Namensbeitrag zum Nordseegipfel
Bundeskanzler Scholz ist mit den Regierungschefinnen und -chefs aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Norwegen und Luxemburg zum zweiten Nordseegipfel zusammengekommen. Im Vorfeld erklärten sie in einem gemeinsamen Namensbeitrag bei „Politico“, welche Ziele sie zusammen in der Nordsee verfolgen.
Wir brauchen Offshore-Windkraftanlagen, und zwar viele.
Wir brauchen sie, um unsere Klimaziele zu erreichen und Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, und wir brauchen sie, um von russischem Gas loszukommen.
Letztes Jahr kamen Dänemark, Deutschland, Belgien und die Niederlande für den ersten Nordseegipfel in der dänischen Hafenstadt Esbjerg zusammen und setzten sich mit der Esberg Erklärung historische Ziele für die Windenergie auf See. Damit legte sie den Grundstein, um die Nordsee als grünes Kraftwerk für Europa zu entwickeln und damit einen Beitrag zur Klimaneutralität und Energiesicherheit zu leisten.
Diesen Montag treffen sich neun Länder zum nächsten Nordsee-Gipfel – diesmal im belgischen Ostende. Frankreich, Irland, Luxemburg, Norwegen und das Vereinigte Königreich werden nun ebenfalls ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen, um grüne Energien in den nördlichen Meeren zu erschließen, auch im Atlantik sowie in der Irischen und der Keltischen See. Gemeinsam werden wir unsere Bestrebungen bündeln und koordinieren, um die Offshore-Windenergie auszubauen und ein Offshore-Stromnetz zu installieren, welches unsere Länder verbindet. Damit stellen wir die Weichen für eine grüne europäische Wirtschaft, die von Offshore-Kraftwerken angetrieben wird.
Unser gemeinsames Ziel für Offshore-Windkraftanlagen ist eine Leistung von 120 Gigawatt bis 2030 und mindestens 300 Gigawatt bis 2050. Das übersteigt die Erzeugungskapazitäten, über die jedes der Unterzeichnerländer auf nationaler Ebene derzeit verfügt. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir uns für die Errichtung eines kompletten Stromsystems in der Nordsee auf der Grundlage erneuerbarer Energien durch Entwicklung von Kooperationsprojekten ein.
Es handelt sich um ein kolossales Unterfangen und ein echtes Beispiel gelebter Energiewende. Massive Investitionen in Infrastruktur sowohl an Land als auch auf See sind dafür nötig.
Es stellt uns aber auch vor ein politisches und ökologisches Dilemma. Wir erleben eine Klimakrise, während sich gleichzeitig der Zustand einiger unserer Ökosysteme verschlechtert. Offshore-Windenergie ist wesentlicher Bestandteil des Klimaschutzes und der Wahrung unserer Energiesicherheit. Die Zeit drängt – wir müssen an die Fortschritte anknüpfen, die wir beim Abbau bürokratischer Hürden für Projekte im Bereich erneuerbare Energien bereits erreicht haben.
Wir können nicht jahrelang auf Genehmigungsprozesse warten, während die globalen Temperaturen steigen und autokratische Regierungen die Möglichkeit haben, uns das Licht in unseren Wohnzimmern abzudrehen und unsere Industrieproduktion zum Erliegen zu bringen. Stattdessen müssen wir auf einen schnellen Ausbau der Offshore-Windkraft hinarbeiten und gleichzeitig alles Erdenkliche tun, um unsere gesunden und robusten Meeresökosysteme für künftige Generationen zu bewahren.
Die Energiewende bildet auch einen Eckpfeiler für den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit in der Weltwirtschaft. Die nördlichen Meere werden zu einer bedeutenden Quelle sauberer, bezahlbarer Energie in Form von Strom und Wasserstoff für unsere Industrie und Wirtschaft. Doch müssen wir sicherstellen, dass wir nicht einfach von einer Abhängigkeit in die nächste geraten. Wir müssen europäische Wertschöpfungsketten im Bereich grüne Technologien stärken und die Herkunft der kritischen Rohstoffe für Windkraftanlagen, Batterien und dergleichen diversifizieren. Dabei werden wir im Rahmen von NATO und EU zusammenarbeiten, um die Sicherheit der Infrastruktur auf See und unter Wasser zu erhöhen, und unsere Bemühungen verstärken, wachsenden herkömmlichen wie hybriden Bedrohungen wirksam zu begegnen.
Morgen gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg hin zu einem grünen und wettbewerbsfähigen Europa, in dessen nördlichen Meeren sich noch viel mehr Windräder drehen. Jede Windturbine bringt uns näher an eine Zukunft ohne fossile Energien.
Wir kennen den richtigen Kurs. Nun gilt es, Fahrt aufzunehmen.
Alexander De Croo, Mette Frederiksen, Emmanuel Macron, Olaf Scholz, Leo Varadkar, Xavier Bettel, Mark Rutte, Jonas Gahr Støre und Rishi Sunak.
Veröffentlicht von Politico am 23. April 2023. Übersetzt aus dem Englischen.