Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Kishida zum Besuch von Bundeskanzler Scholz in Japan am 28. April 2022

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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

MP Kishida: Ich begrüße den Japan-Besuch von Herrn Bundeskanzler Scholz von Herzen. Obwohl wir geografisch sehr weit voneinander entfernt liegen, sprich im Osten bzw. Westen Eurasiens, teilen wir grundlegende Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, und wir schätzen Deutschland als unverzichtbaren strategischen Partner, mit dem wir uns in der internationalen Gemeinschaft der Nachkriegszeit auch gemeinsam für diese Werte eingesetzt haben.

Gestern haben die Beratungen über eine Grundgesetzänderung in Deutschland im Bundestag begonnen. Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, Sie haben sich zu diesem wichtigen Zeitpunkt und trotz Ihres vollen Terminkalenders entschieden, Japan zu besuchen. Ich begrüße Ihren heutigen Besuch in Japan als Ihr erstes Besuchsziel in Asien von ganzem Herzen; denn er zeigt auch, welch große Bedeutung Sie Japan beimessen.

Angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine steht die internationale Staatengemeinschaft am Scheideweg. Wir finden uns in einer entscheidenden Phase, um die russische Aggression zu beenden und den Frieden und die Stabilität der internationalen Gemeinschaft sowie die internationale Ordnung wiederherzustellen, zu erhalten und zu stärken.

Japan und Deutschland haben beispiellos rigide Sanktionen gegen Russland verhängt und bauen die Unterstützung für die Ukraine aus. Wir teilen die Einschätzung, dass es wichtig ist, dass die internationale Gemeinschaft, angefangen bei den G7-Staaten, entschlossen auf die Aggression reagiert und zeigt, dass eine einseitige Änderung des Status quo mit Gewalt zu kaum tragbaren Kosten führt.

Gleichzeitig haben wir bekräftigt, dass es unsere gemeinsame Pflicht ist, die Regierung und die Menschen in der Ukraine mit aller Kraft zu unterstützen. Die deutsch-japanische Zusammenarbeit hat es möglich gemacht, dass Windeln, Hygieneartikel und weitere Spenden von Dingen des täglichen Bedarfs, die von der japanischen Bevölkerung bei der Botschaft der Ukraine eingegangen sind, auf der Rückreise des Bundeskanzlers mit der deutschen Regierungsmaschine nach Europa transportiert werden. Wir danken der deutschen Seite für Ihre Kooperation. Ich hoffe, dass diese gemeinsame deutsch-japanische Initiative eine ermutigende Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine senden wird.

Gerade jetzt sind die G7 als treibende Kraft der internationalen Gemeinschaft auf der Grundlage universeller Werte wichtiger denn je. Ich möchte Ihnen, lieber Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, meine Hochachtung für Ihre Führungsrolle während der diesjährigen G7-Präsidentschaft aussprechen. Deutschland und Japan haben in diesem und im nächsten Jahr nacheinander die G7-Präsidentschaft inne, und ich bekräftige erneut meine Entschlossenheit, eng mit dem diesjährigen G7-Vorsitzenden Deutschland zusammenzuarbeiten und das Ruder der G7 festzuhalten, um den Krisen der internationalen Gemeinschaft wirksam zu begegnen.

Die russische Aggression gegen die Ukraine hat nicht nur Europa, sondern die internationale Ordnung einschließlich des indopazifischen Raums in den Grundfesten erschüttert. Wir begrüßen es, dass Deutschland sein Interesse und sein Engagement im Indopazifik in den letzten Jahren verstärkt hat. Trotz der Coronapandemie fand im letzten Jahr das erste deutsch-japanische 2+2-Treffen statt. Darüber hinaus lief die deutsche Fregatte Bayern einen japanischen Hafen an, und es wurden auch gemeinsame deutsch-japanische Übungen sowie Maßnahmen gegen „ship-to-ship cargo transfers“ durchgeführt, wodurch die deutsch-japanische Sicherheits¬zusammenarbeit große Fortschritte gemacht hat.

Vor dem Hintergrund der Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit haben wir heute die Absicht bekräftigt, sehr bald das nächste 2+2-Ministertreffen abzuhalten und weiter eng zusammenzuarbeiten, um einen freien und offenen Indopazifik zu verwirklichen. Weiterhin haben wir heute vereinbart, Regierungskonsultationen unter Beteiligung der Regierungschefs einzurichten. Die erste Konsultation wird für das nächste Jahr anvisiert.

Beim anschließenden Dinner werden wir dann über weitere globale Herausforderungen sprechen, zum Beispiel die regionale Lage in Asien und im Nahen Osten, den Klimawandel sowie Abrüstung und Nichtverbreitung.

Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich bei Ihnen, lieber Olaf, für Ihren Besuch!   So weit von meiner Seite.

BK Scholz: Lieber Fumio, ich habe mich über die Einladung nach Tokio sehr gefreut und bin ihr gern gefolgt, um mit meinem Besuch in Japan die große Bedeutung der deutsch-japanischen Beziehungen hervorzuheben. Meine Reise ist aber auch ein klares politisches Signal, dass Deutschland und die Europäische Union ihr Engagement in der Indopazifikregion fortsetzen und intensivieren werden.

Angesichts des russischen Angriffskrieges ist unser gemeinsamer Blick derzeit auf die Ukraine gerichtet. Deutschland und Japan stehen Seite an Seite bei der Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung, bei der Aufrechterhaltung der Grundprinzipien der UN-Charta und in unserem Einsatz für die universellen Menschenrechte.

Meine Reise steht natürlich auch im Zusammenhang mit der deutschen und der japanischen G7-Präsidentschaft; denn wir werden aufeinander folgend diese Präsidentschaften haben. Deshalb war es mir auch wichtig, vor dem Gipfel in Elmau persönlich nach Japan zu kommen. Ich danke dir für die vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit in den vergangenen Monaten. Japan übernimmt   es ist schon gesagt worden   die G7-Präsidentschaft im nächsten Jahr, und wir haben deshalb fest vereinbart, die Präsidentschaften und die Aufgaben, die damit verbunden sind, eng miteinander abzustimmen.

Wir sind Wertepartner. Der russische Überfall auf die Ukraine und unsere starke gemeinsame Reaktion im G7-Rahmen zeigen, dass dieser Begriff eine ganz konkrete faktische und politische Bedeutung hat. Angesichts des völkerrechtswidrigen Überfalls auf die Ukraine und der schrecklichen Kriegsverbrechen sind die Maßnahmen gegen Russland, über die wir heute gesprochen haben, ein klares Signal, das wir mit Japan und unseren Partnern im G7-Rahmen setzen. Wir werden gemeinsam die internationalen Folgen des russischen Angriffskriegs auf die G7-Agenda setzen.

Zur Bedeutung der bestehenden Sanktionen und ihrer Umsetzung sind wir uns einig, und auch zu weiteren Sanktionen werden wir uns immer eng abstimmen. Diese Sanktionen sind hochwirksam. Sie haben erheblichen Schaden, was die wirtschaftliche Entwicklung Russlands betrifft, verursacht. Genau das war die Absicht, um Russland abzubringen von seinem Verhalten, damit die Waffen schweigen, damit Russland sich zurückzieht und damit die Integrität und Souveränität der Ukraine wieder zum Tragen kommt. Für die Unterstützung von dir und deinem Land danke ich noch einmal sehr ausdrücklich. Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir in so einer schweren Zeit zusammenarbeiten.

Wir wollen die deutsch-japanische Partnerschaft intensiveren. Das geht mit den 2+2-Gesprächen, die wir schon etabliert haben. Wir wollen aber eben auch regelmäßige Regierungskonsultationen miteinander haben und im nächsten Jahr das erste Mal ein solches Zusammentreffen organisieren. Das ist eine weitere qualitative Entwicklung unserer deutsch-japanischen Beziehungen, und das macht deutlich, welche Bedeutung diese Beziehungen für uns haben.

Wir haben im Übrigen auch vereinbart, dass wir hochrangige Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft haben wollen, wie das ja auch heute der Fall ist. Denn die wirtschaftliche Entwicklung ist wichtig für uns beide. Beide Länder, Japan und Deutschland, sind führende Industrienationen in der Welt, und wir wollen diese technologische Kooperation fortsetzen und zusammenarbeiten: bei 5G-Technologien, bei wirtschaftlicher Sicherheit, über die wir schon gesprochen haben, und natürlich, wenn es darum geht, wie wir sicherstellen können, dass wir die Lieferketten unabhängiger von einzelnen Ländern machen   eine Aufgabe, die aktueller ist, als sie je war. Es geht uns auch um freie Handelswege; das ist von großer Bedeutung.

Was jetzt ansteht, ist natürlich, dass wir uns weiter konkret damit beschäftigen, im Rahmen unserer G7-Präsidentschaft die Folgen des Angriffskrieges zu besprechen und auch global aktiv zu werden, insbesondere wenn es zum Beispiel um Fragen der Ernährungssicherheit geht, die für viele Länder von großer Bedeutung sind, die jetzt unter den Kriegsfolgen zu leiden haben, obwohl sie weit weg davon liegen.

Ein wichtiges Thema, das wir heute auch noch weiter vertiefen werden, ist die Frage der Zusammenarbeit in Klimafragen. Beide Länder haben sehr ehrgeizige Ziele. Wir wollen um die Mitte dieses Jahrhunderts klimaneutral werden. Dafür wird es auch eine Rolle spielen, dass wir technologisch kooperieren, zum Beispiel in Fragen der Wasserstoffwirtschaft. Da geht es darum, ein neues globales Geschäft zu entwickeln, das gleichzeitig dazu beiträgt, dass unsere Länder klimaneutrale Industrieländer werden können.

Gute Gespräche waren es bisher, und gute Gespräche haben wir noch vor uns. Vor allem sind es gute Beziehungen. Ich danke dir für diese gute Zusammenarbeit.

Frage: Guten Tag, mein Name ist … (akustisch unverständlich). Ich habe Fragen zu China an Herrn Premierminister Kishida. Bundeskanzler Scholz hat den chinafreundlichen Kurs der Regierung Merkel revidiert und nimmt nun eine sehr harte Haltung gegenüber China ein, auch in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie. Deutschland und Japan haben dieses und nächstes Jahr die Präsidentschaft der G7 inne.

Haben Sie auch über das Thema Chinas und der Bedrohung durch China im Sicherheitsbereich und im Bereich der Menschenrechte gesprochen? Worauf haben Sie sich verständigt?

MP Kishida: Vielen Dank. Ich habe mit Herrn Bundeskanzler Scholz darüber gesprochen. Wir haben die Präsidentschaft der G7 in diesem und im nächsten Jahr inne. Wir haben uns über die die regionale Lage und über verschiedene Themen mit Bezug auf die regionale Lage ausgetauscht. Wir haben sehr offen darüber diskutiert, über die Lage im Südostchinesischen Meer und die Veränderung des Status quo, darüber, dass wir uns dem entgegenstellen. Wir haben uns darauf geeinigt. Auch in Bezug auf die Situation in Hongkong und die Uigurensituation haben wir unsere starken Bedenken angesprochen.

Darüber hinaus teilen wir die universellen Werte mit Deutschland und wollen die verschiedenen Herausforderungen der internationalen Gemeinschaft gemeinsam angehen. Auch darauf haben wir uns verständigt.

Soweit zu dieser Frage von meiner Seite.

Frage: Vielen Dank. Ich möchte gern zum Thema der Ukraine fragen. Herr Ministerpräsident, Ihr Land hat militärische Schutzausrüstung in die Ukraine geliefert. Ihre Verfassung verbietet aber eine Lieferung von Waffen in die Ukraine. Ich wüsste gern, ob Sie trotzdem die Lieferung schwerer Waffen durch NATO-Staaten wie Deutschland unterstützen.

Herr Bundeskanzler, der Bundestag hat sich heute mit großer Mehrheit hinter die Entscheidung der Bundesregierung gestellt, schwere Waffen auch direkt in die Ukraine zu liefern. Trotzdem bleiben noch Fragen offen. Ich wüsste gern, ob die Entscheidung für die Lieferung der Gepard-Panzer auch ein Türöffner für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, von Marder-Schützenpanzern und von schwerer Artillerie wie der Panzerhaubitze ist.

Wenn Sie erlauben, noch eine Frage zu einem anderen Ukraineaspekt, den Energielieferungen: Russland hat die Gaslieferungen an Bulgarien und Polen eingestellt. Befürchten Sie, dass es einen solchen Schritt auch für Deutschland geben wird?

MP Kishida: Dann werde ich beginnen. Von meiner Seite vielleicht zu dem ersten Teil: Die Situation in der Ukraine, was Deutschland angeht: Sie haben die Sicherheitsmaßnahmen. Ich glaube, wir haben eine große Wende hier vorgenommen. Ich möchte dafür auch meine Hochachtung zum Ausdruck bringen.

In unserem Land, in Japan, die Situation und die Unterstützung für die Ukraine: Sie haben es angesprochen. Wir haben hier Güter der Selbstverteidigungskräfte bereitgestellt, und zwar auf Grundlage unseres Selbstverteidigungskräftegesetzes, das es gibt. Wir haben hier eine gewisse Regelung, drei Prinzipien, auf die wir achten müssen. Auf dieser Grundlage haben wir die Mittel bereitgestellt.

In dieser sich verändernden Lage müssen wir natürlich auch immer die Bedürfnisse und die Wünsche der Ukraine berücksichtigen und vergleichen, was bei uns möglich ist. Darauf basierend, werden wir unsere Unterstützung weiter fortführen. Das heißt, neben den eben angesprochenen Gütern haben wir zum Beispiel auch Medikamente und Lebensmittel, je nachdem, was die Ukraine wünscht. Darauf sind wir dann eingegangen. Entsprechende Mittel stellen wir zur Verfügung. Wir wollen an dieser Haltung festhalten.

BK Scholz: Ich bin sehr dankbar für die klare Unterstützung, die der Deutsche Bundestag mit dem Antrag, den die Regierungsparteien auf den Weg gebracht haben und der darüber hinaus Unterstützung gefunden hat, heute der Politik der von mir geführten Regierung gegeben hat. Das zeigt, dass man in einer so herausfordernden Zeit eine politische Strategie verfolgen kann, die viele dann auch mittragen wollen.

Wir haben nach der Zeitenwende, die mit dem russischen Angriff auf die Ukraine verbunden ist, eine weitreichende Entscheidung getroffen, nämlich die, dass Deutschland Waffen in dieses Krisengebiet liefert. Das war ein Schritt, den Deutschland jahrelang nicht gegangen ist und der auch von allen politischen Parteien getragen war. Nachdem wir das geändert haben, haben viele andere europäische Länder auch entschieden, dass sie anders als zuvor Waffen liefern.

Wir haben mit sehr klaren Maßnahmen angefangen und haben aus unseren eigenen Beständen Waffen geliefert, die auch dem Abwehrkampf der Ukraine sehr geholfen haben, insbesondere Panzerabwehrwaffen und Luftabwehrwaffen. Wir haben mittlerweile auch weitere Bestände mobilisiert, wenn es um Panzerabwehrminen und Panzerabwehrrichtminen geht, und vieles andere, was dazugehört.

Wir haben Lieferungen aus dem Bereich der Industrie möglich gemacht, die wir mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium abgestimmt haben, wo jetzt die Bestellungen abgewickelt, organisiert werden, und wo wir sie finanzieren werden. Wir haben uns dazu bekannt, dass wir dort, wo osteuropäische Länder zum Beispiel Panzer russischer Bauart, Kampfpanzer, liefern, diesen osteuropäischen Ländern, die ja oft auch NATO-Länder sind, helfen wollen, dass sie Ersatz bekommen aus Waffen, die aus westlicher Produktion stammen, die moderner sind und die nach Training und mit Logistikvoraussetzung dort auch eingesetzt werden können. Ich glaube, das ist eine konkrete, unmittelbare Hilfe für die Ukraine, die jetzt auch in der nächsten Zeit wichtig ist.

Wir haben Unterstützung für die Entscheidung der USA signalisiert, dass sie 18 Haubitzen, also Artillerie, liefern wird, und werden Ausbildung in Deutschland ermöglichen und organisieren. Das ist wichtig, damit sie überhaupt eingesetzt werden können. Wir entwickeln zusammen mit den Niederlanden ein Projekt, wie wir auch in diesem Bereich etwas voranbringen können. Wir haben entschieden, dass wir zu Zwecken der Luftverteidigung den dazu geeigneten Geparden liefern. Auch das alles befindet sich in der Linie der Entscheidung, die der Bundestag jetzt getroffen hat. Genau die werden wir jetzt auch weiter umsetzen. Das, glaube ich, ist wirklich gut, dass jetzt hier mal manchen Debatten ein klares Signal gesetzt wurde. So läuft es, wie wir das entwickelt haben.

Wir werden die Lage ständig weiter bewerten. Das ist ja notwendig bei einer sich ständig verändernden Bedrohungssituation in der Ukraine. Aber diesem Kurs werden wir folgen. Wir haben heute dafür ein sehr starkes Mandat vom Deutschen Bundestag bekommen.

Zuruf: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BK Scholz: Wir wissen, dass es eine große Herausforderung ist, dass viele Länder Europas, auch Deutschland, abhängig vom Import fossiler Ressourcen aus Russland sind. Deshalb haben wir uns sehr früh auf den Weg gemacht, sogar lange vor dem Ausbruch des Krieges, diese Situation konkret zu analysieren und daraus Entscheidungen abzuleiten. Das hat uns in die Lage versetzt, dass wir jetzt zum Herbst die Importe von Kohle einstellen können. Das wird uns in die Lage versetzen, Stück für Stück den Import von Kohle zu reduzieren und zu ersetzen. Das Gleiche wird für Gas geschehen; aber das ist ein Prozess, der längere Zeit in Anspruch nimmt, weil wir, wie Sie genau wissen, dazu neue Terminals bauen müssen, damit der Import dieses Gases nicht nur über die Pipelines aus Norwegen und den Niederlanden stattfinden kann, sondern eben auch über das Schiff. Diese LNG-Terminals werden wir mit großem Nachdruck umsetzen und hoffen, dass wir sie schneller gebaut und errichtet kriegen, als das je in Deutschland der Fall war. Das ist das, was wir bereits gemacht haben.

Jede Unterbrechung hat Folgen für wirtschaftliche Situationen. Das ist klar gesagt. Darüber ist die Regierung auch sehr klar. Deshalb gehört das nicht zu den Dingen, wo wir jetzt Sanktionen unmittelbar verhängt haben, übrigens in enger Abstimmung auch mit unseren Partnern, die selbst Energieexporteure sind und deshalb eine andere Ausgangslage haben wie zum Beispiel die USA.

Darüber, welche Entscheidung die russische Regierung in dieser Hinsicht treffen wird, kann man nur spekulieren. Das macht aber wenig Sinn. Man muss sich darauf vorbereiten. Das haben wir, wie gesagt, bereits begonnen, bevor der Krieg ausgebrochen ist. Wir wissen, was wir tun müssen. Ich habe das eben geschildert. Genau diese Wege gehen wir.

Frage: Ich habe an den Herrn Premierminister eine Frage zum Thema Energie. Deutschland hat die Perspektive aufgezeigt, dass innerhalb dieses Jahres die Kohle- und Öleinfuhr aus Russland eingestellt wird. Japan hat auch angekündigt, die Importe der russischen Kohle zu verbieten. Ich würde gerne wissen, wann diese Importe gestoppt werden und welche Alternativen Sie sicherstellen wollen.

MP Kishida: Vielen Dank.   Was unsere Reaktion im Energiebereich angeht, ist es natürlich wichtig, dass wir erst einmal eine stabile Versorgung sicherstellen. Es ist auch in das Kommuniqué der G7 mit eingeflossen, dass wir uns dafür einsetzen, die Abhängigkeit von Russland in Bezug auf Energie   zum Beispiel Kohle usw.   zu reduzieren. Im nächsten Sommer und im folgenden Winter müssen wir natürlich erst einmal abschätzen, welche Auswirkungen das auf die Industrie haben wird. Wir müssen parallel dazu die erneuerbaren Energien betrachten und müssen versuchen, hier die Dekarbonisierung umzusetzen. Es ist also wichtig, dass wir praktisch die Energiequellen diversifizieren und versuchen, die Bezugsquellen weiter zu diversifizieren. Es ist sehr wichtig, dass wir   natürlich basierend auf der jeweiligen Situation   mit diesen verschiedenen Maßnahmen möglichst rasch die Kohleimporte aus Russland reduzieren können. Wir werden natürlich auch im Bereich der Zusammenarbeit zwischen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand diese Maßnahmen weiter möglichst rasch umsetzen. Entsprechend der G7-Gipfelerklärung wollen wir, wie gesagt, die Kohle aus Russland       Das Ziel ist, die Importe auf null zurückzufahren. Das ist auch unser Ziel und unsere Ausrichtung.

Frage: Herr Ministerpräsident, Sie haben davon gesprochen, dass es Ihre Pflicht sei, die Ukraine zu unterstützen. Sie sind für Ihre Solidarität viel gelobt worden. Welche Solidarität erwarten Sie denn im Gegenzug sowohl von Ihren G7-Partnern oder auch der NATO, wenn Demokratien in Ihrer Region unter Druck sind?

Haben Sie beim deutschen Bundeskanzler auch um Rücksichtnahme gebeten, wenn es darum geht, Ihre eigene Energiesicherheit gerade in Bezug auf LNG sicherzustellen?

Herr Bundeskanzler, Sie haben ja betont, dass es ein politisches Zeichen ist, dass Japan und damit nicht China das erste Land ist, das Sie besuchen. Wenn Sie von der Diversifizierung der deutschen Industrie sprechen, haben Sie auch konkret mit Unternehmen darüber gesprochen, dass sie lieber in Japan als in China investieren sollen?

MP Kishida: Zum ersten Teil der Frage: Japan sieht im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine nicht nur in Bezug auf Europa, sondern auch Asien eine Situation, die die gesamte internationale Ordnung in ihren Grundfesten erschüttert hat. Die einseitige Veränderung des Status quo betrifft nicht nur Europa, sondern auch den Indopazifik, insbesondere Ostasien. Das ist eine Situation, die hier nicht auftreten darf.

Wir müssen, was diese Veränderung des Status quo mit Gewalt angeht, ein klares Zeichen setzen, dass dies untragbare Kosten auslösen wird. Ich glaube, diese Botschaft wird auch Richtung Asien gerichtet sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier zusammen mit den G7, mit der internationalen Gemeinschaft diese harte und entschlossene Haltung einnehmen. Wir haben beispiellos rigide Sanktionen verhängt. Parallel dazu müssen wir neben den Sanktionen natürlich auch weiter die Bevölkerung der Ukraine humanitär unterstützen.

Darüber hinaus ist natürlich die Rolle der UNO in diesem Zusammenhang auch ein wichtiges Problem. Im Rahmen der Reform der Vereinten Nationen und der Modalitäten der internationalen Ordnung sollten noch einmal die Probleme aufgezeigt werden, um hier entsprechende Verbesserungen und Reformen umsetzen zu können. Soweit von meiner Seite.

BK Scholz: Es ist so, dass wir eine enge Zusammenarbeit mit Japan haben. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Japan und Deutschland ist aus alter Tradition sehr groß, und sie wird es in der Zukunft auch weiter sein. Das ist etwas, was sich natürlich angesichts der großen technologischen Vorhaben, die wir miteinander verfolgen, noch mehr anbietet. Beide Länder sind große, exportstarke global vernetzte Exportnationen, die   anders als viele andere   industrielle Produktionen haben. Deshalb sind es gerade wir, die die Technologien entwickeln müssen, mit denen man in der Lage ist, wirtschaftliche Prozesse so zu organisieren, dass sie klimaneutral werden. Das wird auch ein großes Feld der Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland sein. Gerade die Fragen, die wir heute Abend noch vertiefen wollen, etwa, was die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft betrifft, werden bei dem eine hervorragende Rolle spielen, was wir zu tun haben.

Ansonsten sind wir uns beide einig: Gerade und trotz der gegenwärtigen Entwicklung sind wir gegen alle Ideen von „Decoupling“ und dass die Wirtschaftsregionen sich trennen sollen. Wir sind für offene, faire und regelbasierte Märkte, die weltweit existieren. Aber klar ist: Unsere Unternehmen und auch wir selber werden alles dafür tun, dass niemand von Lieferketten aus jeweils einem Land abhängig ist. Das ist die Erfahrung, die wir jetzt mit der Ukraine-Krise gemacht haben. Das wird Zeit in Anspruch nehmen, aber wird für uns eine große Rolle spielen müssen. Es gibt viele Felder, in denen das geht. Wir sind aber nicht die Einzigen, die das so machen. Das spielt bei allen G7-Ländern eine Rolle und wird sicherlich für eine größere Resilienz einer erfolgreichen Globalisierung beitragen.