Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel zum Gipfeltreffen der G7-Staaten in Carbis Bay, 13. Juni 2021

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, der G7-Gipfel hier in Cornwall neigt sich dem Ende entgegen. Wir haben jetzt gerade eine Sitzung zu offenen Gesellschaften gehabt. Es wird sich noch eine Sitzung zum Klima anschließen, aber die wesentlichen Ergebnisse kann man schon zusammenfassen.

Wir haben hier über eine sehr breite Themenpalette gesprochen - erst unter den G7 und dann mit Gästen, die noch dazugestoßen sind. Man kann sagen, dass hier ein ganz eindeutiges Bekenntnis zu einer regelbasierten multilateralen Welt abgegeben wurde. Die G7 wollen sich in den großen Themen engagieren, die wir heute zu bewerkstelligen haben.

Das ist erst einmal natürlich die Bekämpfung der Pandemie. Wir waren uns einig, dass diese Pandemie nur global besiegt werden kann. Der Weg aus der Pandemie sind die Impfstoffe, und wir haben gestern noch einmal ausführlich diskutiert, dass wir den Zugang aller zu Impfstoffen sicherstellen müssen. Insofern ist es ein Signal, dass 2,3 Milliarden Impfdosen bis Ende 2022 an Entwicklungsländer verteilt werden sollen. Deutschland beteiligt sich hieran in erheblichem Maße. Diese Botschaft ist eine ganz wichtige Botschaft. Deutschland ist der zweitgrößte Geber in der Impfallianz COVAX, das heißt, wir leisten unseren Beitrag, und wir werden auch aus unseren eigenen Bestellungen mindestens 30 Millionen Dosen spenden.

Wichtig ist auch, dass wir die globale Impfstoffproduktion fördern. Auch hier ist das Instrument COVAX sozusagen als Impfsäule wichtig. Wir wollen natürlich auch, dass die Produktion nicht nur in Europa oder Asien stattfindet, sondern gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent. Ich freue mich, dass sich die Firma BioNTech gerade in diesem Bereich engagiert, so wie viele andere Firmen auch.

Für die Vermeidung künftiger Pandemien wollen wir Vorsorge treffen. Das bedeutet, die Weltgesundheitsorganisation muss gestärkt werden. Wir freuen uns sehr, dass wir in Berlin einen Hub der Weltgesundheitsorganisation bekommen, der sich gerade mit der Vorbeugung vor Pandemien beschäftigen wird. Wir haben uns hier auch dafür eingesetzt, die Idee des Ratspräsidenten der Europäischen Union Charles Michel voranzubringen, einen Pandemievertrag abzuschließen. Auch dazu bekennen wir uns hier. Insofern waren das sehr wichtige Beratungen.

Wir sind der Meinung, dass die notwendige Entwicklung nur über Bildung erfolgen kann. Hier spielt gerade die Bildung von Mädchen und Frauen eine entscheidende Rolle, und auch hier engagieren sich die G7.

Ein Thema, das wir immer wieder diskutiert haben, war die Frage: Wo haben demokratische Werte noch Defizite? Es gibt eine Vielzahl von internationalen Plätzen, an denen Demokratie nicht so gelebt werden kann, wie wir uns das vorstellen würden, und an denen Menschen leiden. Wir haben hier namentlich auch die Frage der Zwangsarbeit genannt, auch mit Blick auf China. Wir haben in unserem EU-Investitionsabkommen mit China ganz wesentlich dafür geworben und in Aussicht gestellt, dass die Kernarbeitsnorm der Internationalen Arbeitsorganisation auch von China unterschrieben wird.

Insgesamt glauben wir, dass Demokratie sich dann am besten durchsetzt, wenn wir eine regelbasierte multilaterale Kooperation haben, zu der wir alle einladen. Wir haben als G7 auch diskutiert - und das finde ich sehr wichtig -, dass auch wir zeigen müssen, dass wir ein wichtiger und erfolgreicher Faktor bei der Entwicklungsarbeit auf der Welt sind, und haben deshalb eine Infrastrukturinitiative auf den Plan gerufen, die mit einer Taskforce vorbereitet wird. Denn für die Länder, die Entwicklung brauchen, zählen natürlich nur konkrete Projekte. Ich hoffe, dass wir auf dem nächsten G7-Treffen, das ja in Deutschland stattfinden wird, solche Projekte schon vorstellen können.

Das Thema Klima und Biodiversität wird noch diskutiert. Ich freue mich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich jetzt wieder zum Pariser Abkommen bekennen. Das macht unsere Arbeit in dieser G7-Gruppe auf diesem Gebiet natürlich sehr viel einfacher. Die symbolische Botschaft dieses Treffens hier in Cornwall ist vielleicht auch, dass man sagen kann: Wir wollen agieren, wir wollen für eine bessere Welt agieren. Wir wissen, dass das nach der Pandemie notwendiger denn je ist. Wir wissen, dass das nicht einfach ist. Deshalb ist auch die Zusage gemacht worden, 100 Milliarden Euro in die ärmsten Länder zu geben - sei es durch Sonderziehungsrechte, sei es durch mehr Entwicklungsgelder -, um dann wirklich auch Erfolge zu sehen und die Rückschläge, die wir aufgrund der Pandemie gerade bei der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 sehen, wieder aufzuholen.

Das waren im Großen und Ganzen die Ergebnisse, die wir hier erreicht haben. Ich glaube, es waren sehr erfolgreiche Tage gemeinsamer Arbeit.

Frage: Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin. Danke, dass ich zwei kurze Fragen stellen darf.

Sie sprachen von insgesamt 2,3 Milliarden Dosen bis Ende 2022. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird Deutschland nicht zusätzliche Impfdosen geben. Sie sprachen von 30 Millionen.

Zweite kurze Frage zum Rahmenprogramm, das Boris Johnson oder auch die Königliche Familie auf die Beine gestellt hat. Was hat Ihnen denn da am besten gefallen?

BK’in Merkel: Das Rahmenprogramm hat uns erst einmal die Möglichkeit gegeben, wenigstens ein paar Ecken von Cornwall zu sehen, unter anderem auch diesen botanischen Garten Eden. „Gefallen“ ist jetzt das falsche Wort. Aber es war natürlich eine große Ehre, dass drei Generationen der Königlichen Familie mit uns gesprochen haben und zu uns kamen, insbesondere natürlich Her Majesty the Queen. Ich glaube, das war natürlich für alle ein einzigartiges Erlebnis.

Jetzt noch einmal zu den Impfdosen: Die 30 Millionen Impfdosen ist ja das, was wir sozusagen für uns bestellt haben und was wir weitergeben können. Das werden wahrscheinlich im Laufe der Zeit noch mehr. Wir müssen jetzt erst einmal schauen. Im Augenblick haben wir ja das Phänomen, dass nicht alles, was wir bestellt haben und was auch schon an Lieferungen zugesagt war - zum Beispiel von Johnson & Johnson - zum rechten Zeitpunkt geliefert wird. Wenn wir etwas überzählig haben, werden wir das natürlich auch weitergeben.

Der große Teil des deutschen Beitrags besteht in der COVAX-Fazilität, der wir über eine Milliarde Euro für die Beschaffung von Impfstoffen zur Verfügung gestellt haben, sodass man sagen kann, dass Deutschland insgesamt für 350 Millionen Dosen verantwortlich zeichnet. COVAX ist ja der eigentliche Punkt, von wo aus dann für die ärmeren Länder Impfstoffe gekauft werden sollen. In dem Zusammenhang war die Zusage auf dem World Health Summit, also dem Weltgesundheitsgipfel der G20 in Rom, sehr wichtig, dass die Firmen, die Impfstoffe produzieren, bis Jahresende 1,3 Milliarden Dosen für mittlere Einkommensländer und Länder mit geringem Einkommen bereitstellen. COVAX hat Geld, aber es muss ja auch etwas gekauft werden können. Wir als Deutschland zeichnen sozusagen dann für 350 Millionen Dosen. Wir werden im Laufe der Zeit sehen, ob wir noch mehr beitragen können.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, es gibt ja viel (akustisch unverständlich) über Herrn Biden und seinen Auftritt hier. Aber es bleiben noch tiefgreifende Probleme, vielleicht in der Wirtschaft und auch beim Klimaschutz. Wird es tatsächlich mit Herrn Biden viel besser oder gibt es nicht eine Menge von Baustellen?

Eine zweite ganz kurze Frage: Haben Sie denn schon von Ihren Kolleginnen und Kollegen ein Abschiedsgeschenk bekommen?

BK’in Merkel: Ich habe nur gute Wünsche und keine Geschenke bekommen.

Schauen Sie, durch die Wahl von Joe Biden zum amerikanischen Präsidenten ist ja die Welt nicht so, dass sie keine Probleme mehr hätte. Aber wir können mit neuem Elan an der Lösung dieser Probleme arbeiten. Ich finde es sehr gut, dass wir bei diesem G7-Treffen jetzt auch konkreter geworden sind.

Manchmal drücken wir unsere Ideale aus. Aber es ist noch nicht ganz klar, dass wir auch sagen: Wo sind wir vielleicht als G7 – oder als Länder, die zu der G7-Gruppe gehören - noch nicht so gut, wie wir sein sollten? Deshalb ist es schon eine wichtige Initiative, dass wir jetzt zum Beispiel Infrastrukturprojekte besser finanzieren wollen, uns mehr abstimmen und auch noch einmal die internationalen Finanzierungsinstitutionen anschauen wollen, ob sie schnell und angepasst genug reagieren. Denn wir müssen uns ja schon damit auseinandersetzen, dass China zum Beispiel zum Teil eine recht erfolgreiche Infrastrukturpolitik betreibt. Da können wir nicht tatenlos zusehen.

Ein zweiter Punkt, den ich gerne nennen würde, ist, dass die britische Präsidentschaft hier das sogenannte Future Tech Forum - ein Zukunftsforum für Technologie - ins Leben gerufen hat, das im Herbst einen Bericht vorlegen wird. Dabei geht es vor allen Dingen um die Frage eines Internets, das globale öffentliche Standards und keine Aufteilung nach nationalen kommerziellen Standards hat. Dabei spielt die internationale Fernmeldeunion eine sehr große Rolle. Das hört sich vielleicht sehr technisch an. Aber die Frage, welche Standards für das globale Internet gelten, ist natürlich auch eine zentrale Frage der demokratischen Informationsweitergabe. Insofern begrüße ich diesen Schritt der britischen Präsidentschaft sehr. Deutschland wird dieses „Future Tech Forum“ sicherlich fortführen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, welches Signal sendet es an die Welt, wenn die G7-Staaten sich nicht auf ein Datum für den Ausstieg aus der Kohle einigen könnten?

Sie haben selbst China und die ILO Kernarbeitsnormen erwähnt. Sollte die EU dieses Abkommen ratifizieren, selbst wenn China diese Normen nicht ratifiziert? Die gleiche Formulierung gibt es auch in Abkommen mit anderen Ländern wie zum Beispiel Vietnam oder Korea, wo seit Jahren diese Normen nicht ratifiziert worden sind. Welchen Hebel haben wir überhaupt, wenn wir das Abkommen ratifizieren?

BK’in Merkel: Die Ratifizierung ist ja im Augenblick durch die Sanktionen, die es gibt, sowieso in etwas schwierigen Situationen. Insofern haben wir noch ein bisschen Zeit, was die Ratifizierung angeht. Unser Ziel ist schon, dass wir dann einen deutlichen Fortschritt sehen. Ob jetzt alles bis zum Schluss ratifiziert sein muss - - - Es muss aber gegenüber dem heutigen Zustand ein Fortschritt sein. Ich glaube, das ist schon das allgemeine Verständnis.

Sie sprachen von dem einheitlichen Ausstieg aus der Kohle. Dafür hat man kein spezifisches Datum nennen können. Das lag jetzt nicht an der deutschen Seite. Wir haben unsere Kohleausstiegsdaten. Andere haben die Pläne noch nicht so weit verifiziert. Aber ich glaube, das Bekenntnis von allen G7-Ländern zum Klimaschutz, zum 1,5-Grad-Ziel, zu dem Pariser Abkommen ist schon ein starkes Bekenntnis. Auch die Länder, die hier noch zu Gast sind - zum Beispiel Australien, Südkorea, Indien, das virtuell zugeschaltet ist, Südafrika -, verpflichten sich auch, diese Normen einzuhalten. In Deutschland haben wir den Ausstieg vor einem oder anderthalb Jahren beschlossen. Ich denke, andere werden folgen. Ich glaube, wir gehen da mit gutem Beispiel voran.

Danke schön und schöne Grüße, wo immer Sie auch sitzen und uns hören.