Rede von Bundeskanzler Scholz anlässlich der Einweihung des Hans-Böckler-Hauses des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 10. Juli 2023 in Berlin

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Schönen Dank für die Einladung und alles Gute und alle guten Wünsche an diejenigen, die ein bisschen dafür gesorgt haben, dass dieses Haus überhaupt entstehen konnte, und zwar ‑ es wurde schon gesagt ‑ termingerecht und tariftreu! Beides ist sehr wichtig, wenn man eine solche Architektur in Empfang nimmt und dann seine Jahre darin zubringen will.

Ich will auch gern sagen, dass ich glaube, dass sich diejenigen, die das Haus geplant haben, gute Gedanken gemacht haben. Anders als der eine oder die andere bin ich nämlich fest davon überzeugt, dass auch die Demokratie ihren eigenen Ausdruck in guter Architektur finden kann und dass es schon etwas ausmacht, wenn man einen dräuenden Granitbau hat, den uns die Nazis irgendwo in Berlin hingestellt haben. Für mich war es jedenfalls etwas ganz Bedrückendes, dass ich, als ich Arbeitsminister geworden war, erst einmal feststellen musste, dass das Gebäude das ehemalige Propagandaministerium von Goebbels war. Es ist beeindruckend, zu sehen, wie Architekten unserer Zeit aus diesem Gebäude mit einer völlig veränderten Innenarchitektur auch ein Zeichen für demokratischen Austausch und Meinungsbildung und für Helligkeit gemacht haben. Aber die Räume, die damals gebaut wurden, hatten kleine Türen und hohe Flure, sodass man sich richtiggehend eingeschüchtert fühlt. Ich finde deshalb, das es schon möglich ist, mit offener und weltläufiger Architektur auch etwas der modernen Gesellschaft, für die wir stehen, und auch der Freiheit, die wir so lieben, auszudrücken. Das ist hier, soweit ich es sehen kann, gelungen. Deshalb einen herzlichen Glückwunsch an die Bauleute, aber auch an die Architektinnen und Architekten!

Als das damalige Gebäude entstand, war es auch ein Symbol. Yasmin hat es schon gesagt. Es war ein Zeichen dafür, dass es nach dem Mauerbau weitergehen sollte mit dem, was uns in der sozialen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ausmacht, zu der die Gewerkschaften so unmittelbar gehören. Demokratie kann ohne Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte nicht funktionieren. Das ist nichts, was man auf der einen Seite so und auf der anderen Seite anders haben kann. Es ist ganz wichtig, dass wir uns den Zusammenhang zwischen Demokratie und Gewerkschaften, zwischen Demokratie und den Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zwischen Demokratie und der Demokratie im Betrieb mit der betrieblichen Mitbestimmung und der Unternehmensmitbestimmung, wie sie in Deutschland entstanden sind, klarmachen. Das sind stolze Leistungen der demokratischen Kultur unseres Landes.

Ich finde es deshalb auch gar nicht so schlecht, dass ich vor Kurzem an einer Debatte mit dem Philosophen Honneth über den arbeitenden Souverän teilnehmen durfte. Das ist übrigens ein sehr empfehlenswertes Buch, wenn ich das nebenbei sagen darf. Aber es macht im Übrigen auch klar, dass das keine Welt neben der Welt ist, in der wir als Gleiche abstimmen und uns zu Wahlen bewerben, sondern es ist eine Welt, die unmittelbar die Art und Weise berührt, wie unsere Demokratie funktioniert.

Aber damals, als dieses Gebäude gebaut wurde, war es ein Symbol, ein Zeichen auch für die Freiheit. Deshalb war es seinerzeit eine mutige Entscheidung, es zu errichten. Was dazu gesagt wurde, was es architektonisch ausdrücken sollte, haben wir eben schon gehört. Aber es ist auch damals jemand gekommen, der dieses Gebäude begleitet hat, der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, der hier war und für sich ausgedrückt hat, was es zeigen soll: ein Symbol für das Vertrauen in die Zukunft Berlins. Er hat dem Deutschen Gewerkschaftsbund deshalb sehr für seine Entscheidung gedankt, das Gebäude, das vormals hier an dieser Stelle stand, zu errichten. Deshalb fand und finde ich es ganz bezeichnend, den Moment noch einmal in Erinnerung zu rufen. Wenn hier ein neues Gebäude steht, gewissermaßen auf den Füßen, auf den Fundamenten des vorherigen, dann ist es manchmal richtig, sich auch noch an den Moment zu erinnern.

Nachdem hier so viele Bilder überreicht wurden, gibt es auch eines vom Kanzler.

(Der Redner überreicht der Vorsitzenden des DGB ein gerahmtes Bild.)

Das ist ein Bild von der Eröffnung des damaligen Gewerkschaftshauses mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und ein paar Bauleuten dahinter, die mit Helm dastanden. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen. Wenn es in diesem Gebäude seine Wirkung fortsetzen kann, dann wäre das eine schöne Sache.

Ich jedenfalls wünsche den deutschen Gewerkschaften, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dir und allen Kolleginnen und Kollegen alles Gute, dass dieser Ort seine Bedeutung für unser Miteinander in unserer sozialpartnerschaftlich geprägten Welt entfalten kann und dass das Gebäude, so freundlich es auch daherkommt, ein Ausdruck von Macht ist. Alles Gute!