Spagat zwischen Heimarbeit und Homeschooling

Familie und Alleinerziehende im Porträt  Spagat zwischen Heimarbeit und Homeschooling

Seit Wochen die Kinder beim Homeschooling betreuen, zeitgleich im Homeoffice arbeiten und nebenher den Haushalt organisieren: Gerade für viele Familien bedeutet der Lockdown eine starke Belastung. Was dies konkret ausmacht, darüber spricht Kanzlerin Merkel bei ihrem digitalen Bürgerdialog mit Betroffenen. Hier erzählen zwei Teilnehmerinnen von ihrem Alltag in Corona-Zeiten.    

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Eine Mutter mit zwei Kindern nimmt ein Selfie aus, gespiegelt in der Scheibe einer fahrenden U-Bahn.

Eva-Maria Vogt (37) mit ihren Söhnen: "Als Alleinerziehende bin ich ununterbrochen für die Betreuung meiner Kinder zuständig."

Foto: Eva-Maria Vogt

Diese Woche hat Antonia Nolte aus Berlin lange herbeigesehnt. "In den Ferien kann man wenigstens mal kurz durchschnaufen. An diesen Tagen fehlt zumindest der Druck von der Schule", sagt die Mutter zweier Kinder. Der Lockdown setzt der 36-Jährigen und ihrer Familie ganz schön zu.

Der Alltag außerhalb von Schulferien: Antonia Nolte hilft ihrem elfjährigen Sohn täglich bis zu sechs Stunden bei den Schulaufgaben. Nebenbei muss sie sich um ihren Sechsjährigen kümmern, der derzeit nicht die Kita besuchen kann. Ihr Mann kann sie tagsüber aus beruflichen Gründen nicht unterstützen. "Ich bin manchmal total ausgelaugt. Versuche zwar, immer wieder motiviert in den Tag zu starten, aber spätabends ist man einfach nur fix und fertig."

Wunsch nach mehr Online-Unterricht

Als besonders belastend empfindet Antonia Nolte das wochenlange Homeschooling. Zwar gibt es in der Schulzeit für ihren Elfjährigen pro Tag etwa eineinhalb Stunden Videokonferenzen mit den Lehrinnen und Lehrern. Die Berliner Mutter sagt aber: "Der Online-Unterricht muss dringend aufgestockt werden, damit wir in der jetzigen Situation einigermaßen zurechtkommen. Das wäre für uns Eltern eine große Entlastung."

Zusätzliche Kinderkrankentage helfen

Ihrem Beruf kann die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte im Moment wegen der Kinderbetreuung kaum nachgehen. Um für ihre Söhne da sein zu können, nimmt sie die kürzlich erweiterten Regelungen für Kinderkrankentage in Anspruch. Zuhause konzentriert ihrem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, kann sich Antonia Nolte nicht vorstellen. "Es wäre für mich unmöglich, neben dem Homeschooling und der Betreuung meines Kleinen noch im Homeoffice zu arbeiten."

Nervenaufreibender Alltag einer Alleinerziehenden

Anruf bei Eva-Maria Vogt. Für das verabredete Telefonat hat sich die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ins Schlafzimmer zurückgezogen. Doch schon nach einer Minute ertönt die Stimme ihres achtjährigen Sohnes im Hintergrund: Seine Videoschulstunde ist zu Ende und die Lehrerin möchte mit der Mutter sprechen, was im Moment nicht geht. Wenig später kommt der Sohn zurück. Jetzt braucht er Hilfe bei einer gerade erhaltenen Aufgabe. Geduldig erklärt ihm seine Mutter, was er jetzt tun solle. Nun kann sich die 37-Jährige zumindest kurz auf das Telefonat konzentrieren.

Zu Pandemiezeiten typischer Alltag für Eva-Maria Vogt, die als Juristin für die Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz arbeitet und als Mainzerin über ihre Erfahrungen mit den dortigen Regelungen berichten kann. Derzeit arbeitet sie im Homeoffice.

"Als Alleinerziehende bin ich ununterbrochen für die Betreuung meiner Kinder zuständig. Es ist ein unmöglicher Spagat zwischen Heimarbeit und Homeschooling. Ich bin ohnehin schon gleichzeitig Mutter und Vater und jetzt auch noch Lehrkraft, Spielgefährtin und Spielgefährte. Zugleich wird erwartet, dass ich noch genug Ressourcen mobilisieren kann, um mich selbst so stabil zu halten, dass ich meine Kinder gut durch diese Zeit bringen kann."

Soziale Isolation belastet sehr

Außer um ihren Achtjährigen muss sich Eva-Maria Vogt auch um ihren zweieinhalbjährigen Sohn kümmern. Am schlimmsten sind für die Alleinerziehende und ihre Kinder die soziale Isolation durch Kontaktbeschränkungen und geschlossene Schulen und Kitas.

"Wir können uns ja nicht einmal mehr mit anderen Kindern auf dem Spielplatz treffen, weil wir dann sehr schnell die Kontaktbeschränkungen unterlaufen würden", macht Eva-Maria Vogt deutlich. "Besonders mein größeres Kind vermisst die feste Struktur: Schule, Sport, Freundinnen und Freunde, und vor allem den Austausch mit anderen, sich auch mal in den Arm nehmen. Oder einfach mal mit anderen Kindern um die Wette laufen – so etwas fehlt ihm."

Die aktuelle Situation wirke sich direkt auf das Familienleben aus, betont die zweifache Mutter und Juristin. "Wir sind oft ziemlich gestresst. Als Alleinerziehende im Homeoffice bin ich zwar anwesend, aber fast immer mit irgendetwas anderem beschäftigt: mit einer Mail von der Arbeit, mit dem Haushalt. Und mittags gibt es aus Zeitgründen immer häufiger Essen aus der Mikrowelle – das hätte ich mir früher überhaupt nicht vorstellen können."

Bürgerdialog guter erster Schritt

Eva-Maria Vogt ist es ein wichtiges Anliegen, verstärkt auf die Situation gerade von Alleinerziehenden in der Pandemie aufmerksam zu machen. Insofern sei der Dialog mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag ein guter erster Schritt.

Vogt will vor allem hervorheben, "dass insbesondere die Kinder im Moment einen sehr hohen Preis zahlen, der zudem fremdnützig ist, da sie glücklicherweise kaum Betroffene der Pandemie sind". Alleinerziehende würden mehr Unterstützung und in der ganzen Gesellschaft mehr Verständnis benötigen. Als positives Modell nennt sie skandinavische Länder wie Schweden. Dort gebe es ein anderes Verständnis von Gleichberechtigung, sagt Vogt und widmet sich wieder ihrem Sohn und seinen Schulaufgaben.

Hoffen auf entspanntere Zeiten im Sommer

Derweil genießt in Berlin Antonia Nolte die kurze Erholung vom Homeschooling in den Schulferien. Und sammelt Kraft für die nächsten anstrengenden Wochen. Gemeinsam mit ihren Kindern hofft die zweifache Mutter auf eine Entspannung der Pandemielage spätestens in der Sommerzeit. "Meinem jüngeren Sohn habe ich versprochen, dass wir seinen Geburtstag im November in diesem Sommer nachfeiern. Ich hoffe so sehr, dass das klappt. Das wäre für uns alle ein kleiner Lichtblick."