Investition in künftiges EU-Mitglied

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Bundeskanzler Scholz beim 7. Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum Investition in künftiges EU-Mitglied

Bundeskanzler Scholz hat beim Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum bekräftigt, dass Deutschland die Ukraine weiter  unterstützen wird – mit finanziellen Mitteln, Waffen und auch mit Hilfsgütern wie etwa Transformatoren.

Mittwoch, 11. Dezember 2024 in Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem ukrainsichen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal.

Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal beim Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum. 

Foto: Bundesregierung/Sandra Steins

Das Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum in Berlin findet in diesem Jahr zum siebten Mal statt, dieses Mal unter dem Motto „Stronger together. Securing the future". Im Mittelpunkt des Forums stehen insbesondere die deutsch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen, ihre Bedeutung bei der Unterstützung der Ukraine, sowie die Energieversorgung und die Verteidigungswirtschaft.

Neben Bundeskanzler Scholz nahmen auch der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sowie deutsche und ukrainische Ministerinnen und Minister teil. Eingeladen hatte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), die deutsch-ukrainische Auslandshandelskammer sowie der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft. 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Wirtschaft der Ukraine ist widerstandsfähig: Russland ist es nicht gelungen, die Ukraine wirtschaftlich zu zerstören. So sei ihr Bruttoinlandsprodukt 2024 gewachsen, die Inlandsnachfrage stark und die Landwirtschaft exportiere kräftig, betonte Bundeskanzler Scholz. Auch der Handel zwischen Deutschland und der Ukraine sei seit 2021 gewachsen. Etwa 2.000 deutsche Unternehmen sind in der Ukraine aktiv.
  • Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen: Deutschland wird die Ukraine weiter unterstützen – wirtschaftlich, militärisch, aber auch zum Beispiel mit 70 Millionen Euro für kleinere Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen, Generatoren und Solaranlagen. Auch international ist die finanzielle Unterstützung der Ukraine abgesichert. So stellen die G7 gemeinsam einen Kredit in Höhe von rund 50 Milliarden Dollar für die Ukraine bereit.
  • Die Ukraine gehört zu Europa: „Wenn Sie heute und in den kommenden Jahren in die Ukraine investieren, dann investieren Sie in ein künftiges EU-Mitglied“, so die Botschaft von Bundeskanzler Scholz an die deutsche Wirtschaft. Es sei zwar noch ein Stück zu gehen – aber: „Diesen Weg gehen wir gemeinsam, Deutsche und Ukrainer, Seite an Seite”, so Scholz.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede des Bundeskanzlers:

Sehr geehrter Herr Premierminister Schmyhal,

sehr geehrter Herr Adrian,

sehr geehrter Herr Bruch,

meine Damen und Herren!

Vor drei Wochen haben wir an die 1.000 Tage erinnert, die seit Beginn des russischen Angriffskrieges vergangen sind. Vergangene Woche war ich zu Besuch in Kyjiw, am 1.013. Kriegstag. Heute sind es bereits 1.022 Tage, die dieser furchtbare Krieg andauert. An jedem einzelnen dieser Tage werden Frauen und Männer von russischen Truppen getötet. Jeden Tag verlieren Mütter ihre Töchter und Söhne, werden Ehemänner, Ehefrauen, Eltern oder Kinder aus dem Leben gerissen.

Einige der furchtbaren Wunden, die dieser Krieg gerissen hat, habe ich am vergangenen Montag in Kyjiw gesehen. Präsident Selenskyj und ich haben mit verwundeten Soldaten gesprochen. Wir haben den Maidan besucht, wo kleine Fähnchen und Fotos an gefallene ukrainische Soldaten erinnern; ein Fahnenmeer in blau und gelb. Das sind Bilder, die man nicht vergisst.

Seit 1.022 Tagen führt Putins Russland einen erbarmungslosen Feldzug gegen die Ukraine, ohne Rücksicht auf Verluste, mit dem Ziel, die Ukraine und ihre Staatlichkeit zu vernichten. Es sind aber auch 1.022 Tage, in denen die Ukrainerinnen und Ukrainer genau das nicht zulassen.

Ja, die Ukraine steht am Beginn eines schweren Winters, schon des dritten Winters seit Kriegsbeginn. Aber wahr ist eben auch: Putin hat nicht ein einziges seiner Kriegsziele erreicht. Er hat die Ukraine nicht erobert oder in einen Vasallenstaat verwandelt. Die Ukraine verteidigt sich heldenhaft. Die ukrainische Armee ist heute ungleich stärker als vor dem Krieg, ausgestattet mit westlichen Waffen. Putins Angriff hat die Ukraine als Land enger denn je zusammengeschweißt. Ihr Kurs der europäischen Integration ist unumkehrbar.

Mehr als 26 Länder haben Sicherheitsabkommen mit der Ukraine geschlossen – mit festen Zusagen, auf viele Jahre hinaus. Die NATO ist um zwei starke Alliierte gewachsen – Schweden und Finnland. Ein Großteil der Alliierten erfüllt heute das Zwei-Prozent-Ziel, auch Deutschland. Landes- und Bündnisverteidigung haben in Europa wieder einen zentralen Stellenwert.

Nicht zuletzt hat Putin die Ukraine auch wirtschaftlich nicht zerstören können, obwohl er alles daransetzt – mit gezielten Angriffen auf die Energieversorgung der Ukraine, auf Produktionsstätten, auf Straßen und auf Brücken. Und dennoch: Das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine ist 2024 gewachsen. Verkehr und Bauwesen ziehen an. Die Inlandsnachfrage ist stark. Die Landwirtschaft exportiert kräftig – dank des Schwarzmeerkorridors und dank der europäischen Solidaritätskorridore, den ertüchtigten Handelsrouten über Straße, Schiene und Wasser, die den Export ukrainischer Agrarprodukte ermöglichen.

In der Verteidigungsindustrie gibt es erste Joint Ventures und einige erste Ansiedlungen. Ich finde, dass das dynamisch weitergehen sollte. Die Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen ist keine technologische Einbahnstraße. Wir können viel voneinander lernen und gemeinsam entwickeln.

Auch der Handel zwischen Deutschland und der Ukraine wächst, von knapp acht Milliarden Euro 2021 auf fast zehn Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Deutschland exportiert neben Verteidigungsgütern vor allem Maschinen, Chemieprodukte und Autos in die Ukraine, und wir importieren Elektrotechnik, Rohstoffe und Nahrungsmittel aus der Ukraine.

Etwa 2.000 deutsche Unternehmen sind in der Ukraine aktiv. Viele von ihnen planen zusätzliche Investitionen. Sie helfen, das Land wieder aufzubauen. Sowohl bei den Export- als auch bei den Investitionsgarantien sehen wir: Das Interesse deutscher Unternehmen ist groß. Bei den Genehmigungen für Investitionsgarantien liegt die Ukraine sogar auf dem ersten Platz weltweit. Ein großes Netzwerk von mehr als 220 deutsch-ukrainischen kommunalen Partnerschaften ist entstanden, oft auch mit viel Unterstützung von privaten Unternehmen. Wir sehen auch, dass die Zusammenarbeit von deutschen Firmen mit ukrainischen Energieversorgern steigt. Ich hoffe, dass sich dem viele weitere Unternehmen anschließen; denn gerade da brauchen wir viele private Investitionen.

Bei alldem spielt der Business Advisory Council eine wichtige Rolle, der im Sommer ins Leben gerufen wurde. Er stärkt den Austausch zwischen der Wirtschaft und der Politik, und er formuliert Empfehlungen, wie es schneller gehen kann mit den privaten Investitionen. Was Unternehmen in erster Linie brauchen, sind Transparenz, kürzere Verfahren, einheitliche Reiseregeln für die Mitarbeitenden. Herr Bruch, für das, was Sie da in wenigen Monaten auf die Beine gestellt haben, sage ich Ihnen ganz herzlich Danke und auch all Ihren Mitstreitern schönen Dank!

Drei Botschaften möchte ich Ihnen und allen, die sich unternehmerisch in der Ukraine engagieren, heute für Ihre wichtige Arbeit mitgeben.

Botschaft Nummer eins: Die Ukraine wird durch diesen Winter kommen – so wie durch die letzten Winter auch. Dabei unterstützen wir sie. Die Bundesregierung stellt aktuell 70 Millionen Euro für kleinere Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen, Generatoren und Solaranlagen zur Verfügung. Auch die deutsche Wirtschaft engagiert sich mit mehr als 8.000 gelieferten Hilfsgütern wie zum Beispiel Transformatoren, damit weiter produziert werden kann, trotz der Zerstörungen durch die russischen Angriffe.

Wir sind der größte Unterstützer der Ukraine in Sachen Luftabwehr, und das wollen wir auch bleiben. Das rettet Leben. Das hilft aber auch dabei, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Fünf IRIS-T SLM-Systeme, drei Patriot-Systeme und mehr als 50 Gepard-Panzer haben wir bereits geliefert - mit Flugkörpern, Munition und Ersatzteilen. Ein sechstes IRIS-T SLM-System, weitere Startgeräte für Patriot-Systeme und weitere Gepard-Panzer werden bis Jahresende hinzukommen. Und im nächsten Jahr geht das weiter; das habe ich Präsident Selenskyj bei meinem Besuch fest zugesagt. Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen. Wir sagen, was wir tun, und wir tun, was wir sagen.

So lautet meine zweite Botschaft: Putin irrt sich, wenn er glaubt, den längeren Atem zu haben. Wir haben der Ukraine nicht nur feste Sicherheitszusagen gegeben. Auch finanziell haben wir die Unterstützung der Ukraine abgesichert. Im Kreis der G7 und der EU haben wir uns darauf verständigt, die sogenannten „windfall profits“ zu nutzen, also außerordentliche Erträge, die auf eingefrorenes russisches Zentralbankvermögen anfallen. Damit stellen wir gemeinsam einen Kredit in Höhe von rund 50 Milliarden Dollar für die Ukraine bereit. Heute, während wir hier sitzen, haben die USA ihren Teil auch auf den Weg gebracht, wie uns die Meldungen des Tages zeigen. Über die Ukraine-Fazilität der EU haben wir 2024 insgesamt mehr als 15 Milliarden Euro mobilisiert. Der größte Teil ist bereits ausgezahlt.

Bei der hier schon mehrfach erwähnten Ukraine Recovery Conference im Juni in Berlin waren sich alle einig, dass die Ukraine unsere langfristige Unterstützung braucht – vor allem, um die zerstörten Dörfer und Städte wieder aufzubauen. Das kostet viel Geld und wird ohne privates Kapital nicht möglich sein. Deshalb freue ich mich über jedes Unternehmen, das sich schon jetzt in der Ukraine engagiert oder das in Zukunft tut, und es freut mich zu sehen, wie die unter deutscher G7-Präsidentschaft gegründete Ukraine Donor Platform internationale Unterstützung mobilisiert und koordiniert, damit der ukrainische Staat auf absehbarere Zeit finanziell auf sicheren Füßen stehen kann. Zugleich senden wir auch damit eine klare Botschaft an Putin: Wir lassen die Ukraine nicht im Stich.

Meine dritte Botschaft an Sie lautet: Wenn Sie heute und in den kommenden Jahren in die Ukraine investieren, dann investieren Sie in ein künftiges EU-Mitglied. Wir haben es schon gehört: Den Satz habe ich schon einmal gesagt. Aber er muss immer wiederholt werden. Ich glaube, das können wir gar nicht oft genug tun, auch gemeinsam. Damit ist klar: Wir werden nach dem Krieg Wachstumsraten und Entwicklungschancen in der Ukraine sehen, wie wir sie allenfalls aus den mittel- und osteuropäischen Ländern kennen, die der EU in den letzten zwei Jahrzehnten beigetreten sind. Die deutsche Wirtschaft hatte an diesen Erfolgsgeschichten großen Anteil und hat selbst davon profitiert. So etwas wünsche ich mir auch mit Blick auf die Ukraine.

Deshalb unterstützen wir Ihr Land, Herr Premierminister, auf der Suche nach einem gerechten Frieden, einem Frieden, der nicht über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg geschlossen werden kann, einem Frieden, der die Unabhängigkeit und die freie Entscheidung der Ukraine für eine Zukunft in Europa respektiert und wahrt. Der EU-Beitrittsprozess schafft die Gewissheit, dass die Ukraine eben nicht nur kulturell und politisch ganz fest zu Europa gehört, sondern auch ein Mitgliedstaat der EU werden wird – mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten. Bis dahin ist noch ein Stück zu gehen. Aber, sehr geehrter Herr Premierminister: Diesen Weg gehen wir gemeinsam, Deutsche und Ukrainer, Seite an Seite!

Eine ganz wichtige Rolle auf diesem Weg spielen die 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem Krieg hierher, nach Deutschland, geflohen sind. Sie verbinden unsere Länder auf das Engste miteinander, und so wie Sie wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass die Ukraine in Frieden leben kann, in einem gerechten Frieden, der auf Dauer hält. Dieser Wunsch eint uns, und daran arbeiten wir gemeinsam weiter; denn jeder Kriegstag ist einer zu viel.

Schönen Dank!