Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel bei der virtuellen Übergabe des Abschlussberichts der Fachkommission Integrationsfähigkeit

BK’in Merkel: Ich möchte sagen, ich denke, auch im Namen von Annette Widmann-Mauz, von Hubertus Heil, den ich auf dem Bildschirm sehe, und von Staatssekretär Kerber, dass wir uns freuen, dass Sie uns dieses opulente Opus übersandt haben. Es ist ja ein Kompendium. Ich habe eben einmal ein bisschen darin geschmökert. Das wird uns natürlich auch viel Fachwissen für die Arbeit mit auf den Weg geben. Es ist eine große Bündelung.

Sie haben es sich nicht ganz leicht gemacht. Es wundert uns auch nicht, dass das alles nicht Friede, Freue, Eierkuchen war, sondern dass es auch wirklich harte Debatten gegeben hat. Ich freue mich, dass Sie sich dann doch der Mühe unterzogen haben, zu versuchen, die Stimmen, die nicht gleich im Hauptstrom oder in der Mehrheit waren, zu hören und doch einen gemeinsamen Bericht vorzulegen, obzwar mit einigen Voten, die auch noch einmal Gewichtungsprobleme und Ähnliches aufwerfen. Das ist, denke ich, auch ein Ausweis für Integrationsfähigkeit. Das ist ja auch mein Job, jeden Tag divergierende Interessen und Meinungen zum Beispiel in einer Regierung oder in einem Parlament zusammenzubringen.

Ich glaube, dass wir mit dem Ergebnis der Fachkommission wirklich ein Stück weiter sind bei der Fragestellung, was man tun und worauf man achten sollte. Sie haben das auch in den Kapiteln sehr gut gemacht. Denn dort werden immer Handlungsempfehlungen gegeben, an denen wir uns dann orientieren können. Durch viele Statistiken ist auch klar, dass wir auf der Zeitachse durchaus auch Fortschritte erzielt haben, dass aber natürlich auch einiges zu tun ist.

Durch die sehr große Zuwanderung in den Jahren von 2013 bis 2015/2016 haben wir natürlich jetzt noch einen Aufgabenberg vor uns. Dabei muss viel Integrationsarbeit geleistet werden. Das geht sowohl an die staatlichen Ebenen, aber es geht natürlich auch immer an die beteiligten Menschen, sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch an diejenigen, die zu uns gekommen sind. Die Aufgabe wird sicherlich ‑ das muss man ganz nüchtern sagen ‑ in den nächsten Jahren nicht einfacher, weil wir natürlich auch durch die Pandemie jetzt in eine sehr große wirtschaftliche Spannung geraten sind.

Wie immer, wenn ein Land in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt ‑ das haben wir schon damals bei der deutschen Einheit gesehen ‑, sind diejenigen, die am spätesten dazugekommen sind, oder diejenigen, die vielleicht bestimmte nicht so robuste Biografien oder Lernsituationen haben, nicht ausgebildet sind, keinen Berufsabschluss haben, natürlich als erstes unter Druck. Deshalb werden wir auf das Thema Integration und Zuwanderung in den nächsten Jahren ein großes Augenmerk legen müssen ‑ davon bin ich sehr überzeugt ‑, damit uns schon erreichte Erfolge nicht wieder kaputtgehen.

Auf der anderen Seite sind die nächsten Jahre auch positive Jahre, weil sie den demografischen Wandel sehr stark in den Mittelpunkt rücken werden. Je mehr wir in die Richtung der 30er-Jahre kommen, umso stärker wird auch der demografische Wandel sichtbar. Das heißt, gut ausgebildete Fachkräfte werden auch eine Chance haben. Insofern sind Bildung und Berufsausbildung dann natürlich ein zentraler Punkt, um auch wirklich gleichwertige Chancen zu ermöglichen. Ich habe mich heute früh mit Olaf Scholz darüber unterhalten: Natürlich sind durch die Beschlüsse, die wir jetzt fassen, durch lange Zeiten, in denen in den Schulen kein Präsenzunterricht stattfinden kann und ähnliches, gerade auch Kinder, deren Eltern zu Hause eben nicht Deutsch sprechen, noch einmal in einer sehr viel schwierigeren Situation, als das der Fall ist, wenn man aus einem Elternhaus kommt, in dem beide Eltern die deutsche Sprache perfekt verstehen und sprechen und gleichzeitig vielleicht auch eine akademische Berufsausbildung haben.

Das alles ist uns sehr bewusst, und deshalb kommt dieser Bericht vielleicht auch zu einer guten und richtigen Zeit. Deshalb von meiner Seite noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön! Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, so viel ist sicher. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, dass Ihre Ergebnisse nicht von Interesse wären. Dass Sie den Bericht so umfassend angelegt haben und die gesamte Breite des Lebens in Betracht gezogen haben, wissen wir auch zu würdigen.

Sie haben heute noch ein ziemliches Programm vor sich ‑ erst die Pressekonferenz und heute Nachmittag dann noch ein Fachgespräch. Das heißt, dies ist jetzt wirklich nur der Auftakt, um mit diesem Bericht umzugehen. Insofern wünsche ich Ihnen auch gute Stunden heute Nachmittag.

Ich danke auch den anderen Ressorts ‑ neben der Staatsministerin auch dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Hubertus Heil sowie dem Bundesministerium des Innern. Die Arbeit ist insgesamt auch in der Bundesregierung geräuschlos vonstattengegangen. Jedenfalls haben mich keine dramatischen Botschaften und Hilferufe erreicht, also muss es eine gute Zusammenarbeit für eine wirklich auch gute Sache gewesen sein.

Das war es von meiner Seite. Danke schön!