Statement des Kanzlers
Kanzler Scholz hat sich zu den aktuellen weltpolitischen Ereignissen geäußert. Neben der Frage, wie es einen gerechten Frieden in der Ukraine geben kann, thematisierte er auch fundamentale Fragen zur Sicherheit Europas sowie zur Zukunft und Finanzierung der NATO.
- Mitschrift Pressekonferenz
- Freitag, 14. Februar 2025

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einem Statement Stellung zu den aktuellen weltpolitischen Ereignissen bezogen.
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
In einem Statement hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz zu aktuellen weltpolitischen Ereignissen geäußert. Zunächst thematisierte er die Frage, wie es einen gerechten Frieden in der Ukraine geben kann. „Der russische Krieg gegen die Ukraine muss so schnell wie möglich enden”, sagte der Kanzler. Zudem müsse ein Frieden langfristig halten und die Souveränität der Ukraine sichern. „Deshalb wird ein Diktatfrieden niemals unsere Unterstützung finden”, so der Bundeskanzler.
Auch zur Sicherheit Europas sowie zur Zukunft und der Höhe der Verteidigungsausgaben in der NATO äußerte sich Kanzler Scholz. „Mit der NATO haben wir die stärkste Verteidigungsallianz geschmiedet, die es in unserer Geschichte jemals gab.” Diese starke Allianz solle erhalten bleiben. „Das liegt in unserem ureigenen Interesse; denn ohne Sicherheit ist alles andere nichts”, sagte der Kanzler.
Lesen Sie hier das Wichtigste in Kürze:
Europas Rolle bei Friedensverhandlungen für die Ukraine: Die Europäer seien der stärkste Unterstützer der Ukraine. Jedwede Verhandlungen gingen die Europäer unmittelbar an, so der Kanzler. Daher herrsche Einigkeit in Europa: „Nichts über die Ukraine ohne die Ukrainer und nichts über Europa ohne die Europäer.“ Zur Absicherung eines dauerhaften Friedens würden Europäer und transatlantische und internationale Partner gleichermaßen gebraucht.
Rolle der NATO für die Sicherheit: Die starke NATO solle erhalten bleiben, dazu habe auch der amerikanische Präsident seinen Willen klar betont. „Zugleich haben die Amerikaner recht, wenn sie von uns Europäern erwarten, dass wir mehr zur Stärke der Allianz und damit zur Sicherheit Europas beitragen”, so Scholz. Nur dann bliebe Europa für die USA ein Verbündeter auf Augenhöhe. Entsprechend werde Deutschland in Zukunft mehr in die eigene Sicherheit und in die Sicherheit der NATO investieren.
Sehen Sie hier das Statement des Kanzlers im Video:
Video
Lesen Sie hier die Mitschrift des Statements:
Bundeskanzler Olaf Scholz:
Meine Damen und Herren, vielen Dank, dass Sie dieser Einladung kurzfristig gefolgt sind! Zu dem furchtbaren Attentat in München habe ich mich heute Nachmittag bereits geäußert. Ich unterstreiche jeden Satz. Es muss konsequent gehandelt werden. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Den Ergebnissen will ich nicht vorgreifen. Aber unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Einige der Opfer wurden sehr, sehr schwer verletzt.
Ich möchte auch zu den weltpolitischen Ereignissen Stellung nehmen, die sich in den zurückliegenden 24 Stunden ereignet haben.
Präsident Trump hat Gespräche mit Präsident Putin über ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aufgenommen. Fast zeitgleich hat der amerikanische Verteidigungsminister der Ukraine Gebietsabtretungen nahegelegt. Er hat auch über die Entsendung von Truppen gesprochen. Zudem hat er klare Erwartungen an uns Europäer formuliert, um den Erfolg der NATO, um 75 Jahre Friedenssicherung im nordatlantischen Raum auch in Zukunft fortzuschreiben. Das kommt für uns nicht unerwartet. Dennoch erfordern diese Ereignisse und Vorschläge eine klare, schnelle und entschlossene Positionierung Europas, nicht irgendwann, sondern jetzt.
Eines möchte ich voranstellen. Dass Präsident Trump und der russische Präsident gestern direkt miteinander gesprochen haben, ist richtig. Auch ich habe in der Vergangenheit immer wieder Gespräche mit dem russischen Präsidenten geführt. Es ist wichtig, ihm unsere Erwartungen an einen gerechten Frieden in der Ukraine und einer Rückkehr zur europäischen Friedensordnung zu vermitteln, einer Friedensordnung, in der Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden.
Mit dem amerikanischen Präsidenten bin ich mir ebenso einig: Der russische Krieg gegen die Ukraine muss so schnell wie möglich enden. Das Sterben und das Blutvergießen müssen ein Ende haben. Wir wissen: Niemand sehnt sich mehr nach Frieden als die Ukraine.
Aber zugleich ist völlig klar: Ein Sieg Russlands oder ein Zusammenbruch der Ukraine schaffen keinen Frieden, im Gegenteil. Dadurch gerieten Frieden und Stabilität in Europa in Gefahr, auch weit über die Ukraine hinaus. Deshalb müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern unsere Interessen in den bevorstehenden Verhandlungen selbstbewusst und engagiert vertreten. Denn sie gehen uns unmittelbar an. Wir Europäer sind es, die die Ukraine am stärksten unterstützen, und zwar so lange, wie dies nötig ist, und auch über einen möglichen Friedensschluss hinaus. Nichts über die Ukraine ohne die Ukrainer und nichts über Europa ohne die Europäer. Das gilt. Darin sind wir uns mit allen unseren Freunden und Partnern in Europa einig.
Um es klar zu sagen: Ein Frieden muss langfristig halten. Er muss die Souveränität der Ukraine sichern. Deshalb wird ein Diktatfrieden niemals unsere Unterstützung finden. Wir werden uns auch auf keine Lösung einlassen, die zu einer Entkopplung europäischer und amerikanischer Sicherheit führt. Davon würde nur einer profitieren: Präsident Putin.
Eines ist für mich völlig klar: Jede Verhandlungslösung muss es der Ukraine ermöglichen, künftig über Streitkräfte zu verfügen, die jeden erneuten russischen Angriff abwehren können. Darin steckt eine erhebliche Herausforderung, finanziell, materiell und logistisch. Das würde die finanziellen Möglichkeiten der Ukraine auf absehbare Zeit übersteigen. Wir Europäer und unsere transatlantischen und internationalen Partner werden dabei gebraucht.
Die enge Abstimmung innerhalb Europas ist in diesen Tagen so wichtig wie selten zuvor. Mit dem polnischen Ministerpräsidenten habe ich heute Nachmittag bereits gesprochen. Weitere Gespräche sind geplant, auch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Neben der Frage, wie es einen gerechten Frieden in der Ukraine geben kann, geht es schließlich auch um fundamentale Fragen der Sicherheit Europas und der Zukunft der transatlantischen Allianz.
Für mich als deutschen Bundeskanzler ist eines ganz klar: Wir müssen alles daransetzen, damit in Deutschland niemals wieder Krieg herrscht. Ich weiß, das sind ungewohnte und für viele sicherlich auch beunruhigende Worte aus dem Mund des Bundeskanzlers. Aber in dieser Lage gehört diese Aussage zur Wahrheit dazu. Denn es geht in diesen Tagen um Krieg und Frieden in Europa.
Seit mehr als sieben Jahrzehnten leben wir in Frieden. Das ist ein unschätzbares Glück. Mit der NATO haben wir die stärkste Verteidigungsallianz geschmiedet, die es in unserer Geschichte jemals gab. Wir wollen diese starke Allianz erhalten. Auch der amerikanische Präsident hat seinen Willen dazu klar betont, und dafür bin ich dankbar.
Zugleich haben die Amerikaner recht, wenn sie von uns Europäern erwarten, dass wir mehr zur Stärke der Allianz und damit zur Sicherheit Europas beitragen. Das liegt in unserem ureigenen Interesse; denn ohne Sicherheit ist alles andere nichts.
Auch deshalb habe ich vor drei Jahren in meiner Zeitenwende-Rede im Bundestag angekündigt, dass Deutschland in Zukunft wesentlich mehr in die eigene Sicherheit und in die Sicherheit des transatlantischen Bündnisses investiert. Das haben wir getan: mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, mit einer klaren Neuausrichtung unserer Streitkräfte auf die Landes- und Bündnisverteidigung, mit Rückversicherungsmaßnahmen für unsere Alliierten wie der Stationierung einer Brigade in Litauen. Das alles bleibt richtig. Das alles dient dazu, Russland von einem Angriff auf uns in Europa abzuschrecken.
Zugleich war immer klar: Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr kann nur ein erster Schritt sein, um die allerdrängendsten Defizite zu beheben, die sich bei der Bundeswehr in den Jahren seit der Wiedervereinigung aufgetürmt haben. Damit Europa für die USA ein Verbündeter auf Augenhöhe ist und bleibt, müssen wir erheblich mehr leisten – für unsere Sicherheit, damit wir weiter in Frieden leben können. Wie viel mehr wir für unsere Verteidigung ausgeben müssen, muss sich daraus ableiten, welche Fähigkeiten wir brauchen, um Deutschland und die NATO vor jedem möglichen Angriff zu schützen.
Völlig unzweifelhaft ist: Unsere Verteidigungsausgaben müssen weiter deutlich aufwachsen. Allein um das 2-Prozent-Ziel der NATO zu halten, brauchen wir ab 2028 30 Milliarden zusätzlich aus dem Bundeshaushalt. Jedes weitere Prozent, das wir zusätzlich für unsere Verteidigung ausgeben, entspricht nach jetzigem Stand noch einmal 43 Milliarden Euro mehr. Das sind gewaltige Beträge; bis Ende dieses Jahrzehnts reden wir über dreistellige Milliardensummen.
Jeder, der behauptet, solche Summen könne man durch Einsparungen von zwei Milliarden hier und einer halben Milliarde dort aus dem laufenden Haushalt heraussparen, der streut den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen. Schlimmer noch: Der drückt sich um die wichtigste Zukunftsfrage herum, die es überhaupt gibt, die Frage nämlich, ob wir auch künftig in Frieden leben werden oder nicht.
Durch die Ereignisse der letzten 24 Stunden und die Äußerungen der amerikanischen Regierung kann die Antwort auf diese Frage nicht länger vertagt werden. Wir müssen sie geben, und zwar jetzt. Seit Wochen und Monaten fordere ich Klarheit, wie wir unsere Sicherheit verlässlich finanzieren, und ich habe Vorschläge gemacht, wie das gehen kann:
Erstens: Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung davon auszunehmen. Ich erwarte von den anderen demokratischen Parteien, dass sie diesen Vorschlag unterstützen. Es geht um den Frieden und die Sicherheit unseres Landes.
Zweitens: Der Bundestag sollte schnellstmöglich einen Beschluss fassen, wonach der Krieg in der Ukraine und seine schwerwiegenden Folgen für die Sicherheit Deutschlands und Europas als Notlage im Sinne des Artikels 115 Absatz 2 des Grundgesetzes eingestuft werden. Das führt dazu, dass unsere Unterstützung für die Ukraine, die heute wichtiger ist denn je, nicht länger zulasten der anderen Aufgaben geht, die unser Staat gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern zu erfüllen hat.
Drittens: Wir werden die Diskussion innerhalb der Europäischen Union voranbringen, wie wir Investitionen in unsere Verteidigung und den Aufbau einer starken europäischen Verteidigungsindustrie wirklich hinbekommen. Wichtig ist, dass wir schnell zu wirksamen Ergebnissen kommen.
Ich habe als Bundeskanzler den Eid geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Am 24. Februar 2022 habe ich deshalb tiefgreifende Entscheidungen getroffen, um kraftvoll auf die Zeitenwende zu reagieren, die Russlands Angriffskrieg bedeutete. Heute stehen wir erneut an solch einem Punkt. Heute müssen wir uns der Realität stellen, die das Handeln und die Ankündigungen der US-Regierung für die Ukraine, für Europa und für die Welt bedeuten. Nicht zu handeln hieße, die Sicherheit unseres Landes und unseres Kontinents aufs Spiel zu setzen, und das lasse ich in dieser für unser Land kritischen Phase nicht zu.
Schönen Dank!