Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Draghi zum Besuch des Bundeskanzlers in der Italienischen Republik am 20. Dezember 2021

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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

MP Draghi: Es war wirklich eine Freude, heute Bundeskanzler Scholz empfangen zu können. Dieser Besuch kurz nach dem Amtsantritt trägt dazu bei, unsere Beziehungen zu festigen und beweist das auch. Es ist - wie wir schon gesagt haben - unser fester Wille zusammenzuarbeiten, um den großen Herausforderungen in Europa gerecht zu werden, zum Beispiel der Umgang mit der Pandemie, die Ankurbelung der Ökonomie und die Bekämpfung des Klimawandels.

 Eines der ersten Themen, die wir behandelt haben, ist die Notwendigkeit, zur Stärkung der europäischen Integration und, wo dies möglich ist, zur Beschleunigung des Prozesses der Integration zusammenzuarbeiten. Eine stärkere Union liegt im Interesse von uns allen, im Interesse von Deutschland, im Interesse von Italien. Wir wollen die Zusammenarbeit im Bereich der Technologie und der Forschung verbessern. Ich denke auch an gemeinsame europäische Projekte in sehr wichtigen Themen wie Wasserstoff, Mikroelektronik und Batterien für elektrische Wagen.

Eine bessere Koordinierung von Projekten ist auch zur Verbesserung der Arbeit im Klimabereich vonnöten. Die Ziele sind, wie gesagt, ehrgeizig und schwer zu erreichen. Die Zusammenarbeit unter Ländern ist eine unabdingbare Voraussetzung, wenn wir diese Ziele erreichen wollen. Wir sind uns einig, dass wir denjenigen nahestehen, die wegen der ökologischen und der digitalen Transition leiden, etwa Familien und Unternehmen. Die soziale Kohäsion ist ein wesentliches Thema - ein Bestandteil, wenn wir Fortschritte auf allen Fronten erreichen wollen.

Kurz haben wir auch ein anderes Thema behandelt. Wir haben uns die Frage gestellt: Welche Veränderungen sind im Haushalt, in den Haushaltsregeln, in den staatlichen Hilfen und Beihilfen nötig, wenn wir konsequent sein wollen, was die Ziele der Europäischen Union bezüglich der ökologischen Transition anbelangt? Wir müssen auch sehen, wie wir diese Investitionen behandeln, die zugunsten der Umwelt, der Bekämpfung des Klimawandels, in der digitalen Transition, aber auch in der Verteidigung getätigt werden.

Weiterhin haben wir gesagt, dass wir so weit wie möglich zusammenarbeiten und uns über die Themen der Außenpolitik beraten, vor denen unsere Länder stehen. Wir sind uns über die Notwendigkeit einig, eine gemeinsame Verteidigung für Europa aufzubauen - das haben wir öfters betont, auch im Europarat -, nicht in Antithese zur Nato, sondern als Kraft, die der Nato zur Seite steht.

Weiterhin haben wir über unsere Beziehungen zu anderen Staaten gesprochen, die uns nahestehen, den Nachbarstaaten. Wir sind uns über all diese Themen einig.

Herr Bundeskanzler, bitte!

BK Scholz: Ich freue mich, dass ich so früh nach meinem Amtsantritt auch hier in Rom, in Italien, vorbeikommen kann und dass wir uns miteinander haben unterhalten können. Das ist ein ganz besonderes Zeichen für die gute Zusammenarbeit unserer Länder und auch unser beider persönlich gute Zusammenarbeit, die ja nun schon viele, viele Jahre zurückreicht. Daran können wir anknüpfen, und daran wollen wir auch gerne für die nächsten Jahre anknüpfen.

Für uns ist sehr wichtig, dass wir einen großen Fortschritt in Europa machen. Wir brauchen eine starke, bessere Union. Darüber muss und wird diskutiert werden. Unsere beiden Länder sind von größter Bedeutung dafür, dass das auch tatsächlich gelingt. Deshalb werden wir auch all die Fragen ansprechen, die für die Zukunft Europas von Bedeutung sind. Dazu zählt insbesondere die Frage, wie wir es schaffen, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Das ist ein großes industrielles Modernisierungsprojekt, das nur gelingt, wenn wir es schaffen, in moderne Technologien zu investieren. Ähnliches gilt für die Frage der Digitalisierung. Auch die ist zentral dafür, dass Europa ein Kontinent ist, der in der kommenden Welt eine Rolle spielt, wirtschaftlich stark ist und auch mithalten kann.

Ohne enge Kooperation wird das nicht gelingen, aber auch nicht ohne enge Kooperation zwischen unseren beiden Ländern. Deshalb haben wir auch vereinbart, diese Kooperation weiter zu intensivieren und zu verbessern. Wir werden an einem Aktionsplan arbeiten, mit dem wir die Zukunft dieser Zusammenarbeit zwischen Italien und Deutschland vertiefen wollen, und haben auch in Aussicht genommen, dass wir bald wieder - wenn uns Corona dann irgendwie einmal die Möglichkeiten dazu lassen wird - zu großen Regierungskonsultationen zwischen unseren beiden Ländern zusammenkommen können.

Richtig ist natürlich, dass wir jetzt noch die Krise bekämpfen. Deshalb geht es darum, die Gesundheitspolitik entsprechend auszurichten und dafür zu sorgen, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger vor der Coronapandemie schützen und gleichzeitig die Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt stärken. Europa hat in dieser Frage mit dem europäischen Wiederaufbauprogramm gezeigt, was es kann, und ich bin sehr froh, dass gerade Italien ganz engagiert dabei ist, all die notwendigen Entscheidungen zu treffen, die für die Zukunft dieses Landes wichtig sind, aber die auch für unsere gemeinsame Zukunft in Europa wichtig sind. Deshalb bin ich sicher, dass die gute Zusammenarbeit, die wir dort entwickelt haben, auch in den nächsten Jahren gut funktionieren wird. Wir haben gezeigt, was wir im Rahmen der Regeln, die wir haben, können, und deshalb werden wir diese auch für die Zukunft nutzen können. Sie sind eine gute Basis dafür.

Ansonsten ist es so, dass wir uns natürlich auch über die wichtigen Fragen unterhalten haben, die uns global umtreiben, insbesondere die Sicherheitslage in Europa. Da sind wir uns einig: Europa muss mit einer Stimme sprechen, und wir müssen eng zusammenarbeiten. Das wollen und werden unsere beiden Länder tun.

Frage: Schönen guten Tag, Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler! Abgesehen von dem heutigen Treffen gab es ja vor einigen Tagen ein Treffen des Europäischen Rats. Ich frage den Bundeskanzler, aber auch den Ministerpräsidenten, vor allem angesichts dieser Pandemie, die weiter zuschlägt: Bedarf es einer besseren Koordination? Was unternimmt man, um die Pandemie zu bekämpfen?

Nun habe ich eine spezifische Frage an den Ministerpräsidenten, und zwar zur gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik. Sicherlich gibt es eine deutsch-italienische Achse, die in diese Richtung arbeitet. Aber es bedarf auch weiterer Elemente, zum Beispiel, dass nicht mehr einstimmig abgestimmt wird, sondern eine andere Art der Abstimmung möglich ist.

BK Scholz: Wir müssen und werden die Coronapandemie gemeinsam bekämpfen. Das bedeutet, dass wir es schaffen müssen, unsere Bürgerinnen und Bürger zu impfen. Italien hat da - das will ich ausdrücklich sagen - eine sehr vorbildliche Impfquote erreicht und einen großen Teil seiner Bürger bereits ein- und zweimal geimpft, und ich weiß, dass der Ehrgeiz groß ist, das auch noch zu vertiefen und da weiter voranzukommen. Wir haben auch sehr viele Bürgerinnen und Bürger geimpft, aber nicht so viele, wie wir uns wünschen. Deshalb gehört es zu den Entscheidungen, die wir auch jetzt in Deutschland treffen, da noch weiter voranzukommen, um eine sehr, sehr hohe Impfquote zu erreichen.

Aktuell gibt es für uns alle in Europa, aber auch in Deutschland die Aufgabe, dass wir diejenigen, die schon Impfschutz haben, noch einmal mit einer weiteren Impfung versehen. Das ist das, worüber wir in Deutschland gerade auch diskutieren, auch nach den Debatten im Europäischen Rat, und wir werden morgen zusammen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Länder in Deutschland darüber beraten, wie wir das möglichst effektiv umsetzen. Da gibt es dann auch noch weitere Beschränkungen, was persönliche Kontakte betrifft, damit wir gut vorbereitet sind, wenn die neue Variante des Virus sich überall in Europa ausbreitet. Wir hören, dass die sehr infektiös ist und deshalb die Gefahr besteht, dass sie viele erreicht. Aus meiner Sicht bedeutet das aber, dass wir uns eben entsprechend vorbereiten müssen. Das geschieht in Deutschland insbesondere im Hinblick auf die kritischen Infrastrukturen, die wir vorbereiten müssen auf eine solche Situation, von der wir hoffen, dass wir mit unseren Impfkampagnen und Auffrischungsimpfungen dafür sorgen können, dass das so gut wie möglich bewältigt werden kann.

Ansonsten arbeiten wir zusammen, auch in der Frage der Außen- und Sicherheitspolitik. Meine Position ist, dass wir es gut fänden, wenn bei den Reformen in Europa Mehrheitsentscheidungen etwa in Bereichen der Außenpolitik oder im Bereich der Finanzpolitik in den Räten möglich wären. Das wird aber sicherlich nicht gleich morgen auf der Tagesordnung stehen, denn darüber müssen wir uns ja einvernehmlich unter allen in Europa verständigen.

MP Draghi: Ich bin einverstanden, was die Themen betrifft, die der Bundeskanzler angesprochen hat, und ich bedanke mich für das Lob, das er der italienischen Impfkampagne ausgesprochen hat. Es muss aber noch viel getan werden, auch in Italien, und man muss vor allen Dingen Acht geben. Vor allem in dieser Woche wird es zu einem Treffen zwischen allen Zuständigen kommen, und wir werden sehen, ob nicht angesichts der Weihnachtsferien, die ins Haus stehen, weitere Maßnahmen zu ergreifen sind. Noch ist nichts entschieden worden, und man wird eben aufgrund der Daten entscheiden. Deshalb warten wir Mittwoch ab, um zu sehen, wie schnell sich diese neue Variante verbreitet. Wir werden hier also weiter Sequenzierungen vornehmen, und wollen die Auffrischungsimpfungen so schnell wie möglich verabreichen.

Was die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik, das Thema, eine eventuelle gemeinsame Verteidigung auf die Beine zu stellen, aber auch weitere Fragen betrifft, so ist die Einstimmigkeit ein Hindernis geworden, was die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union betrifft. Es ist nicht leicht, und vor allem für Themen wie die Außen- und Verteidigungspolitik ist das etwas sehr Komplexes. Wenn man sich kurz hinsetzt und nachdenkt, was es bedeutet, auf einvernehmliche Entscheidungen zu verzichten, wenn es darum geht, seine Soldaten auf ein Schlachtfeld zu schicken, dann sieht man, dass es sehr kompliziert ist. Aus diesem Grund hat der Bundeskanzler zu Recht gesagt: Man muss diese Einstimmigkeit überwinden, aber doch einvernehmlich vorgehen.

Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, es soll diesen Aktionsplan geben, von dem Sie beide gerade gesprochen haben. Wie wollen Sie die Zusammenarbeit durch diesen Aktionsplan im Detail intensivieren, wie sehen da die nächsten Schritte aus?

Wenn wir beim Thema „näher zusammenrücken“ sind, stellt sich auch die Frage: Werden Sie sich jetzt auch beim Thema EU-Stabilitätspakt näherkommen?

Herr Bundeskanzler, könnten Sie noch konkretisieren, ob Sie von der Ministerpräsidentenkonferenz in Deutschland Verschärfungen in Sachen Corona und auch im Hinblick auf Reisebeschränkungen oder gar einen Lockdown wie in den Niederlanden erwarten?

MP Draghi: Ich glaube, dass wir näher zusammenrücken werden, auch was die verschiedenen Positionen betrifft. Wir werden uns da annähern, und einige Dinge werden wohl sehr schnell erfolgen. Und zwar werden nach der Pandemie durch alle unsere Länder Projekte, die ihresgleichen suchen, finanziert werden, was die Digitalisierung betrifft, was die grüne Wende betrifft und was die Koordinierung selbst betrifft. Das sind also sehr große Projekte. Schauen wir einmal, wie diese Projekte nun mit neuen Haushaltsregeln Hand in Hand gehen können. Sicherlich wird man sich hierbei näherkommen. Vielleicht bin ich äußerst optimistisch, aber ich denke, dass es in diesem Bereich leichter wird, voranzugehen, als in anderen Bereichen.

BK Scholz: Wir haben ja gezeigt, was wir können in Europa. Mit dem europäischen Wiederaufbauprogramm, das ich noch aus einer anderen Funktion heraus ja sehr wesentlich mit vorangetrieben habe, hat Europa eine gemeinsame Antwort auf die Krise gefunden. Das ist sehr gut. Diese Antwort hat schon gewirkt, bevor das erste Geld geflossen ist. Denn sie hat dazu beigetragen, dass das Vertrauen der globalen Märkte, aber auch der Wirtschaft hierzulande in unseren Mitgliedsländern, in der gesamten Europäischen Union so groß ist, dass kein Staat unlösbare Herausforderungen hatte und alle in der Lage waren, das Notwendige zu tun, um gegen die Krise vorzugehen, sowohl im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, als auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronapandemie. Dieses Wiederaufbauprogramm wird unsere Politik in den nächsten Jahren begleiten. Es stellt Mittel in erheblichem Maße zur Verfügung, um aus der Krise wieder nach vorn durchzustarten und sich auf die Punkte zu konzentrieren, die für die Zukunft Europas, aber auch all der Mitgliedsländer wichtig sind.

Deshalb war es in der letzten Zeit so und ist es aktuell so, dass die Regeln, die wir haben, ihre Flexibilität gezeigt haben. Auf dieser Basis werden wir sicherlich auch in der Zukunft miteinander agieren und die Flexibilität unserer Regeln nutzen können. Darüber sind sich die Parteien, die die neue Regierung in Deutschland gebildet haben, einig, nachzulesen im Vertrag über die Bildung einer Regierung.

Dass damit noch viel Arbeit und viele Gespräche verbunden sind und dass die Frage der Konsensbildung noch nicht gelöst ist, ist klar. Trotzdem ist da ein europäischer Geist, der darauf abzielt, dass am Ende 27 Mitgliedsstaaten ein gemeinsames Konzept verfolgen. Auch das muss ja so gelingen. Daran werden wir arbeiten und darauf in der nächsten Zeit unsere Kraft und Mühe konzentrieren.

Was Deutschland in Fragen der Coronakrisenbekämpfung betrifft, finde ich, dass einige der Dinge, die wir jetzt neu angefangen haben, zeigen, dass es die richtigen waren. Es war richtig, dass wir sehr früh eine Boosterkampagne begonnen und, als uns die entsprechenden Kommissionen gestattet haben, alle Erwachsenen mit einer Auffrischungsimpfung zu versehen, damit auch angefangen haben. Jetzt sind wir schon sehr weit fortgeschritten und wollen das in diesem Jahr auch noch weiter vertiefen. 30 Millionen geboosterte Bürgerinnen und Bürger bis um Weihnachten herum, bis zum Jahresende, das war unser Ziel. Das werden wir in ungefähr dieser Zeit auch erreichen. Wir wollen dann weitermachen, auch in den Januar hinein, damit alle eine solche Auffrischungsimpfung bekommen, und versuchen dann, möglichst viele zu erreichen, die sich das erste Mal impfen lassen. Denn die Impfquoten Italiens sind für uns ein Ansporn, auch weiter nach vorn zu kommen.

Das Zweite ist, dass wir uns sehr stark um die kritischen Infrastrukturen kümmern werden, die wir jetzt in den Blick nehmen müssen, damit wir uns für den Fall, dass es hohe Infektionsraten gibt, intensiv mit den Folgen auseinandersetzen können, die das für bestimmte Betriebe, Einrichtungen, Institutionen hat, die wichtig sind, ob es nun Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, Elektrizitätsversorgung oder andere sind. Das ist also der zweite Teil.

Der dritte Teil ist, dass wir neben den Kontaktbeschränkungen, die ja sehr weitgehend sind und die wir schon festgelegt haben mit dem Zugang zu Geschäften, Restaurants, Kulturveranstaltungen und Hotels nur für Geimpfte und Genesene, manchmal noch zusätzlichen Test, mit entsprechenden Vorschriften für das Arbeitsleben und den öffentlichen Verkehr, noch weitere Bereiche in den Blick nehmen. Mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten wird jetzt gerade eine Entscheidung vorbereitet, die morgen zu treffen ist. Sie wird sicherlich private Kontakte auch von Geimpften noch einmal etwas mehr zusammenfassen und einzelne in dieser Richtung liegende zusätzliche Entscheidungen treffen. Das, finde ich, ist ein sehr guter Weg.

Ich habe das Wochenende über mit vielen gesprochen. Heute haben sich zur Vorbereitung des Treffens der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler die Chefs der Senats- und Staatskanzleien unterhalten. Das Ergebnis wird sein, dass wir, glaube ich, ein konsensuales Vorgehen festlegen können. Das ist gerade jetzt zu dieser Zeit und in diesem Moment wichtig.

Was hat sich noch bewährt? - Der Krisenstab, den wir neu etabliert haben, hat seine Arbeit aufgenommen. Das ist für die Impfstofflogistik, für die Organisation sehr wichtig. Auch wir haben jetzt einen General vornan und sind einem anderen Beispiel gefolgt. Wir haben außerdem einen Expertenrat etabliert, der uns konsentierte Vorschläge macht, damit wir keine Situation haben, in der es viele Experten gibt, die da und dort Vorschläge machen, nicht alle gleich, sondern damit wir sie an einen Tisch bringen oder in eine Videokonferenz und viele nacheinander, wo uns dann ein gemeinsames Beratungsergebnis die Leitschnur sein kann. Genau das haben wir gemacht.

Frage: Zurück zu der Frage des Aktionsplans. Es wird kein Vertrag sein für Frankreich, wenn ich das richtig verstanden habe. Das wurde ja bestätigt. Daher möchte ich wissen, ob das eine politische Entscheidung ist, oder verlangt ein Aktionsplan weniger Zeit und ein Vertrag würde längere Zeit in Anspruch nehmen? Mit Italien und Frankreich hat es lange gedauert. Aus welchem Grunde? Warum wird es kein Vertrag sein?

Zum Stabilitätspakt: Herr Bundeskanzler, Sie haben mit den Regierungspartnern in dem Koalitionsvertrag festgelegt, dass der Pakt reformiert werden muss. Wenn ich das richtig verstanden habe, brauchen wir Investitionen, vor allem im grünen Bereich, also für die Umwelt. Was halten Sie davon? Was halten Sie von diesen Vorschlägen aus Italien, zum Beispiel von den „golden rules“ und von den Investitionen mit den (akustisch unverständlich)?

Ein zweiter Vorschlag wird schon bei der Europäischen Kommission diskutiert, nämlich dass jedes Land einen eigenen Weg zur Verminderung des Schuldenbergs beschreiten kann. Italien und Griechenland brauchen längere Zeit als Deutschland, um den Schuldenberg abzubauen.

MP Draghi: Wir haben soeben angefangen. Wir haben einen gemeinsamen Weg vorgeschlagen. Bis vor drei Tagen war nicht einmal die Rede davon, wie das enden wird. Wird es ein Vertrag sein, ein Abkommen, ein Protokoll, ein Memorandum? Es ist vielleicht ein bisschen früh, das zu sagen. Momentan haben wir angefangen, ein paar Themenbereiche zu ermitteln. Die zuständigen Ministerien, vor allem das Außenministerium und unsere Botschafter, werden weiterhin die Methode ausfindig machen, und dann werden wir weiter voranschreiten. Mal sehen. Am Ende des Wegs werden wir feststellen, wie weit wir gekommen sind.

Was die Anfrage zum Stabilitätspakt anbelangt, bin ich nicht kompetent. Ich überlasse dem Bundeskanzler gerne das Wort.

BK Scholz: Zunächst einmal muss ich widersprechen: Der Ministerpräsident ist in vielen Fragen sehr kompetent. Das weiß ich aus der Zusammenarbeit, die wir hatten, als ich Finanzminister war und er Chef der Europäischen Zentralbank, aber auch von vielen, vielen anderen Formen und Wegen, wo wir uns begegnet sind. Deshalb kann sich Italien glücklich schätzen, einen so kompetenten Mann an der Spitze zu sehen.

Was die Frage des Aktionsplans betrifft, unterstreiche ich, was der Ministerpräsident gesagt hat. Es ist so, dass wir uns entschieden haben, das jetzt zu machen und damit anzufangen, unsere Regierungen arbeiten zu lassen, sodass etwas Gutes dabei herauskommt, das auch in seiner Konkretion so ist, dass wir sehr präzise Verabredungen treffen.

Wie das dann nachher in eine Form gegossen wird, das steht am Ende des Weges. Wir beschreiten ihn jetzt gemeinsam. Wir sind gewissermaßen schon auf dem Weg unterwegs und sind gemeinsam vorwärts gegangen. Jetzt gehen wir die ganze Strecke bis zum Ende, und dann werden wir Ihnen das präsentieren. Gut ist, dass wir die Absicht haben, zwischen den beiden Regierungen eng zusammenarbeiten. Das ist, glaube ich, ein guter Fortschritt.

Was die Frage des Stabilitäts- und Wachstumspakts betrifft, habe ich ja eben schon erläutert: Dieser hat in der Vergangenheit viel Flexibilität bewiesen und beweist sie gerade auch jetzt. Wir haben für ganz Europa ein 750-Milliarden-Euro-Paket auf den Weg gebracht. Das ist etwas ganz Besonderes. Wenn man richtig rechnet, haben wir schon im Sommer, wenige Monate vorher, ein weiteres Paket auf den Weg gebracht, das, alles zusammengerechnet - mit den Maßnahmen des europäischen Programms für die Finanzierung von Kurzarbeit, mit den Möglichkeiten der EIB und anderen Maßnahmen -, fast 300 Milliarden Euro erreicht. Das, was in Europa mobilisiert worden ist, ist also schon richtig groß. Der Ehrgeiz, den wir jetzt als Allererstes haben sollten, ist, das Geld auch zu nutzen. Denn es fängt ja gerade erst an, dass überall Investitionen getätigt werden: in die digitale Infrastruktur, in industrielle Modernisierungsprozesse, die es möglich machen, in wenigen Jahren eine klimaneutrale Industrie auf den Weg zu bringen. Das sind milliardenschwere Investitionen.

Wir wissen, dass ein großer Teil der Investitionstätigkeit, die damit verbunden ist, privatwirtschaftlich sein wird. In vielen Fällen sind die Netze privat, die Erzeugungsanlagen sind privat. Vieles von dem, was die Automobilindustrie, der Maschinenbau, die Stahlindustrie, die chemische Industrie auf den Weg bringen, sind privatwirtschaftliche Investitionen. Das, was wir machen, muss die Finanzkraft und die Möglichkeiten bieten, die dazu notwendigen Verbindungen und die Infrastruktur herzustellen, die man braucht. Elektrifizierte Fahrzeuge brauchen auch irgendwo Ladestationen, um ein einfaches Beispiel zu nennen, für das man viele weitere nennen kann. Das muss dann zusammenpassen. Das müssen wir als gemeinsame Anstrengung organisieren.

Noch einmal: Für die Zukunft ist es ja plausibel, anzunehmen, dass sich ein Rahmen, der sich als flexibel erwiesen hat, auch in der Zukunft als notwendig flexibel erweisen wird. Diese Diskussion beginnt jetzt.