wir waren uns darüber vollkommen einig.

Unser Bestreben heute im Rahmen des Weimarer Dreiecks: Wir wollen für eine Deeskalation der äußerst angespannten Lage sorgen. Wir brauchen Verhandlungen und eine Lösung.

Wir haben in diesem Halbjahr besondere Aufgaben. Frankreich hat den EU-Ratsvorsitz inne. Polen hat den Vorsitz der OSZE und Deutschland der G7 inne. Damit stehen wir drei auch in besonderer Verantwortung für europäische und globale Sicherheitsfragen. Wir alle drei sind in den letzten Tagen viel gereist und haben intensive Gespräche geführt. Präsident Macron war gestern im Kreml beim russischen Präsidenten und heute in Kiew. Auch ich werde nächste Woche nach Kiew reisen und danach nach Moskau. Unser Austausch zu diesem Zeitpunkt wird daher ganz besonders gewinnbringend sein. Denn uns alle eint ein Ziel: den Frieden in Europa zu erhalten, durch Diplomatie und durch klare Botschaften und die gemeinsame Bereitschaft, einig zu handeln.

Unser heutiges Treffen wird überdies eine gute Gelegenheit sein, um uns über unsere jeweiligen Pläne für die Vorsitze in der Europäischen Union, in der OSZE und der G7 auszutauschen. Die drei Präsidentschaftsprogramme bieten viele Ansatzpunkte für gemeinsames Handeln, auch um Themen wie Klimaschutz, Menschenrechte oder nachhaltige Wirtschaft voranzubringen.

Ich freue mich auf dieses Gespräch und unsere gemeinsamen Initiativen im Weimarer Dreieck. Es soll Europa von Ost nach West im besten Sinne verbinden.

P Duda: Sehr geehrter Herr Präsident von Frankreich, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, zuerst einmal möchte ich mich sehr herzlich bei Herrn Bundeskanzler für die Einladung nach Berlin und die Einberufung dieses historischen Treffens bedanken. Seit Langem hat kein Treffen des Weimarer Dreiecks mehr stattgefunden. Dieses Treffen findet gerade zu einer Zeit statt, zu der es stattfinden sollte.

Es ist sehr wichtig, dass wir heute, in dieser Zeit, zusammenkommen und unsere Erfahrungen austauschen, die sich aus anderen Treffen ergeben, die wir in der letzten Zeit abgehalten haben. Es ist wichtig, dass wir nach der Lösung dieser sehr schwierigen Situation suchen. Bevor ich hier nach Berlin gekommen bin, habe ich auch in einer Pressekonferenz gesagt, dass diese Lage die schwierigste ist, seitdem wir uns im Jahr 1989 befunden haben. Diese Lage ist am schwierigsten für Mitteleuropa und überhaupt für Europa.

Es gibt jetzt einen beispiellosen Aufmarsch der russischen Truppen entlang der ukrainischen Grenze. Wir sehen auch einen sehr großen Aufmarsch der russischen Truppen in Belarus, wo gerade jetzt Übungen stattfinden, die bis zum 20. Februar durchgeführt werden sollen. Wir fragen uns alle: Was passiert später? Was wird das Ergebnis dieser Truppenverlegungen sein? - Solche Truppenverlegungen hat die Welt und hat Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen. Es liegt also an uns, dass wir die Ruhe für unsere Gesellschaften und für unsere Völker gewährleisten. Es liegt auch an uns, das Völkerrecht zu gewährleisten, um die territoriale Integrität zu gewährleisten und zu schützen, auch für diese Länder, die keine Mitglieder der Europäischen Union und die keine Mitglieder der NATO sind. Nichtsdestotrotz sind sie auch unsere Verbündeten. Das ist ein Land, das seine Unabhängigkeit, seine Souveränität will. Ich glaube und denke an die Ukraine und spreche mit ihr. In den letzten Tagen und Wochen habe ich mich mehrmals mit Herrn Präsidenten Wolodymyr Selensky getroffen. Wir lesen auch die Nachrichten aus verschiedenen Quellen, die die Situation beschreiben, und die Situation ist äußerst schwierig.

Danke sehr, Herr Bundeskanzler, dass Sie dieses Treffen einberufen haben! Das zeigt, dass es in der Europäischen Union unter den Staatsanführen den Willen gibt, nach der bestmöglichen Lösung zu suchen, sodass wir den Frieden und die Ruhe gewährleisten, und dass wir uns erlauben, uns weiter ruhig und in Frieden zu entwickeln. Das gilt in der Europäischen Union und auch für unsere Nachbarn. Dieses Treffen wird uns auch die Möglichkeit geben, unsere Informationen auszutauschen, die wir in letzter Zeit erhalten haben. Dann werden wir über die weitere Herangehensweise diskutieren.

Präsident Emmanuel Macron war gestern in Moskau, der Bundeskanzler hat sich mit Präsident Biden ausgetauscht, und ich bin gestern aus Peking zurückgekommen, wo ich mich mit Präsident Xi Jinping, dem chinesischen Präsidenten, ausgetauscht habe. Als ich gestern gerade aus Peking zurück kam, hatte ich einen kurzen Aufenthalt in Warschau. Dann bin ich nach Brüssel geflogen, um mich mit Frau Präsidentin von der Leyen und auch mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, zu treffen.

Meine Damen und Herren, wir müssen eine Lösung finden, und wir müssen so eine Lösung finden, dass wir den Krieg vermeiden können. Das ist, wie gesagt, heutzutage unsere grundlegende Aufgabe. Ich glaube, wir werden es schaffen. Was heutzutage das Wichtigste ist, sind Geschlossenheit und Solidarität. Wir müssen zeigen, dass wir mit einer Stimme sprechen, dass wir eine Gemeinschaft sind, dass unser Wille nicht gebrochen werden kann, und wir müssen auch zeigen, dass wir keinen Schritt zurück machen. Wir werden niemanden im Stich lassen. Das müssen wir zeigen, und zwar deswegen, weil wir Angst haben, dass wir vielleicht keinen Frieden erringen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen werden, aber wir müssen das auf eine geschlossene Weise tun. Ich glaube daran, dass wir auch die notwendigen Instrumente haben und zusammenarbeiten können. Das ist einer der Gründe für unser heutiges Treffen.

P Macron: Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, sehr geehrter Herr Präsident, lieber Andrzej, meine Damen und Herren! Ich teile ganz, was der Bundeskanzler und der Präsident gesagt haben. Es ist jetzt besonders wichtig in Europa, dass wir uns hier in diesem Format, im Weimarer Format, treffen. Letztes Jahr haben wir 30 Jahre feiern können, auch wenn wir uns nicht haben treffen können, um dieses Ereignis zu begehen.

Die Tatsache, dass wir uns heute hier in Berlin zu diesem besonderen Zeitpunkt für Europa treffen, hat eine ganz besondere Bedeutung. In diesem Format stellen wir die Verbindung unter drei großen europäischen Ländern her. Wir haben den Willen, unsere Strategien miteinander zu führen und unsere Schicksale miteinander zu verbinden. Der Bundeskanzler hat es bereits gesagt: Es gibt in diesem Jahr auch drei Vorsitze. Das heißt, wir sprechen unsere Agenden ab, also G7, Europäischer Rat und OSZE. Das gibt uns noch mehr Kraft, um unsere gemeinsame Botschaft voranzubringen.

Es gab hier verschiedenste Gespräche. Wir haben alle drei viele Gespräche geführt. Wir haben uns auch telefonisch abgesprochen, schon in der letzten Woche. Das werden wir auch in den nächsten Wochen tun. Dabei verfolgen wir ein ganz klares Ziel:

Erstens geht es darum ‑ das wurde bereits genannt ‑, den Krieg zu vermeiden. Frieden und Stabilität des europäischen Kontinents ist unser größter Schatz. Unsere Pflicht ist es alles zu tun, um ihn zu bewahren.

Zweitens. Wir müssen stets die Geschlossenheit der Europäer und ihrer Verbündeten verteidigen. So haben wir uns auch auf unsere Termine vorbereitet. Auf diesem Weg werden wir weitergehen.

Drittens geht es um die Verteilung der Grundsätze, die wir in den letzten 30 Jahren in Europa entwickelt haben und nach denen wir gelebt haben, nämlich die Souveränität aller Staaten, die territoriale Unversehrtheit. Es geht um unsere Werte, wie sie auch unsere verschiedenen Charten vorgesehen haben.

Wir müssen die Mittel und Wege finden, um diesen anspruchsvollen und wichtigen Dialog mit Russland in verschiedenen Formaten zu führen. In den nächsten Tagen und Wochen werden wir auch Gespräche im Normandie-Format führen. Denn das ist der politische Rahmen zur Lösung der Ukrainekrise.

Ich habe gestern lange mit Präsident Putin und heute mit Präsident Selensky über dieses Thema gesprochen. Der Bundeskanzler wird in der nächsten Woche nach Kiew und im Anschluss nach Moskau reisen. In der Zwischenzeit werden unsere Berater ebenfalls ein wichtiges Treffen haben. Die OSZE hat ihre Arbeit ebenfalls fortsetzen können. In diesem Rahmen kommen wir also weiter.

Dialog und die Übernahme von Verantwortung von allen Akteuren, wie es auch die Präsidenten Putin und Selensky gesagt haben, ist der einzige Weg, der es uns ermöglichen wird, den Frieden in der Ukraine sicherzustellen. Das ist eine ganz wichtige Etappe, um unsere Arbeit fortsetzen zu können.

Andererseits gibt es noch eine Arbeit, die von der NATO und den USA geleistet wird. Auch für uns als Verbündete und Europäer ist es wichtig, die Elemente für Sicherheitsgarantien zu haben. Es sind in den letzten Tagen neue Ansätze entstanden. Daran wollen wir weiter arbeiten. Wir werden diesen anspruchsvollen Dialog unter Einhaltung unserer Grundsätze und Werte und natürlich unter Wahrung unserer Geschlossenheit fortfahren. Wir wollen diesen Dialog mit Russland fortsetzen, um jegliches Risiko einer Eskalation zu vermeiden, um zu einer Deeskalation zu kommen sowie dauerhaft Frieden und Stabilität zu gewährleisten. Vielen Dank.

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