Grußwort des Kanzlers
In Hamburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz an dem Richtfest für den neuen Bildungscampus Ausschläger Weg teilgenommen. In seinem Grußwort dankte er allen, die am Bau beteiligt waren – und betonte: „Eine gute Zeit, ein gutes Projekt, eine gute Zukunft!”

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Richtfest für den neuen Bildungscampus Ausschläger Weg in Hamburg teilgenommen.
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
Bundeskanzler Olaf Scholz:
Moin!
Ich bin sehr dankbar für die Einladung, für die Gelegenheit, hier dabei zu sein. Ich grüße den Bürgermeister, den Senator, die Senatorin und alle anderen, die hier sind, die Handwerkerinnen und Handwerker, die hier gearbeitet haben, zuallererst.
Es ist in der Tat ein berührender Moment für mich, weil er von etwas handelt, das mir persönlich sehr wichtig ist und das zur Geschichte unseres Landes ganz besonders dazugehört. Dass wir uns irgendwann im 19. Jahrhundert, in der sich entwickelnden Industrialisierung Deutschlands und auch dem Moment des großen wirtschaftlichen Aufschwungs unseres Landes entschieden haben, die alte Tradition der Berufsausbildung aus dem Handwerk, die keineswegs überall in Deutschland verbreitet war – die meisten waren in der Landwirtschaft tätig und wo auch immer –, in die neu entstehende wirtschaftliche Kultur der Fabriken und Kontore zu übertragen, in das, was dort als Wirtschaft neu entstanden und heute so alltäglich geworden ist, ist wahrscheinlich einer der ganz wichtigen Gründe für die wirtschaftliche Prosperität unseres Landes bis heute. Ein Zufall! Wie groß er ist, merkt man immer wieder, wenn man in der Welt herumkommt und von anderen angesprochen wird, was man denn tun könne, um diese Tradition der beruflichen Bildung auch im eigenen Land zu installieren, da sie doch so offensichtlich große Erfolge mit sich führt. Ich versuche dann immer zu erläutern, dass das viele Voraussetzungen hat, dass es eine historische Besonderheit ist, die dann so prägend für unser Land geworden ist, aber eben auch – das muss klar gesagt werden –, eine Entscheidung der Unternehmen in Deutschland, eine Entscheidung, mit der beruflichen Ausbildung ihrer Beschäftigten etwas zu tun haben zu wollen.
Wir kennen in anderen Ländern viel rein schulische Berufsausbildung. Die Auszubildenden sind zwei Jahre in einer Akademie. Diejenigen, die etwas mit Bildung und Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zu tun haben, wissen, dass sogar Menschen mit einem Hochschulabschluss kommen, der manchmal aber ungefähr das Gleiche wie eine Berufsausbildung in Deutschland ist.
Insofern ist das schon eine besondere Tradition, die wir pflegen müssen, und wir müssen alles dafür tun, dass die jungen Menschen eine gute Perspektive, eine Chance haben, dass sie nach der Schule eine Berufsausbildung beginnen können.
Ich finde, dabei ist Hamburg unverändert vorbildlich. Das sage ich nicht nur, weil ich mich hier gut zu Hause und verbunden fühle, sondern weil es mit dem Übergang von der Schule in die Berufsausbildung, mit dem, was wir mit den Jugendberufsagenturen hier in Hamburg ganz besonders ausgeprägt haben, nirgendwo so gut klappt. Das muss gepflegt werden. Denn wir leben nicht mehr auf dem Dorf, wo der Onkel mit dem nicht so guten Neffen zu dem Meisterbetrieb, den er kennt, geht und sagt: Seine Schulnoten sind zwar schlecht, aber ich stehe für ihn ein. Nimm ihn. Sondern wir sind in einer Welt, in der ganz viele aus vielen Orten hierher kommen, an ganz vielen Stellen in der Stadt leben und dann ganz woanders einen Beruf ergreifen, den ihre Eltern gar nicht kennen.
Die Frage ist: Wie bekommt man es hin, dass diese Verknüpfung immer wieder klappt?
Aber natürlich klappt sie auch dann und dann besonders, wenn es uns gelingt, die Berufsausbildung als etwas Wertvolles und Wichtiges hochzuhalten. Darum ist schon der ganze Campus, der hier entstanden ist und sich nun mit den neuen beruflichen Hochschulen fortpflanzt, eine großartige Sache. An wie vielen Stellen in Deutschland findet man noch neu gebaute Gebäude von Berufsschulen, die mit jeder architektonisch besonderen Hochschule, die neu errichtet worden ist, mithalten können und bei denen die jungen Menschen, die hierher kommen, sagen: „Die anderen gehen da zur Uni, ich gehe hierhin“? Das Gefühl, dass man weiß, dass das, was man selbst macht, geschätzt wird und wichtig ist, kann man gar nicht wichtig genug nehmen. Das sagt einem nicht nur irgendwer, sondern das ist auch in Architektur und Gebäuden ausgedrückt, die errichtet werden, die schön, die funktional sind und die deutlich machen, dass hier etwas ganz Wichtiges stattfindet, nämlich berufliche Ausbildung. Das ist toll.
Toll ist natürlich auch – die Senatorin hat es eben gesagt –, dass das mit der Beruflichen Hochschule Hamburg geklappt hat. Sie hat eine Geschichte, an die ich mich, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, aber doch irgendwie erinnere. Das muss man hier in Hamburg ja sagen. Ich erinnere mich ab und zu.
Ich bin zusammen mit dem damaligen Senator wirklich klappern gegangen und habe versucht, Hochschulen davon zu überzeugen, dass sie bei sich etwas einbauen, was mit einer Hochschulqualifizierung derjenigen zu tun hat, die eine Berufsausbildung machen wollen. Ich würde sagen, es war nicht so viel Begeisterung, die mir da entgegengeschlagen ist. Das hat mich sehr empört, weil es schon ein schwieriger Kampf war, den die Stadt etwas früher geführt hatte, um dafür zu sorgen, dass man auch ohne Abitur an der Uni studieren kann, an der Hochschule für angewandte Wissenschaften und all den anderen. Aber das hat jedenfalls nicht geklappt.
Gleichzeitig haben wir mit der Handwerkskammer diskutiert, die etwas Ähnliches in klein versucht hat. Am Ende kam heraus, dass wir das alles zusammenführen und aus den staatlichen Hamburger Berufsschulen eine eigene Hochschule entwickeln, das Projekt der Handwerkskammer integrieren und dazu beitragen, dass jetzt möglich ist, dass man sich mit der Entscheidung für die berufliche Ausbildung auch dafür entscheiden kann, gleichzeitig einen Hochschulabschluss quasi mitzuerwerben. Das ist eine Innovation. Wir kennen die duale Ausbildung an einigen Stellen in Deutschland und auch in Hamburg, eine gute Sache. Aber eine Hochschule, direkt verknüpft und entwickelt aus der Berufsausbildung, das ist ganz selten.
Es ist auch wichtig, weil es noch ein paar Botschaften mit beinhaltet.
Die erste Botschaft lautet: Die Berufsausbildung ist von zentraler Bedeutung. Nach der langen Tradition, die im 19. Jahrhundert begonnen hat, wollen wir sie zu neuen Höhen führen. Das ist wichtig.
Zweitens: Wir finden ganz unbedingt, dass es für die vielen, die vielleicht studieren, weil auch alle anderen studieren, die aber eigentlich lieber eine Berufsausbildung machen würden, einen Weg geben sollte, zu sagen: Eigentlich würde ich lieber eine Berufsausbildung machen, und im Übrigen: Ich studiere auch. Dass man sich diese Perspektive immer noch offenhalten kann, ist, denke ich, gar nicht zu unterschätzen, um den Irrweg zu vermeiden, irgendetwas zu studieren, was man gar nicht mag und schließlich doch zur Berufsausbildung zurückzukommen. Ebenso wenig ist zu unterschätzen, dass wir damit gleichzeitig die Botschaft über die Bedeutung der Berufsausbildung aussenden, die damit verbunden ist. Zum anderen wissen wir, dass ganz viele mit Abitur und sehr guten Abiturnoten sehr komplizierte Berufsausbildungen absolvieren. Auch für sie ist das eine wichtige, ergänzende Perspektive.
Ich denke im Übrigen, dass auch die Berufsausbildung davon profitiert. Denn so kann man viel besser integrieren, dass das, was in der Berufsausbildung gelernt wird, schon Punkte für die Hochschule, für den Teil der Ausbildung mit sich bringt. Es klappt also besser.
Weil alles dann, wenn es erst einmal läuft, auch eigene Gebäude braucht, die symbolisieren, wie wichtig die Sache ist, ist es gut, dass das hier entsteht und dass wir beim Richtfest sind. Wenn das hier zustande gekommen sein und man in die neuen Gebäude umziehen wird, dann wird auch diese berufliche Hochschule einen zusätzlichen Schwung bekommen, weil sie sichtbar ist, weil man die hohe Bedeutung an der Architektur eines solchen Ortes sieht.
In dem Sinne wünsche ich allen, die daran mitgewirkt haben, alles Gute. Ich danke für die Arbeit. Ich bin sehr dankbar für die Arbeit der Handwerkerinnen und Handwerker, der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Poliere, dass das so gut geklappt hat und dass es ohne Unfälle zu Ende geht. Eine gute Zeit, ein gutes Projekt, eine gute Zukunft!
Schönen Dank.