Sehr geehrter Herr Schleweis,
sehr geehrter früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi,
sehr geehrte Damen und Herren, die Sie hier die Sparkassen – 384 an der Zahl – vertreten, teilweise auch die Kommunen und Landkreise, in denen Sparkassen ihren Sitz haben! Ich habe gehört, dass aus meinem Wahlkreis der Stralsunder Oberbürgermeister hier ist, habe ihn aber in dieser Menge nicht gesehen. Ich grüße ihn stellvertretend für alle anderen Kommunalvertreter!
Ich freue mich, dass ich hier sein kann. Danke auch für den spektakulären Empfang, Herr Schleweis! Die Sparkassen haben immer ein sehr gutes Hallengefühl und ein gutes Design.
Dieses Mal geht es bei Ihrem Sparkassentag um moderne Lebenswelten. Es ist ja sehr wichtig, dass wir hier auch über das, was vor uns liegt und was wir zu tun haben, reden. Sie haben das Motto „Gemeinsam allem gewachsen“. Das zeigt, dass Sie mutig in die Zukunft schauen – in eine Zukunft, die uns allen natürlich sehr viel Veränderung abverlangt. Wenn ich an die 384 Sparkassen denke, dann sehe ich, dass diese sehr viel mit dem zu tun haben, das auch die Bundesregierung umtreibt, nämlich mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Wir spüren, dass die Veränderungen dazu führen, dass die Diversität in unserem Land wächst, dass sich Menschen in ländlichen Räumen zurückgelassen fühlen, während in den Ballungszentren ganz andere Probleme im Zusammenhang mit bezahlbarem Wohnen und Mieten auftreten, und dass Sie auch diejenigen sind, die für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse mit sorgen können.
Deshalb meine Bitte: Auch wenn Sie 2018 erneut ein gutes Ergebnis erwirtschaftet haben, auch wenn Sie Ihr Kreditgeschäft mit Unternehmen und Selbstständigen weiter gesteigert haben, auch wenn wir uns noch einmal vor Augen führen sollten, dass Sie immerhin über 40 Prozent aller Unternehmenskredite vergeben – bleiben Sie der Fläche gewogen! Das ist sehr wichtig, denn mehr als die Hälfte der Menschen lebt in der Fläche. Ich weiß, dass das leichter gesagt, als getan ist. Auch Sie, Herr Schleweis, kennen den Reformbedarf, dem man sich stellen muss. Aber Sparkassen sind eine wichtige Stütze des deutschen Finanzmarkts – auch gerade da, wo die Bevölkerungsdichte zum Teil geringer ist.
Für eine starke Wirtschaft brauchen wir einen guten Finanzmarkt. Deshalb will ich – so wie ich auf jedem Sparkassentag, den ich besucht habe, immer wieder gesagt habe – noch einmal ein deutliches Bekenntnis zum Drei-Säulen-Modell abgeben. Jede Säule für sich muss stark und wettbewerbsfähig sein. Ich denke, dass wir uns die Vielfalt an dieser Stelle im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur leisten können, sondern auch leisten sollten.
Manchmal – ich bin auch selbst nicht gefeit vor solchen Klagen – sagt man: Deutschland hat so ein kompliziertes System mit einer großen Vielfalt, einem föderalen System, einer Selbstverwaltung der Kommunen und mit verschiedenen Bundesländern. Es gibt immer wieder viele Ärgernisse, die wir zu überwinden haben. Aber das Ganze gibt unserem Land doch eine besondere Stabilität. Diese Stabilität bewährt sich auch in Krisensituationen. Deshalb sollten wir, denke ich, uns zu dieser Kompliziertheit und Vielfalt bekennen.
Meine Damen und Herren, Sie bei den Sparkassen haben oft langfristige und sehr verlässliche Kundenbeziehungen. Sie bieten Finanzdienstleistungen für Unternehmen, Selbstständige, Bürgerinnen und Bürger an und genießen großes Vertrauen. Ich bitte Sie, dass Sie dieses Vertrauen pfleglich behandeln. Das tun Sie. Ich danke Ihnen auch dafür. Denn Vertrauen kann in unserer heutigen Zeit sehr, sehr schnell verloren gehen. Jeder, der sich mit den Herausforderungen der Landesbanken beschäftigt hat, weiß, wie schnell man in eine schwierige Lage kommen kann. Ich will das jetzt nicht vertiefen. Aber die Sparkassen vor Ort haben sehr viel Vertrauen auch über die schwierige Zeit der Finanzkrise gerettet. Dafür will ich ausdrücklich danke sagen. Sie stehen auch heute noch vor riesigen Herausforderungen, die indirekt immer noch etwas mit der globalen Finanzkrise zu tun haben. Ich meine vor allem das sehr niedrige Zinsniveau, das wir im Augenblick haben. Diesen Herausforderungen müssen Sie sich stellen.
Meine Damen und Herren, damit bin ich, zumal ich hier in Hamburg bin, bei einem Thema, mit dem wir uns natürlich auch sehr intensiv befasst haben. Denn wir hatten hier ja das G20-Treffen 2017. Beim Sparkassentag geht es auf den Straßen etwas ruhiger zu als während des G20-Treffens. Das spricht auch für das Vertrauen, das man Ihnen entgegenbringt. Aber dieses G20-Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs ist im Grunde als Folge der globalen Finanz- und Bankenkrise entstanden. Bis dahin gab es G20-Treffen nur auf der Ebene der Finanzminister. Angesichts der Größe der Herausforderung habe ich mit dem damaligen Präsidenten George Bush besprochen, dass wir ein solches Treffen unbedingt auch auf Ebene der Staats- und Regierungschefs brauchen. Wir haben damals vieles in eine globale Ordnung zu bringen versucht, um die Risiken zu minimieren. Auch daraus sind neue Herausforderungen erwachsen, die auch Sparkassen betreffen.
Die Finanzmärkte sind in einem großen Wandel begriffen. Ich will einige der Herausforderungen nennen. Ich will mit einem Thema beginnen, das sehr gut in die augenblickliche Diskussion passt. Es heißt „Sustainable Finance“ – also nachhaltige Finanzen. Wir alle erleben in diesen Tagen die berechtigte Ungeduld der Jugend, die darauf drängt, dass wir uns mit den Fragen des Klimawandels und auch des Artenschutzes intensiver und entschiedener befassen. Antworten darauf werden wir nicht allein auf der Umweltschiene finden, weil diese Fragen alle Bereiche auch der Wirtschaft durchdringen. Daher gilt es etwa auch, das Thema klimabezogene Risiken auf den Finanzmärkten besser abzubilden, nachhaltige Finanzinstrumente zu stärken und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Sustainable Finance hilft einerseits, die Effizienz und Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen. Andererseits trägt es dazu bei, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und auch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Das sind zwei entscheidende Gründe dafür, dass die Bundesregierung im Februar dieses Jahres beschlossen hat, eine Strategie mit dem Ziel zu entwickeln, Deutschland zu einem der führenden Sustainable-Finance-Standorte zu entwickeln. Ich lade Sie als Sparkassen ein, bei denen, die Ihre Kunden sind, ganz bewusst dafür zu werben.
Es ist natürlich nicht nur eine nationale Frage, Finanzflüsse kompatibel mit dem Ziel einer kohlenstoffarmen und klimaschonenden Entwicklung zu machen. Daher sind wir natürlich auch auf europäischer Ebene aktiv. Die Europäische Kommission hat einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums auf den Tisch gelegt. Jetzt geht es darum, ihn möglichst sachgerecht, wirkungsvoll und praktikabel umzusetzen. Es kann ja kein Zweifel daran bestehen, dass das heutige Finanzmarktsystem Nachhaltigkeitsaspekte noch nicht ausreichend integriert. Die Anreize, in wirklich nachhaltige Projekte zu investieren, reichen noch lange nicht aus. Deshalb möchte ich Sie ermuntern, auch in diese Richtung zukunftszugewandt zu denken und Wachstum und Klimaschutz kompatibel zu machen. Das ist eine der ganz großen Aufgaben unserer Zeit.
Wir als Bundesregierung und ich ganz persönlich setzen dabei auch auf technologischen Fortschritt. Wir wollen Fortschritt nicht gegen Klimaschutz und Artenvielfalt ausspielen, vielmehr brauchen wir ihn für beides. Denken wir zum Beispiel an erneuerbare Energien und Effizienztechnologien. Deutschland ist dabei an vielen Stellen durchaus führend mit dabei. Aber damit werden wir uns in den nächsten Jahren sicherlich noch viel intensiver beschäftigen müssen. Hinzu kommt die digitale Revolution. Sie ermöglicht uns vieles, was wir vorher nicht konnten, aber sie stellt uns auch vor völlig neue Herausforderungen. Auch Sie bei den Sparkassen müssen natürlich aufpassen, dass Sie die Herausforderungen der Digitalisierung beherrschen; und zwar so beherrschen, dass Sie nicht überall Filialen schließen und davon ausgehen, dass der Kunde schon irgendwie übers Internet zu Ihnen gelangt, ganz davon abgesehen, dass wir im ländlichen Raum damit zum Teil noch hinterher sind.
Die Geschäftsmodelle verändern sich. Umso wichtiger ist es, dass wir bei FinTech eine Vorreiterrolle einnehmen. Deshalb ist die Bundesregierung dabei, ein Eckpunktepapier zum Beispiel zur Einführung elektronischer Wertpapiere und Ähnliches zu erarbeiten. Wir können heute noch nicht ganz ermessen, welche Möglichkeiten sich aus FinTechs, BigTechs und Blockchain-Technologien ergeben und wie sich auch das Kundenverhalten verändern wird. Ich denke aber, Sie werden in ganz besonderer Weise davon betroffen sein, da Sie eine große Bandbreite an Kunden haben: junge, innovative Kunden, die Start-ups führen, die in diesem Bereich sehr agil sind und von Ihnen vieles erwarten, und gleichzeitig Kunden, die im Augenblick Angst haben, abgehängt zu werden, weil sie sozusagen noch im klassischen Denken verfangen sind. Wir sind ja in einer Umbruchzeit. Man benützt das Wort „disruptiv“ heute etwas leichtfertig, aber wir sind ja wirklich in einer Umbruchzeit. Diese Umbruchzeit so zu gestalten, dass die Menschen mitgenommen werden, und zwar in allen Altersgruppen, in allen Ausbildungsgruppen, das ist eine der ganz großen Herausforderungen.
Deshalb haben auch Sie in Ihren Sparkassen natürlich ganz neue Aufgaben. Wir müssen ja feststellen, dass wir als Ältere heute diejenigen sind, die sich von den Jungen vieles abschauen müssen. Das ist ein völlig neues Lernverhalten. Das heißt, Sie müssen die, die Sie in Ihren Sparkassen jung einstellen, ermuntern, offen für neue Technologien zu sein, und gleichzeitig alte Strukturen evolutionär dahin verändern, wohin sie verändert werden müssen. Das heißt, dass Sie innovativ sein und gleichzeitig das Ganze im Blick behalten müssen. Wir brauchen Automatisierung von Prozessen. Wir brauchen Anpassung von Bankdienstleistungen an veränderte Kundenerwartungen. Wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Institutsgruppen, um im Zahlungsverkehr beim E-Commerce gegenüber den Internetgiganten mithalten zu können. Das alles ist leichter gesagt, als getan. Aber wer sich neuen Entwicklungen verschließen würde, könnte seine Filialen vielleicht bald auch schließen müssen. Deshalb dürfen Sie sich nicht verschließen; und Sie dürfen auch nicht zu viele Filialen schließen. Deshalb, meine Damen und Herren, gilt es für Sie, eigenständige Unternehmenslösungen zu finden, die den Risiken standhalten. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass Sie hier vieles zu diskutieren haben.
Hinzu kommen Sicherheitsaspekte, die Cybersicherheit, die immer wichtiger werden. Denn viele Verbraucher fragen sich etwa, wie sicher ihre Banking-App vor einem Zugriff Dritter ist. Die IT-Infrastruktur gegen Cyberangriffe abzusichern, ist eine große Herausforderung für die Finanzinstitute. Natürlich haben Sie auch ein großes Interesse daran, dass wir seitens der Bundesregierung mit der Digitalisierung vorankommen. Denn Sie können Ihren Kunden ja nur das anbieten, was auch praktikabel und machbar ist. Das Thema weiße Flecken, die Frage, wie wir flächendeckend schnelles Internet hinbekommen, ist auch eines der ganz großen Themen, das uns umtreibt.
Ich will an dieser Stelle allerdings, weil hier sehr viele kommunale Vertreter anwesend sind, noch einmal daran erinnern, dass die Bewältigung neuer technologischer Entwicklungen nicht nur eine Aufgabe der Bundesregierung ist. Wir haben in Bund, Ländern und Kommunen noch gar nicht ausreichend darüber gesprochen, wer denn qualitative Veränderungen in welchem Ausmaß meistern muss. Wenn es um Digitalisierung oder zum Beispiel um Elektromobilität geht, dann kann es nicht ausschließlich die Aufgabe des Bundes sein, alle Innovationen durchzusetzen, sondern vom Bürgermeister und vom Landrat an bis hin zu den Ländern und zum Bund müssen wir diese Aufgabe gemeinsam angehen.
(Vereinzelter Beifall)
– Die kommunalen Spitzenverbände klatschen noch nicht. Aber es ist so. –
(Heiterkeit und Beifall)
Wir sind ein föderales Gebilde; und ortsspezifische Lösungen werden wir kaum finden, wenn wir alles von der Berliner Zentrale aus mit der Gießkanne machen, sondern sie müssen eben auch vor Ort erarbeitet werden. Sie werden zugeben, dass die Bundesregierung durchaus ein großes Herz für Kommunen hat. Ich könnte jetzt sagen, wenn es die Länder dazwischen nicht gäbe, dann wäre alles noch einfacher, aber das sagt sich leicht in einer Hansestadt und dann, wenn kein Ministerpräsident in der Nähe ist. Verraten Sie mich also nicht weiter.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass gerade beim Thema IT-Sicherheit und bei Digitalisierung insgesamt nationale Maßnahmen allein natürlich nicht ausreichen. Deshalb setzen wir uns auch im Rahmen von G7 und G20 für einen verbesserten Schutz gegen Cyberangriffe im Finanzdienstleistungssektor ein. Das wird auch in Zukunft eine sehr große Aufgabe bleiben. Cybersicherheit ist Vertrauenssache. Und Vertrauen allgemein ist, wie ich eingangs schon sagte, mit das wichtigste Kapital von Finanzinstituten. Dieses dürfen wir nach der internationalen Finanzkrise nicht noch einmal verspielen. Wir wissen, dass die Finanzmärkte auch heute immer wieder großen Risiken ausgesetzt sind.
Deshalb haben wir die notwendigen Lehren zur Regulation und Aufsicht zu ziehen versucht. Wir haben die Lektion gelernt und mit den Finanzmarktreformen bereits viel erreicht. Allerdings ist wieder eine Tendenz spürbar, diese Lektion ein wenig zu vergessen. Vor allen Dingen ist es uns nicht ausreichend gelungen – damit bin ich bei einem Thema, das Sie sehr umtreibt, nämlich Basel III –, das „level playing field“ international wirklich so durchzusetzen, wie es eigentlich notwendig wäre. Hier ist also weiterhin Arbeit notwendig.
Wir haben uns in Europa entschieden, die Dinge europaweit gemeinsam zu lösen und zu regeln. Das ist auch notwendig, wenn man eine gemeinsame Währung hat. Ich will das ausdrücklich sagen. Ich denke, wir sind uns einig, gerade wenige Tage vor der Europawahl, dass die gemeinsame Währung für uns eine Friedenssicherung ist. Länder, die eine gemeinsame Währung haben, führen keinen Krieg gegeneinander. Das zeigt die Geschichte. Insofern ist der Euro weit mehr als eine Währung. Er ist ein großer gegenseitiger Vertrauensbeweis. Aber er erfordert natürlich auch, dass dieses Vertrauen von jedem einzelnen Mitglied des Euroraums gerechtfertigt wird. Deshalb nehme ich Ihre Worte sehr ernst und unterstütze es, dass gemeinsames Handeln nicht darauf beruhen kann, dass man sozusagen die Risiken gemeinsam trägt und keine Verantwortung dahinter ist. Deshalb muss als Erstes jeder bei sich zu Hause das ganze Haus in Ordnung halten. Das ist das Prinzip, mit dem die Bundesregierung in diese Diskussionen hineingeht.
Wir arbeiten also an einer Bankenunion. Wir arbeiten an einer Kapitalmarktunion. Ich würde mich freuen, wenn Sie als Vertreter der Sparkassen auch ein gutes Wort für diese Kapitalmarktunion einlegen. Es gibt viele Diskussionen, in denen beispielsweise gesagt wird: „Warum müssen wir denn italienischen Unternehmen Kredite geben? Es ist doch gut, wenn das national stattfindet.“ – Letztlich ist es für den Wettbewerb und für die Konvergenz innerhalb der Europäischen Union nicht gut. Deshalb ist die Kapitalmarktunion wichtig. Bei der Bankenunion geht es vor allen Dingen um Risikoabbau. Deshalb müssen wir den Risikoabbau auch mit der entsprechenden Entschlossenheit angehen. Das bedeutet, dass wir den Abbau von notleidenden Krediten in der EU und die adäquate Regulierung auch der Risiken, die sich aus den Staatsanleihen ergeben, vorantreiben. Das ist ein zum Teil mühseliges Geschäft. Aber wir sind dabei vorangekommen. Ich darf Ihnen sagen, dass wir als Bundesregierung immer versucht haben, die Besonderheit unseres Bankensystems, nämlich auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip, mit Blick auf die Sparkassen durchzusetzen. Das ist eine schwierige Aufgabe in der Europäischen Union, weil wir ein Finanzsystem haben, das so in vielen Ländern nicht bekannt ist. Aber ich hoffe, Herr Schleweis, dass Sie mit unseren Bemühungen einigermaßen zufrieden sind. Wir werden auch weiterhin sehr genau auf Sie hören.
Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Bankenpaket nun eine Definition für sogenannte kleine, nicht komplexe Institute enthält. Maßgeblich sind eine Bilanzsumme von maximal fünf Milliarden Euro sowie qualitative Kriterien. Das ist vielleicht auch ein kleiner Schutzschild, um nicht zu viele Sparkassen zusammenzulegen und zu große Konglomerate daraus zu machen, sondern auch die kleinen Sparkassen zu achten und zu schützen.
Der Grundstein ist also gelegt, dass den Instituten künftig gezielt dort Erleichterungen eingeräumt werden, wo der Verwaltungsaufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen der Aufsicht steht. Daran können wir anknüpfen und unverhältnismäßige Lasten in der Regulierung für kleine, nicht komplexe Institute weiter senken. Allerdings vermute ich, dass wir so, wie ich die europäischen Regulierungen kenne, bei der Implementierung dieser Regelungen noch einmal aufpassen müssen. Wir stehen ja in einem engen Diskussionsprozess.
Wir können also insgesamt festhalten: Die Banken in Europa haben ihr Eigenkapital gestärkt; sie sind stabiler als vor der Finanzkrise. Die Konsolidierung des Bankenmarkts ist in vollem Gange. Den Banken in Europa ist es letztes Jahr gelungen, ihre Gewinne zu erhöhen; und zwar trotz eines schwierigen Umfelds.
Wir haben natürlich verschiedene Unsicherheiten zu bewältigen. Eine hängt mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zusammen. Wir haben die Austrittsfrist bis zum 31. Oktober 2019 verlängert. In der Abwägung der Entscheidungsmöglichkeiten ist es aus meiner Sicht die beste Variante, den Briten einfach etwas mehr Zeit zu geben, um ihren eigenen Weg aus der Europäischen Union zu finden, sich aber vor allen Dingen auch darüber klar zu werden, welches Verhältnis Großbritannien in Zukunft zur Europäischen Union entwickeln will.
Aus meiner Sicht ist die Phase, in der wir jetzt sind, eine sehr entscheidende Phase. Wir erleben zum ersten Mal, dass ein Land die Europäische Union verlassen wird. Premierministerin Theresa May hat mit Recht gesagt: Wir verlassen nicht Europa, sondern wir verlassen die Europäische Union. Da Europa immer auch sehr viel mit Krieg und Frieden und zukünftigen Beziehungen zu tun hat, ist es mir sehr, sehr wichtig, dass dieser Prozess des Austritts Großbritanniens selbstbestimmt durch Großbritannien geführt wird, auch was die zeitlichen Rahmenlinien angeht, damit später in der Geschichtsschreibung nicht festgehalten werden muss, dass die Europäische Union eine drängende, Großbritannien verletzende Rolle eingenommen hat. Ich glaube, das ist ein sehr sensibler Moment, der für die Beziehungen, die wir in Zukunft zueinander haben, sehr entscheidend sein wird.
Nichtsdestoweniger haben sich einige Finanzmarktakteure bereits entschieden, ihr Geschäft zu verlagern bzw. woanders aufzubauen. Davon profitiert auch der Finanzstandort Deutschland. Das alles ändert aber nichts daran, dass der Austritt Großbritanniens aus meiner Perspektive letztendlich ein Verlust ist. Diese kleinen Gewinne machen das natürlich nicht wett.
Meine Damen und Herren, das ist aber nicht die einzige Herausforderung, vor der wir stehen. Ihr heutiges Motto lautet: „Gemeinsam allem gewachsen“. Das zeigt, dass Sie glauben, dass man die Probleme lösen kann. Ich glaube das auch, will aber nicht darum herumreden, dass die Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit auf globaler Ebene nicht einfacher geworden sind und dass der Grundgedanke, der uns seit Jahrzehnten getragen hat, nämlich dass nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, nach der Katastrophe des Nationalsozialismus, nur eine gemeinsame Herangehensweise Frieden und Sicherheit liefert, nicht mehr unbestritten ist. Man muss heute wieder für diesen Grundgedanken kämpfen. Mir ist es sehr wichtig, dass wir alle dies tun; denn das kann Politik nicht alleine. Das versetzt uns eigentlich in die Lage, noch einmal sozusagen von Grund auf zu begründen, warum es wichtig ist, global miteinander zusammenzuarbeiten, warum es wichtig ist, in Europa miteinander zusammenzuarbeiten, und warum keiner von uns – auch nicht das größte Land – die großen Probleme allein lösen kann. Gerade in diesen Tagen, in denen wir ja auch an 70 Jahre Grundgesetz denken, erweist sich das als eine ganz wichtige Aufgabe, vor der wir stehen.
Ich werde mich und die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass wir gerade in einer Zeit, in der es wieder umkämpft ist, ein klares und starkes Bekenntnis zum Multilateralismus abgeben. Wir werden ansonsten wieder anfangen, gegeneinander zu arbeiten, schlecht übereinander zu reden, zu pauschalisieren und zum Schluss in immer weitere Spannungen hineinzugehen. Wir alle haben in Büchern wie „Die Schlafwandler“ gelesen, wie es zum Ersten Weltkrieg gekommen ist. Es heißt auch in der heutigen Zeit, aufmerksam zu sein – sehr aufmerksam zu sein – und immer wieder zu versuchen, sich auch in die Situation des anderen hineinzuversetzen. Denn anders kann man Probleme weltweit nicht lösen.
Wir haben uns deshalb in unserer G20-Präsidentschaft und auch in der Begleitung der nachfolgenden Präsidentschaften immer wieder dafür eingesetzt, globale Aufgaben auch global zu lösen. Das gilt nicht nur für die Finanzmärkte, sondern das gilt für die Gesamtheit aller globalen Probleme. Da Sie ja besonders gut prosperieren, wenn die internationale Wirtschaft gut funktioniert, sind gerade auch die Fragen des Handels und des Protektionismus hier ein ganz wichtiges Thema. Wir haben damals die internationale Finanzkrise, die globale Bankenkrise, nur deshalb gelöst bekommen, weil wir als G20, als die führenden Industrieländer, zusammengearbeitet haben. Wenn ich sehe, wie im Augenblick die Handelsbarrieren wieder wachsen, wie Protektionismus wieder salonfähig wird, wie schwierig es ist, die Welthandelsorganisation zu gemeinsamen Beschlüssen zu bringen oder überhaupt ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten, dann zeigt sich daran, dass dieser Kampf keineswegs gewonnen ist. Aber wir müssen ihn trotzdem führen.
Ich habe gerade erst in der letzten Woche den Hamburger Hafen besucht. Dort können Sie sozusagen seismographisch sehen, wie das Wirtschaftswachstum und der Wohlstand Deutschlands davon abhängen, ob wir international zusammenarbeiten oder ob es Friktionen im internationalen Handel gibt. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir als Europäische Union doch eine ganze Reihe von Handelsabkommen abschließen konnten. Jedes Mal, wenn uns das zwischen der EU und einem anderen Land gelungen ist, ob es nun Südkorea oder Kanada ist – das mit Japan ist vor kurzem fertig geworden –, haben wir davon profitiert. Deshalb haben wir uns als Bundesregierung auch dafür eingesetzt, Handelsgespräche mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu suchen. Es war kein einfacher Vorgang, hierfür innerhalb der Europäischen Union ein gemeinsames Mandat zu bekommen. Aber wir setzen auf solche Gespräche, weil wir glauben, dass sie uns insgesamt weiter voranbringen.
Deutschlands Wohlstand und damit auch der Wohlstand jedes einzelnen Bürgers hängt auch ganz wesentlich mit der Stärke unserer Exportwirtschaft zusammen. Deshalb werden wir in unserer Politik weiter darauf setzen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben. Das ist für die Europäische Union eine der zentralen Aufgaben. Wir sind, muss man ganz klar sagen, heute nicht innovativ genug. Wir sind vor allen Dingen im Handeln der Europäischen Union nicht schnell genug. Aber es ist sozusagen aus meiner Sicht ohne eine vernünftige Alternative, dass wir die Europäische Union handlungsfähiger machen, dass wir sie verbessern, dass wir innovativer werden und dass wir einen Anspruch an uns haben, nämlich dass wir, wenn wir wertegeleitet bestimmte Dinge auf der Welt durchsetzen wollen – Stichwort Klimaschutz, Stichwort Sicherheit, Stichwort Handel ohne Protektionismus –, dann gemeinsam agieren müssen. Wir müssen unser Gewicht gemeinsam in die Waagschale werfen, sonst werden wir auf der Welt nichts bewegen. Da sind wir eben heute mit Partnern konfrontiert – nicht nur mit den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch mit China und Indien –, die globale Schwergewichte sind. Und da sind wir überhaupt nur über den europäischen Zusammenschluss in der Lage, diese Herausforderung zu bewältigen.
Deshalb, meine Damen und Herren, wird es mit der neuen Kommission nach der Europawahl darauf ankommen, sich auch wirklich auf die Schwerpunkte zu konzentrieren. Europa darf sich nicht um alles und jedes kümmern. Wir haben heute im Kabinett ein Gesetz zur Veränderung der Hebammenausbildung beschlossen. In Europa ist beschlossen worden, dass man nur Hebamme werden kann, wenn man zwölf Jahre zur Schule gegangen ist. Ich wage zu bezweifeln, dass das eine zentrale europäische Verantwortlichkeit ist. Aber wenn es um die Erschließung des europäischen Binnenmarkts im digitalen Bereich geht, wenn es darum geht, dass wir diesen Markt sozusagen barrierefrei und ohne Hemmnisse nutzen können, wenn es um einen gemeinsamen Energiemarkt geht, wenn es um einen gemeinsamen Datenschutz geht, dann hat Europa seine Aufgaben und seine Pflichten. Wir werden uns weltweit nur durchsetzen können, wenn wir wettbewerbsfähig und innovativ genug sind.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen danke dafür, dass Sie jeden Tag Ihre Arbeit tun. Ja, das ist ja nicht selbstverständlich. Ich meine, es gibt genügend andere Beispiele. Ich sage danke dafür, dass so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Kunden aufgebaut haben. Ich habe mir sagen lassen, dass aus jeder Sparkasse heute zwei bis drei Vertreter hier sind. Sie alle haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Grüßen Sie die ganz herzlich von diesem Sparkassentag aus. Wir sind darauf angewiesen, dass Sie alle sich den neuen Herausforderungen stellen. Arbeiten Sie gut mit Ihren Bürgermeistern und Landräten zusammen und vergessen Sie nicht, dass diese auch ein hartes Leben haben. Das heißt also, die Sparkasse muss schon auch noch so etwas wie die gute Seele einer Region und eines Ortes bleiben. Nur Effizienzgesichtspunkte alleine lösen nicht alle Probleme. Deshalb haben wir uns auch gerne für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf europäischer Ebene eingesetzt. Aber dafür möchten wir auch, dass Sie Ihrer Region wirklich verbunden bleiben und kenntnisreich mit der Bevölkerung zusammenarbeiten.
Herzlichen Dank und alles Gute für Ihre Arbeit!