Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Rutte zum Besuch des Bundeskanzlers im Königreich der Niederlande am 19. Mai 2022

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Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

MP Rutte: (auf Deutsch) Vielen Dank! Zunächst einmal möchte ich Olaf Scholz herzlich für seinen Besuch hier in Den Haag danken. Unsere Länder verbindet eine Tradition der Freundschaft und Zusammenarbeit. In diesem Geiste hatten wir in den vergangenen Monaten bereits regelmäßig Kontakt. Ich war im Januar ganz herzlich von Olaf Scholz in Berlin empfangen worden, und wir haben uns natürlich auch schon beim Europäischen Rat in Brüssel manchmal getroffen ‑ und gestern noch einmal in Dänemark. Es ist heute aber das erste Mal, dass ich Bundeskanzler Scholz hier empfangen darf, und darüber freue ich mich sehr.

(auf Niederländisch) Es sind ja nicht nur die Volkswirtschaften der Niederlande und Deutschland eng miteinander verflochten, sondern auch in vielen anderen Bereichen ‑ sowohl bilateral als auch in der EU und der NATO ‑ arbeiten wir eng zusammen. Unser heutiges Treffen markiert daher auch auf schöne Art und Weise unsere gute Beziehung, und wir haben auch vor, uns noch viele gegenseitige Besuche abzustatten.

Allerdings findet unser Treffen leider unter traurigen Umständen statt, denn der schreckliche Krieg in der Ukraine war auch heute ständig in unseren Gedanken. Die Niederlande und Deutschland sind sich einig in der Verurteilung der rücksichtslosen russischen Gewalt. Olaf Scholz und ich haben heute erneut bestätigt, dass wir die Ukraine weiterhin unterstützen werden. Wir werden das auf finanzieller und humanitärer, aber auch auf militärischer Ebene tun ‑ aber auch was die Wahrheitsfindung betrifft.

Wir hatten miteinander beschlossen, Panzerhaubitzen 2000 in die Ukraine zu liefern, wobei die Niederlande und Deutschland in den Bereichen Ausbildung und Lieferung von Munition eng zusammenarbeiten werden. Ich möchte hiermit Olaf Scholz meinen Dank und meine Anerkennung für diese Zusammenarbeit aussprechen.

Jetzt, wo der Kampf noch wütet, ist es vielleicht schwer vorstellbar, aber es kommt der Tag, an dem die Ukraine wiederaufgebaut werden muss. Es ist daher gut, dass die Europäische Kommission gestern unter dem Titel „Rebuild Ukraine“ Pläne vorgelegt hat. Wir werden heute Abend auch weiter darüber sprechen, und diese Pläne werden wir zweifellos auch noch im Europäischen Rat besprechen. Ich möchte aber schon jetzt sagen, dass die Niederlande die Initiative der Europäischen Kommission begrüßt, beim Wiederaufbau eine führende Rolle zu spielen ‑ in Zusammenarbeit mit der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und den G7. Dabei ist es wichtig, den Wiederaufbau mit Reformen zu verbinden, die erforderlich sind, um die Ukraine zu stärken und der Ukraine dabei zu helfen, noch enger mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten.

Die russische Invasion der Ukraine hat auch deutlich gemacht, dass wir uns von russischer Energie loslösen müssen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir als EU jetzt wirklich an den Vorschlägen aus dem sogenannten „Fit-for-55“-Paket arbeiten. Damit arbeiten wir nicht nur selbstverständlich an der Erreichung unserer Klimaziele, sondern wir sorgen auch dafür, dass wir unsere Energieunabhängigkeit erhöhen.

Die Niederlande begrüßen in diesem Rahmen auch die Vorschläge der Kommission im „REPowerEU“-Paket. Es ist sehr wichtig, dass die Kommission so schnell eine Strategie vorlegt, die die Energiewende beschleunigt und die Abhängigkeit von Russland verringert.

Die Diskussionen dazu müssen natürlich noch geführt werden, aber die Niederlande unterstützen diese Bestrebungen und setzen selbst auch auf die Diversifizierung der Energiequellen, auf Energieeinsparungen und auf erneuerbare Energie. Dazu gab es gestern auch den Gipfel zwischen Belgien, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden in Esbjerg in Dänemark.

Auf all diesen Gebieten arbeiten wir zusammen, aber auch bilateral wissen wir einander auf vielen Gebieten zu finden. Deutschland und die Niederlande sind die beiden größten Produzenten von Wasserstoff in Europa, und wir arbeiten gemeinsam an einer guten Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff zwischen unseren Ländern. Auch das wurde gestern beim Nordsee-Gipfel in Esbjerg besprochen, nämlich die Verbindung von Meereswindenergie für die Produktion von grünem Wasserstoff. Auch darüber werden wir heute beim Abendessen sprechen.

Abschließend möchte ich sagen, dass unsere starke und langjährige Freundschaft die felsenfeste Grundlage für all unsere künftige Zusammenarbeit bildet. Ich möchte auch ansprechen, dass ich auch persönlich diese sehr angenehme Zusammenarbeit mit Olaf Scholz als verlässlichem und solidem Führer von Deutschland sehr schätze, und ich hoffe, dass wir auch in den nächsten Jahren eine solide Zusammenarbeit werden fortführen können.

Vielen Dank!

BK Scholz: Vielen Dank, lieber Mark, für die Einladung nach Den Haag und für die netten Worte. Die Niederlande sind für uns ein wichtiger, verlässlicher und freundschaftlicher Nachbar und Partner, mit dem wir uns auch immer wieder gerne treffen ‑ nicht zuletzt auf dem Fußballplatz. Ich freue mich, dass wir heute wieder die Chance haben, uns persönlich zu internationalen und europapolitischen Themen auszutauschen.

Besonders beschäftigt uns beide ‑ wie sollte es auch anders sein ‑ die aktuelle Lage in der Ukraine. Deutschland und die Niederlande arbeiten hier eng und vertrauensvoll zusammen. Wir unterstützen die Ukraine finanziell, humanitär und auch militärisch. Gerade hat ein gemeinsames deutsch-niederländisches Projekt begonnen ‑ darüber ist eben schon berichtet worden ‑, bei dem ukrainische Kräfte an schwerer Artillerie ausgebildet werden, die unsere beiden Länder zur Verfügung stellen. Es geht um die Panzerhaubitze 2000 ‑ Mark hat eben darüber gesprochen. Das ist eine Sache, die wir beide sorgfältig miteinander beredet und vereinbart haben und die jetzt auch mit den Vorarbeiten für die Ausbildung funktioniert.

Unsere Position gegenüber Russland ist klar: Wir fordern Präsident Putin unmissverständlich auf, den Angriffskrieg auf die Ukraine zu beenden, einem sofortigen Waffenstillstand zuzustimmen und seine Truppen zurückzuziehen. Das Töten muss ein Ende haben!

Neben den schrecklichen Folgen, die dieser Krieg in der Ukraine und für die Ukraine bedeutet, droht nun auch noch die Gefahr einer schweren Ernährungskrise, besonders im globalen Süden. Um es klar zu sagen: Die Verantwortung dafür trägt allein Russland durch seine Aggression und dadurch, dass die Handelswege für den Getreideexport aus der Ukraine gegenwärtig blockiert sind. Um dieser Krise entgegenzutreten, haben wir gestern als G7-Vorsitz beim Rat der Entwicklungsminister das Bündnis für globale Ernährungssicherheit ins Leben gerufen. Dieses Bündnis ist offen für alle, die nicht tatenlos hinnehmen wollen, dass die Ärmsten der Welt den Preis für Russlands Aggression zahlen müssen.

Auch beim Sondertreffen des Europäischen Rats in gut zehn Tagen werden wir erneut über die Folgen des russischen Angriffs und über die weitere Unterstützung für die Ukraine beraten. Dort werden wir auch die Konsequenzen, die sich daraus für die Klima- und Energiesicherheit ergeben, mit unseren europäischen Partnern besprechen. Putins Krieg in der Ukraine ist Anlass, noch dringlicher als bisher gemeinsam vorzugehen ‑ insbesondere mit Blick darauf, dass wir noch schneller auf erneuerbare Energien umsteigen wollen, mit Blick auf Energieeffizienz, auf die EU-Netzinfrastruktur und auf Wasserstoff. Das ist der Weg in eine sichere, saubere und unabhängige Zukunft der Energieversorgung.

Dafür haben wir gestern zwei wichtige Signale gegeben: Gemeinsam mit unserer dänischen Kollegin, dem belgischen Premierminister und der Präsidentin der Kommission haben Mark Rutte und ich in Esbjerg eine Initiative gestartet, um den Ausbau der Windenergie in der Nordsee massiv zu steigern. Das zeigt: Wir gehen entschlossene Schritte, um die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zügig zu erhöhen und die Zukunft zu gestalten.

Außerdem hat die EU-Kommission gestern ein umfangreiches Paket von Initiativen und Vorschlägen vorgelegt, um Europa unabhängiger von Energieimporten aus Russland zu machen und den Übergang zur Klimaneutralität voranzubringen. Dieser REPowerEU-Plan schafft dafür einen Rahmen und beschleunigt den Ausbau der Energiegewinnung aus Wind und Sonne. Ich glaube, dass Deutschland und die Niederlande in den Bereichen von LNG, Wasserstoff, Windenergie und bilateraler Krisenvorsorge noch intensiver kooperieren werden als bislang schon.

Ministerpräsident Rutte und ich haben uns auch zum Thema der EU-Erweiterung ausgetauscht. Die erfolgreiche EU-Integration unserer Partner auf dem westlichen Balkan liegt im ureigenen Interesse der Europäischen Union und unser aller. Deswegen steht sie ganz oben auf der politischen Agenda der Bundesregierung und, wie ich weiß, auch vieler anderer, die uns dabei unterstützen. Daher ist es besonders wichtig, dass wir die Beitrittsverhandlungen für diese Länder dynamisieren und dort, wo noch Hindernisse bestehen, für deren Überwindung sorgen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union und der geostrategischen Vernunft. Ich finde, die Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien, die ihnen vor gut zwei Jahren zugesagt worden sind, sollten nun auch beginnen können. Diese Position werde ich auch auf dem EU-Westbalkan-Gipfel am 23. Juni vertreten, zu dem der Präsident des Europäische Rates gestern eingeladen hat.

Ich bedanke mich nochmals für deine Einladung, lieber Mark. Es ist mir wichtig, dass unsere beiden Länder, die ja so eng befreundet sind, den bewährten Austausch weiter so vertrauensvoll fortsetzen. Dazu gehört auch, dass wir beide in absehbarer Zeit wieder gemeinsame bilaterale Regierungskonsultationen durchführen möchten.

In dem Sinne: Alles Gute für die weitere Zusammenarbeit!

MP Rutte: Vielen Dank.

Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, ich habe zunächst eine Frage an Sie beide. Sie beide haben die Lieferung der Panzerhaubitzen an die Ukraine erwähnt. Ist schon absehbar, wann die ersten dieser Geschütze geliefert werden? Die Ukraine wartet ja dringend auf Artillerie, die sie dringend benötigt.

Können Sie sich vorstellen, die Zahl von derzeit zwölf geplanten Panzerhaubitzen noch aufzustocken?

Herr Bundeskanzler, das EU-Parlament hat heute die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Gerhard Schröder auf die Sanktionsliste zu setzen. Würden Sie einen solchen Schritt unterstützen?

Unterstützen Sie die Entscheidung des Deutschen Bundestages, die ebenfalls heute gefallen ist, Gerhard Schröder das Büro und die Mitarbeiter zu streichen?

MP Rutte: Deutschland und die Niederlande arbeiten sehr eng miteinander, sowohl in Bezug auf humanitäre Hilfe und Wahrheitsfindung, aber selbstverständlich auch auf dem Gebiet der Lieferung militärischer Güter. Ich war sehr beeindruckt von dem deutschen Beschluss ganz zu Anfang des Kriegs in der Ukraine, von Anfang an aktiv zu sein, und von der Rede von Olaf Scholz im Deutschen Bundestag am Sonntag nach der Invasion Russlands in der Ukraine. Das hat auch in diesem Land sehr viele Emotionen geweckt und großen Eindruck gemacht.

Wir wollen so schnell wie möglich liefern. Aber ich sage dazu zwei Dinge:

Erstens ist es wichtig, dass die Ukraine mit den Waffen auch umgehen kann. Es ist ein sehr komplexes Waffensystem, integriert in andere Waffensysteme. Es ist also nicht so, dass man das nach ein paar Tagen Ausbildung bedienen könnte. Es dauert Wochen und vielleicht sogar länger, bis man das bedienen kann. So gern wir das auch wollen, macht es nur Sinn, wenn es im Rahmen eines großen ukrainischen Verteidigungsapparats und von gut ausgebildeten Personen eingesetzt werden kann. Das weiß auch die Ukraine. Es handelt sich also nicht nur darum, jetzt Mittel einzusetzen, sondern man muss auch wissen, dass der Kampf weitergeht.

Der zweite Punkt: Noch mehr zu liefern, das sehe ich zurzeit nicht. Wir sind alle beide dabei, sehr stark in unsere eigene Verteidigung zu investieren, sowohl Deutschland als auch die Niederlande. Ich verweise noch einmal auf die Rede von Olaf Scholz im Bundestag. Aber es gibt bei uns ‑ ich spreche jetzt für die Niederlande, nicht für Deutschland ‑ auch Rückstände. Wir haben Defizite. Das, was wir tun können, hat also Grenzen. Dabei bleibt es deshalb auch, denke ich.

BK Scholz: Schönen Dank. Ich will dem nicht viel hinzufügen außer dem Hinweis, dass die Ausbildung begonnen hat und die intensive Schulungstätigkeit jetzt in Deutschland intensiv stattfindet. Dass das so sein soll, haben wir miteinander verabredet. Man muss wissen, dass es sich um eines der modernsten gegenwärtig einsetzbaren Systeme in diesem Bereich der Artillerie handelt. Deshalb ist es gar nicht so verwunderlich, dass dazu eine solche Schulung erforderlich ist.

Wir beide haben darüber gesprochen, wie wir das hinkriegen können, weil die veränderte Lage letztendlich noch mehr dazu beigetragen hat, dass die Waffensysteme, die wir selbst haben, dringend gebraucht werden und insofern gar nicht einfach verfügbar gemacht werden können. Das Gute an unserer Zusammenarbeit ist, dass wir, die wir ja sowieso militärisch zusammenarbeiten, auch mit dem deutsch-niederländischen Bataillon und den Zusammenarbeiten, die dort existieren, gesagt haben: Man braucht zwölf, damit es funktioniert. ‑ Dann haben wir beide uns zusammengetan und ein bisschen mehr möglich gemacht, als sonst eigentlich ginge. Das muss man schon so sagen; das ist schon eine sehr sorgfältig überlegte Handlung, wie wir das hinkriegen können. Die Zahl ist nicht zufällig. Sie hat etwas damit zu tun, dass wir überlegt haben, wann es Sinn macht, wie viele es sein müssen, damit man daraus eine funktionierende Einheit schaffen kann. Das ist genau die Entscheidung, die wir getroffen haben.

Die Entscheidung des Deutschen Bundestages im Hinblick auf den früheren Bundeskanzler ist folgerichtig und wird deshalb auch umgesetzt werden. Ich denke, dass diese Reaktion jetzt richtig ist. Weitere halte ich aktuell nicht für erforderlich.

Zusatzfrage: Und die Entscheidung des EU-Parlaments?

BK Scholz: Ich habe ja gesagt: Das ist die Entscheidung, die jetzt notwendig ist. Weitere halte ich nicht für erforderlich.

Eine Sache loszuwerden ist mir übrigens noch wichtig: Es wäre am allerbesten, Gerhard Schröder würde seine Posten niederlegen.

Frage: Eine Frage an Sie beide: Was halten Sie davon, dass sich der türkische Präsident Erdoğan der NATO-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland verweigert?

MP Rutte: Natürlich findet ein intensiver Kontakt innerhalb der NATO-Allianz über die wichtigen Entscheidungen, die in Helsinki und in Stockholm getroffen worden sind, statt. Es sind historische Entscheidungen, Finnland und Schweden der Allianz beitreten zu lassen. Natürlich haben wir alle zur Kenntnis genommen, was sowohl der türkische Außenminister Çavuşoğlu als auch Staatspräsident Erdoğan gesagt haben. Die Gespräche laufen zurzeit sehr intensiv, sowohl zwischen verschiedenen Ländern untereinander als auch in der NATO insgesamt. Ich vertraue darauf, dass es schlussendlich gelingen wird, zu einer gemeinsamen Position zu gelangen. Ich hoffe, dass Schweden und Finnland beitreten werden.

BK Scholz: Wir haben das Beitrittsgesuch von Finnland und Schweden sehr begrüßt. Die deutsche Bundesregierung hat auch schon die notwendigen Entscheidungen getroffen, um möglich zu machen, dass wir das im NATO-Zusammenhang unterstützen können. Wir werden das sehr schnell zusammen mit dem Deutschen Bundestag voranbringen können.

Ich habe den Eindruck, dass viele andere Länder das auch wollen. Wenn man so etwas wie einen allgemeinen Willen, einen „general will“ der NATO identifizieren will, dann ist das der, dass Finnland und Schweden jetzt schnell Mitglied werden sollen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die vielen Bemühungen, die es gegenwärtig gibt, eine gemeinsame Entscheidung zu ermöglichen, auch Erfolg haben werden. Wir jedenfalls leisten unseren Beitrag dazu, dass aktiv darauf hingewirkt wird, dass es den notwendigen Konsens gibt. Noch einmal: Meine Zuversicht ist sehr groß, dass das bald alles gut zusammenpasst.

Frage: Zunächst eine Frage an Ministerpräsident Rutte: Der Herr Bundeskanzler hat gerade gesagt, dass bei ihm ganz oben auf der Agenda die Beitrittsperspektive, der Beitritt der Westbalkanstaaten steht. Ich würde gerne wissen, wie weit oben das bei Ihnen auf der Agenda steht und ob Sie Deutschland beim Gipfel in Bezug auf die Initiative entsprechend unterstützen werden.

Eine Frage an Bundeskanzler Scholz: Sie haben eben darauf verwiesen, dass es unter anderem eine Zusammenarbeit in Bezug auf LNG geben soll. Ich würde gerne wissen: Konnten Sie Konkretes erreichen, dass zum Beispiel LNG aus Rotterdam oder Eemshaven auch nach Deutschland fließen kann?

Anschließend noch die Frage: Sollte sich das Unternehmen Shell in Deutschland stärker engagieren, zum Beispiel in Schwedt?

MP Rutte: Wir sind uns sehr einig, was die Westbalkanstaaten angeht. Ich begrüße diesbezüglich die Initiative und die Führung der deutschen Regierung. Ich mache mir große Sorgen über die Stabilität auf dem Westlichen Balkan und was zurzeit die Entwicklung in Bosnien und vor allem rund um Republika Srpska angeht. Ich mache mir aber auch Sorgen, was die Irritationen in Nordmazedonien und Albanien betrifft, was die Kapitel angeht, um die Beitrittsverhandlungen anfangen zu können, die zum entsprechenden Status gehören. Diese sind zurzeit noch wegen Problemen zwischen Sofia und Albanien blockiert. Ich war gerade in Sofia und habe mit Premierminister Kiril Petkow gesprochen. Ich weiß, dass sie daran arbeiten, Lösungen zu finden. Ich weiß auch, dass der bulgarische Präsident in Berlin war.

Wir müssen also versuchen, mit aller Kraft der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass die Westbalkanstaaten stabil bleiben, dass die Probleme in Bezug auf Nordmazedonien und Albanien gelöst werden. Das geht nur ‑ davon bin ich überzeugt ‑, wenn Deutschland führend auftritt. Deutschland beschäftigt sich mit dem Westbalkan. Deshalb begrüße ich die Initiative der deutschen Regierung sehr, zu schauen, wie man dort einen zusätzlichen Beitrag liefern kann. Ich weiß, dass es Olaf Scholz wirklich am Herzen liegt, diesbezüglich etwas zu tun.

BK Scholz: Wie ich und auch Mark geschildert haben, gibt es in der Tat eine große Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, erneuerbare Energien, Wasserstoff, beim Ausbau der Offshore-Windenergie und auch der Verbindung der verschiedenen Windparks, die überall entstehen, damit wir gemeinsam von der Kraft profitieren können, die sich dann in der Nordsee herausbildet. Gleichzeitig gehört natürlich in der gegenwärtigen Situation die Nutzung von LNG-Gas dazu. Das findet schon statt, weil es einfach ein ganz normales Business ist, dass LNG-Gas, das in den westeuropäischen Häfen ankommt, weiter in den Netzen der übrigen europäischen Länder ‑ auch in Deutschland ‑ genutzt werden kann.

Im Übrigen ist es so, dass es natürlich ganz besonders eine enge Zusammenarbeit bei einem der großen Projekte gibt, das wir in Norddeutschland voranbringen wollen, nämlich Brunsbüttel. Dort ist die Zusammenarbeit eng und weit fortgeschritten. Insofern gibt es sehr konkrete Projekte, die auf den Weg gebracht werden.

Was die Frage betrifft, wie sich Schwedt weiterentwickeln kann, sind wir dazu in engster Abstimmung mit der Landesregierung von Brandenburg und den zuständigen Ministerien des Bundes. Wir werden alles dafür tun, dass die Arbeitsplätze und die Tätigkeit der Raffinerie gesichert werden kann. Dazu gibt es verschiedene Optionen. Das von Ihnen genannte Unternehmen ist dort schon engagiert und beteiligt.

Frage: Ich habe eine Frage in Bezug auf Energie. Herr Bundeskanzler, haben Sie Premierminister Rutte gebeten, zusätzlich Gas aus Groningen zu liefern? Für die Niederlande wäre das ja eine letzte Option. Denken Sie, dass es erforderlich ist, dass die Niederlande unabhängig von russischem Gas werden?

Frage an Herrn Rutte: Ist es so, dass Groningen in der heutigen Situation überhaupt nicht (akustisch unverständlich) ist?

BK Scholz: Zunächst einmal haben wir noch einen langen Abend vor uns. Diese Frage haben wir noch nicht weiter erörtert.

MP Rutte: Stimmt! Sie kennen ja den Standpunkt der niederländischen Regierung. Wir werden Groningen nie eröffnen, um die Preise zu senken. Wenn jemand denkt, wir werden in Groningen extra Gas fördern und dann sinkt der Preis ‑ ‑ ‑ Der Effekt ist sowieso beschränkt. Wir werden für niedrige Preise natürlich nicht hunderte von Leuten dem Risiko von Erdbeben aussetzen.

Rob Jetten und ich haben auch gesagt: In allerletzter Instanz, wenn es sich um eine absolute Gas-Krise in Europa handeln würde, würde man auch Groningen in Betracht ziehen. Aber nur in der Situation. Deshalb freue ich mich über die Vorschläge der Europäischen Kommission, die uns schneller unabhängig von Gas machen, und auch über die Vorschläge, die es im Mai und Juni in Bezug auf Lagerkapazität, Einkauf, Preisbeherrschung geben wird. Ich glaube, dann werden wir vernünftige Vorschläge bekommen. Das wird auch dabei helfen, diese Wende, diesen Übergang natürlich auch in Kombination mit anderen zu machen. Aber sicher werden wir noch über die Energieproblematik im Allgemeinen sprechen.

Vielen Dank!