„Die Ukraine kann sich auf uns verlassen“ 

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Pressekonferenz des Kanzlers nach dem Europäischen Rat „Die Ukraine kann sich auf uns verlassen“ 

Im Mittelpunkt der Beratungen des Europäischen Rates stand einmal mehr die Frage nach der Unterstützung der Ukraine. Weitere Schwerpunkte waren die Lage im Nahen Osten und die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Das erklärte Kanzler Scholz nach dem Treffen in Brüssel.

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 20. Dezember 2024
Bundeskanzler Scholz gestikulierend am Mirkrofon vor einer blauen Pressewand.

Bundeskanzler Scholz bei der Pressekonferenz nach dem Europäischen Rat.

Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler

Nach Abschluss des Europäischen Rats in Brüssel hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Pressekonferenz zu den wichtigsten Gesprächsinhalten des Treffens geäußert. 

Das wichtigste in Kürze:

  • Unterstützung für die Ukraine: Der Kanzler betonte, dass sich die Ukraine auch weiterhin auf Deutschland verlassen könne und man sie so lange unterstützen werde, wie nötig. Gleichzeitig dürfe es nicht zu einer Eskalation des Krieges zwischen Russland und der NATO kommen. Von großer Bedeutung sei, dass es keine Entscheidung über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg geben dürfe, so Scholz.
  • Beratungen zum Nahen Osten: In Syrien sei es nun wichtig, dass in einem rechtstaatlichen und demokratischen Prozess eine Zukunft entwickelt werden könne, die alle Volksgruppen und Minderheiten berücksichtige. Für Israel und Gaza müsse zunächst ein Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung aller Geiseln erreicht werden. Er hoffe auf die Verhandlungen, die in der letzten Zeit offenbar Fortschritte gemacht hätten, so der Kanzler.
  • Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Scholz betonte die Bedeutung des Bürokratieabbaus in der EU und begrüßte, dass die EU-Kommission dies zu einem zentralen Thema mache. Zur Wettbewerbsfähigkeit gehöre auch die Auseinandersetzung mit den industriellen Kernen Europas. Er nannte die Auto- und die Stahlindustrie. Es gebe kaum ein Land in Europa, das nicht in die Produktion von Autos eingebunden sei. Dass die EU-Kommission eine große Konferenz mit der Stahlindustrie organisieren wolle, sei gut. Scholz betonte zudem die Bedeutung von Handelsabkommen für Europa und lobte den Abschluss des MERCOSUR-Abkommens.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

Bundeskanzler Olaf Scholz: Ich begrüße Sie alle. Das war jetzt der letzte Gipfel in diesem Jahr und der erste Gipfel mit dem neuen Ratspräsidenten António Costa. Ich will gerne ausdrücklich sagen: Es war ein sehr gut vorbereiteter Rat. Es hat im Vorfeld sehr viele Gespräche gegeben, sodass wir uns sehr rechtzeitig über die Inhalte verständigt haben, die wir gemeinsam festhalten wollen, und deshalb hatten wir außergewöhnlich viel gut genutzte Zeit, um darüber zu diskutieren, wie wir die Verhältnisse in der Welt einschätzen und wie wir die Dinge voranbringen wollen, die uns wichtig sind.

Zunächst haben wir gestern mit einem Treffen im Rahmen des EU-Westbalkan-Gipfels begonnen. Es ist auch dringend notwendig, dass wir in dieser Sache aktiv arbeiten; denn vor über 20 Jahren ist den Staaten des westlichen Balkans zugesagt worden, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden können, und das hat bisher nicht geklappt. Deshalb ist es schon gut, dass wir durch die vielen, vielen Aktivitäten der letzten Zeit jetzt immerhin Bewegung in der Sache haben. Die Fortschritte sind beachtlich, und wir haben durch den Berlin-Prozess sicherlich auch einen guten Beitrag dazu leisten können, dass das gelingt. Es gibt einen Wachstumsplan für die Region, Beitrittskonferenzen sind vorangekommen, Montenegro und Albanien haben große Fortschritte gemacht, und das ist, was wir gut verzeichnen können.

Gleichzeitig bleibt es unverändert eine große Aufgabe, dafür zu sorgen, dass nicht die bilateralen Fragestellungen zwischen den Beitrittskandidaten, den Staaten des westlichen Balkans, oder bilaterale Fragestellungen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und einzelnen Beitrittskandidaten diesen Prozess aufhalten und verlängern. Insofern habe ich auch in dieser Diskussion sehr dafür geworben, dass wir sehr darauf konzentriert sind, dass die Staaten des westlichen Balkans sich darum bemühen, die Anforderungen zu erfüllen, die wir gemeinsam an unser Miteinander in der Europäischen Union haben, dass sie sich aber auch darauf verlassen können, dass sie, wenn sie diese Anforderungen erfüllen, auch Fortschritte in ihrem Beitrittsprozess machen. Ich will das für mich ganz persönlich und für Deutschland sagen: Wir fühlen uns verantwortlich, dass dieser Prozess auch gelingt, und das habe ich gestern auch noch einmal deutlich gemacht.

Eine Besonderheit des Europäischen Rats, der heute zusammengekommen ist, war natürlich, dass ich heute einmal wieder den französischen Präsidenten und Frankreich vertreten durfte – aus einem bitteren Anlass. Wie alle wissen, ist Präsident Macron, ist Emmanuel unterwegs nach Mayotte gewesen, weil dort eine furchtbare Naturkatastrophe unglaublich viele Opfer gekostet hat. Wir fühlen mit Frankreich, wir fühlen mit denjenigen, die ihre Angehörigen, Freunde und Familien verloren haben oder die jetzt in schwerster Not sind. Deshalb haben wir auch alle gesagt, dass wir hilfreich sein wollen – Deutschland hat das auch getan, ich auch. Wir wissen, dass das THW-Technisches Hilfswerk auch bereits selber angeboten hat, zum Beispiel Zelte und Feldbetten zur Verfügung zu stellen. Wir werden weiter in dieser Richtung aktiv sein und tun, was von uns gewünscht wird.

Es hat hier bei diesem Gipfel und, wie Sie wissen, auch gestern in einem weiteren Gespräch einen Austausch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj gegeben, mit dem ich mich selbst nun schon viele, viele Stunden lang immer wieder unterhalten habe – zuletzt in Kyjiw über zwei Stunden lang in einem ganz direkten Gespräch über alle Fragen, die unsere gemeinsame Bewertung der Situation betreffen. Das war wichtig, weil wir wirklich viel Zeit genutzt haben, um die strategische Situation zu betrachten und zu diskutieren, wie es weitergehen soll und wie wir sowohl die Lage in der Ukraine mit dem unverändert brutal vorgetragenen Angriffskrieg Russlands als auch die geopolitische Lage und die Auswirkung auf die Perspektiven der Ukraine beurteilen.

Für uns und für Deutschland ist wichtig, dass die Ukraine sich sicher ist, dass sie sich auf uns verlassen kann. Und sie kann sich da auch sicher sein: Wir werden die Ukraine so viel und so lange unterstützen, wie das notwendig ist. Das ist auch eine Botschaft an den russischen Präsidenten: Er soll nicht damit rechnen, dass wir die Ukraine alleinlassen werden; denn sie muss ihre Souveränität und ihre Unabhängigkeit verteidigen können. Deutschland hat dazu in der letzten Zeit als der mit Abstand größte Unterstützer der Ukraine beigetragen, auch im Hinblick auf militärische Unterstützung.

Noch einmal zur Erinnerung: Wir haben im Wert von 28 Milliarden Euro Waffen geliefert bzw. Waffen zugesagt, die unmittelbar vor der Zusendung stehen, und wir werden auch im nächsten Jahr weiter militärische Unterstützung zur Verfügung stellen. Alles zusammengerechnet, was wir an Unterstützung bilateral zur Verfügung gestellt haben, beträgt 37 Milliarden Euro. Wenn man dann noch betrachtet, dass wir etwa sieben bis acht Milliarden Euro Kosten für die Unterstützung der über eine Million Flüchtlinge haben, die nach Deutschland gekommen sind, und berücksichtigt, was wir über die Europäische Union mit finanzieren, dann sieht man, dass das insgesamt eine sehr beachtliche, sehr, sehr große Summe ist, wenn man das alles seit Beginn des Krieges zusammenrechnet ‑ auf alle Fälle nach den USA, wie gesagt, mit Abstand die größte Unterstützung. Darauf kann sich die Ukraine auch weiter verlassen. Was jetzt gerade kommt, sind ein weiteres IRIS-T-System ‑ heute, glaube ich ‑ und weitere Gepard-Panzer, die wir mit all der Munition zur Verfügung stellen, deren Produktion wir neu aufgenommen haben.

Die Unterstützung der Ukraine muss so geordnet sein, dass es nicht zu einer Eskalation des Krieges, zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO kommt; auch das ist sehr klar. Sie muss gleichzeitig so stark sein, dass eben kein Diktatfrieden zustande kommt. Die Ukraine muss unabhängig bleiben und ihre Souveränität verteidigen können. Deshalb war mir wichtig, noch einmal in allen Gesprächen darauf zu bestehen, dass es keine Entscheidung über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg geben kann ‑ und übrigens auch nicht über die Köpfe der Europäerinnen und Europäer hinweg.

Wie gesagt, ich hatte mit dem ukrainischen Präsidenten sehr ausführlich gesprochen. Vor einiger Zeit hatte ich auch ein Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten, das mich noch einmal darin bestätigt hat, dass er bisher von seinen Kriegsabsichten nichts zurückgenommen hat. Ich habe aber auch wiederholt mit dem amerikanischen President-elect, mit Präsident Trump gesprochen ‑ auch heute wieder, nachdem ich schon vor einiger Zeit ein ausführliches Gespräch mit ihm hatte. Das ist mir auch wichtig, weil wir eine koordinierte Politik zwischen Europa und den USA sowie zwischen Deutschland und den USA brauchen. Ich halte es genau in dieser Situation für notwendig, dass wir unsere Kräfte zusammenfassen. Mein Eindruck ist: Das ist auch gut möglich, und es wird uns gelingen, dass wir die Ukraine nicht alleinlassen und dass wir alles dafür tun, dass sie souverän bleibt, dass sie auf ihrem Pfad in Richtung Europäische Union nun nicht gehindert wird und dass sie eine starke Nation mit einer sehr umfassenden eigenen Armee ist, die wir alle miteinander ausrüsten. Gleichzeitig muss das Töten enden. Auch das ist eine zentrale Aussage für mich und für viele, auch in der Ukraine.

Wir haben uns heute auch noch über die Lage Europas in der Welt unterhalten. Das ist aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig. Die Welt wird immer multipolarer. Ich halte es für eine Illusion, von der Perspektive einer bipolaren Welt auszugehen. Vielmehr wird es viele mächtige Staaten auf der Welt geben, die nicht jeder heute schon im Blick hat – in Afrika, im Süden Amerikas und in Asien –, die teilweise auch sehr große Nationen sind und deren wirtschaftliche Kraft wachsend zunimmt, sodass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um auf Augenhöhe miteinander Partnerschaften zu begründen und die Zusammenarbeit zustande zu bringen.

Für Europas Rolle in der Welt ist es auch zentral, dass wir Handelsabkommen abschließen. Deshalb begrüße ich sehr, dass es jetzt nach ebenfalls 20-jährigen Verhandlungen endlich gelungen ist, eine Verständigung über das MERCOSUR-Abkommen zustande zu bringen. Ich unterstütze die Kommission in ihrem Bestreben – ich glaube, sie hat auch gut verhandelt. Wenn die konkreten Dokumente vorliegen, werden auch einige, die gegenwärtig noch skeptisch sind, sehen, dass das gut gemacht ist, dass man keine Sorgen mit Blick auf bestimmte heimische Produkte und Märkte haben muss und dass das neues wirtschaftliches Wachstum in Europa und in den Staaten im Süden Amerikas möglich macht.

Wir brauchen in dieser veränderten Lage mehr Handelsverträge. Mir ist ganz komisch, wenn nun ausgerechnet Europa wegen innerer Blockaden nicht dazu in der Lage wäre, Handelsverträge mit Ländern und Regionen abzuschließen. Deshalb bin ich dafür, dass wir auch an dieser Stelle sehr aktiv sind, um darauf hinzuwirken, dass da noch mehr zustande kommt. Mein Vorschlag ist immer, EU-only-Verträge sehr zu präferieren, die mit Mehrheit beschlossen werden können, und vielleicht das, was nur einer anderen Beschlusslage mit Ratifizierung in vielen Ländern zugänglich ist, so zustande zu bringen, dass es für diejenigen gilt, die es unterschrieben und ratifiziert haben.

Wir haben dann natürlich auch über die Wettbewerbsfähigkeit Europas gesprochen, was mir sehr wichtig ist. Das ist die Grundlage dafür, dass wir wirtschaftlich erfolgreich sein können und dass wir eine Rolle spielen. Auch für unseren Wohlstand ist das wichtig. Zu dieser Wettbewerbsfähigkeit gehört, dass die neue Kommission jetzt den Bürokratieabbau und die Abschaffung von vielen Berichtspflichten zu einem zentralen eigenen Thema macht  weg von Ankündigungen hin zu realen Taten. Wir haben der Kommission zu einzelnen Vorhaben auch selbst schon sehr umfassende Vorschläge gemacht, und wir erwarten, dass uns alle diesbezüglich sehr bald ein sehr, sehr großer Vorschlag erreicht, sodass wir auch den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen in unseren Ländern zeigen können, dass das jetzt von der Ankündigung zur Tat vorangeschritten ist.

Zur Wettbewerbsfähigkeit gehört neben dem Bürokratieabbau und vielen, vielen Themenbereichen, in denen das eine Rolle spielt, natürlich auch die Auseinandersetzung mit den industriellen Kernen Europas. Einer davon ist die Autoindustrie. Sie ist sehr prägend für unseren Kontinent. Sie ist über viele, viele Länder verflochten. Manchmal entsteht wegen der Herkunft der verschiedenen Unternehmen der falsche Eindruck, dass es sich um einzelne Länder handelt, die bei der Autoindustrie berührt sind, aber tatsächlich gibt es in Europa fast kein Land, das nicht in die ökonomischen Netzwerke eingeflochten ist, die mit der Produktion von Autos verbunden sind. Wir müssen es deshalb hinbekommen, dass wir mit unseren Produktionen, die wir hier haben, global wettbewerbsfähig bleiben.

Deshalb bin ich sehr dankbar, dass die Kommissionspräsidentin einen strukturierten Dialog mit der Autoindustrie angekündigt hat. Wir haben heute auch auf meinen Vorschlag hin vereinbart, dass wir im März im Rat über das Ergebnis dieses Dialogs diskutieren werden und die Ergebnisse zusammentragen werden. Es gibt viele Dinge, die wir konkret miteinander diskutieren müssen.

Dazu zählt zum Beispiel, dass es eine Verständigung über die Zollpolitik mit China in der Frage von E-Fahrzeugen geben muss. Das ist zugesagt, und ich hoffe, dass das jetzt, wo alle jetzt ihre neuen Ämter eingenommen haben, mit großer Anstrengung auch gelingt.

Zweitens macht es in dieser konkreten Lage unserer Automobilindustrie keinen Sinn, wenn Strafzahlungen zusätzlich die Liquidität und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen. Wir schlagen also vor, es nicht dazu kommen zu lassen und Wege zu finden, wie wir davon wegkommen.

Das Dritte ist: Wir brauchen auch Fördermaßnahmen, Incentives, Anregungen dafür, dass Elektrofahrzeuge gekauft werden. Da das ein europäischer Markt mit, wie ich eben schon gesagt habe, unglaublich vernetzten Produktions-, Liefer- und Kundenstrukturen ist, wäre es das Beste – und dafür werbe ich sehr –, dass wir eine europäische Lösung finden, was Kaufanreize betrifft. Ob sie, wie ich das vorschlage, zum Beispiel steuerlich organisiert sind oder ob sie mit Kaufprämien gesetzt werden, das kann man dann miteinander bereden; sowohl die einen als auch die anderen Lösungen sind gut.

Im Ergebnis macht das aber Sinn. Selbst wenn man nur die deutschen Automobilkonzerne oder auch ein großes französisches Unternehmen wie Stellantis zum Maßstab nimmt, dann sieht man: Die haben Produktionsstätten überall in Europa. – Insofern kann man Autoförderung gar nicht konkret auf ein Unternehmen, auf ein bestimmtes Produkt oder sonst etwas zuschneiden. Jedenfalls wäre das sehr, sehr kompliziert. Wer in Deutschland bestimmte Autos kaufen will, der bekommt sie von dem deutschen Automobilunternehmen, aber manchmal nicht aus Deutschland, und wer ein französisches Auto kaufen will, der bekommt es manchmal aus Deutschland. So sind die Dinge. Deshalb ergibt es Sinn, dass wir einen gemeinsamen Ansatz wählen.

Das Gleiche gilt für die Stahlindustrie. Auch darüber haben wir gesprochen. Ich hatte angekündigt, dass ich hier darauf zu sprechen kommen werde. Wir sind übereingekommen, dass es entsprechend meines Vorschlages eine große Konferenz mit der Stahlindustrie geben soll, die von der Kommission organisiert wird. Das ist ja auch etwas Besonderes. Europa in seiner heutigen Struktur ist einst aus der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl herausgewachsen. Für den Stahl jedenfalls gilt, dass die Wirtschaft mit ihm auch noch in 100 und 200 Jahren agieren wird.

Dank des weitgehenden Übergangs zu Kreislaufwirtschaftsmodellen in bestimmten Bereichen wird viel wiederverwendet. Aber es wird auch noch Eisenerz verarbeitet werden müssen. Deshalb muss Stahlproduktion in allen Qualitäten in Europa stattfinden. Das ist bedroht, nicht wegen der Qualität der Stahlindustrie in Europa, sondern – das sieht man überall, wenn man sich die einzelnen Unternehmen in Europa anschaut – wegen der Überkapazitäten auf dem Weltmarkt und der Gefahr von Dumpingangeboten, die aus anderen Regionen der Welt nach Europa kommen. Deshalb muss ein solcher Stahlgipfel in Europa auch die Frage von Zollpolitiken, die vor Dumping schützen, mitverhandeln. In diesem Fall scheint mir das jedenfalls angemessen zu sein.

Neben der Frage der Wettbewerbsfähigkeit unseres europäischen Kontinents haben wir natürlich auch die anderen Fragen, die uns umtreiben, hier beredet, etwa die Frage der Migration, bei der wir ja große Fortschritte erreicht haben, zuletzt mit der Reform durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem, jüngst mit den Entscheidungen gegen Schleuserkriminalität, die die Innenminister getroffen haben, mit sehr verstärkten Maßnahmen zum Außengrenzschutz und vielen nationalen Maßnahmen. Deutschland hat es mit seinen Maßnahmen, die ich Ende 2022 und Anfang 2023 auf den Weg gebracht habe und die Stück für Stück beschlossen worden sind, geschafft, dass die irreguläre Migration erheblich zurückgegangen ist und die Zahl der Asylgesuche in den letzten Monaten fast 50 Prozent geringer geworden ist. Das heißt, ein entschlossener, pragmatischer Kurs ist hilfreich.

Wir haben uns dann auch wieder mit der ganzen Lage im Nahen Osten beschäftigt, notwendigerweise. Alle Dimensionen sind besprochen worden, die es wirklich zu einem großen Thema auch Europas machen, dazu gemeinsam zu handeln.

Zuallererst und zunächst hat natürlich die neue Situation in Syrien eine Rolle gespielt, die wir sehr vertieft diskutiert haben. Ich will für mich gern sagen, dass es immer noch eine große Freude ist, dass Assad nicht mehr da ist. Er hat sein eigenes Volk verfolgt; er hat Leute gefoltert. Das war ein ganz schlimmer Diktator, und dass er jetzt weg ist, ist gut für die Syrerinnen und Syrer.

Jetzt geht es um die Frage, ob die syrische Nation mit ihren unterschiedlichen Volksgruppen und mit ihren unterschiedlichen Regionen eine pluralistische, gemeinsame Zukunft entwickeln kann, in der alle friedlich und sicher leben können. Dafür werben wir, und deshalb sind wir auch mit den verschiedenen Gruppen, die jetzt dort Einfluss und Macht haben, im Gespräch und wollen unseren Beitrag dafür leisten, dass das gelingt. Das bedeutet natürlich, dass ein rechtsstaatlicher Prozess möglich sein muss und dass demokratische Prozesse möglich sein müssen. Dass sich, wie gesagt, Gruppen vor den anderen nicht fürchten müssen, gilt auch für die kurdische Bevölkerung in Syrien. Das gilt auch für Frauenrechte, wenn ich das hier einmal ausdrücklich sagen darf, die natürlich immer beachtet werden müssen und die uns und mir ganz persönlich sehr wichtig sind.

Wir haben über die Lage im Libanon gesprochen und hoffen, dass die getroffenen Vereinbarungen jetzt umgesetzt werden und eine längerfristige Friedensperspektive entstehen kann.

Wir haben auch wieder über den Konflikt im Zusammenhang mit Israel und Gaza gesprochen. Die Perspektive, die wir dort gemeinsam formuliert haben, ist sehr klar. Wir verurteilen den Angriff der Hamas auf israelische Bürgerinnen und Bürger. Das war brutal. Deshalb ist das, was jetzt zuallererst ansteht, ein Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung der Geiseln. Es scheint so zu sein, dass dort in den Verhandlungen zuletzt Fortschritte wie noch nie gemacht worden sind. Angesichts der vielen Enttäuschungen der letzten Zeit will ich nicht sagen, dass das etwas wird, aber ich würde es mir sehr wünschen. Ich denke, das wäre auch eine gute Botschaft, auch gerade zum Ende des Jahres. Es wäre eine Basis dafür, dass eine friedliche Perspektive für ein Nebeneinander eines palästinensischen Staates mit dem Staate Israel möglich ist. Die Zweistaatenlösung ist ja einer der Konsense, die wir haben. Es wäre auch die Grundlage dafür, zum Beispiel die nötige humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen zu lassen.

Es war also ein sehr umfassender Rat, der die Themen, von denen Europa und die Bürgerinnen und Bürger Europas gegenwärtig herausgefordert sind, sehr intensiv besprochen hat. Ich will ausdrücklich wiederholen, was ich eingangs gesagt habe: Es hat sich sehr bewährt, dass sich der neue Präsident des Rates so sehr dafür eingesetzt hat, dass wir keine Textarbeit leisten, sondern über Politik diskutieren. Das ist gelungen, und das ist ein guter Fortschritt.

Fragerunde im Anschluss:

Frage: Herr Selenskyj fordert Unterstützung für den neuen französischen Plan, für internationale Truppen in der Ukraine. Können Sie das kurz erläutern? Ist Deutschland dabei?

Die zweite Frage: Sie haben heute Morgen an alle Bündnispartner appelliert, dass die Ukraine so lange Unterstützung bekommen soll wie nötig. Hat Ihnen der künftige US-Präsident Trump in Ihrem Telefonat dazu Zusagen gemacht? Haben Sie sich mit ihm im Weißen Haus verabredet?

Bundeskanzler Scholz: Wir haben natürlich über alles gesprochen. Aber wir sind uns sehr einig, übrigens auch mit dem ukrainischen Präsidenten, dass jetzt nicht der dritte und vierte Schritt vor dem ersten gemacht werden soll. Die Frage, wie eine konkrete Ausgestaltung einer Sicherheitsarchitektur nach einem Friedensschluss aussehen kann, ist gegenwärtig gar nicht wirklich vernünftig zu bereden. Es muss aber etwas sein, das aus unserer Sicht auch transatlantisch strukturiert ist. Insofern hat es keine Diskussion über Bodentruppen oder etwas Ähnliches gegeben, weil das gar kein Thema ist, wenn ich das sagen darf. Es wäre gegenwärtig ein Fehler, das hier ausführlich zu verhandeln.

Ich habe mit dem amerikanischen Präsidenten gesprochen und will gern sagen, dass ich ganz zuversichtlich bin, dass die USA wie Europa ihre Unterstützung der Ukraine fortsetzen werden, aber natürlich mit einer klaren Perspektive, dass es einen fairen Frieden für die Ukraine gibt, die ihre Souveränität verteidigen kann, und dass das Töten endet, wenn ich es einmal so sagen darf.

Für mich ist ganz klar, dass wir alles dafür tun müssen, dass das möglich wird. Wir können ja auch im Blick haben, dass sich vieles geändert hat. Wenn man die Pläne Russlands am Anfang anschaut, dann stellt man fest, dass sie alle nichts geworden sind. Die NATO ist stärker geworden. Sie hat zwei neue Mitglieder. Es wird mehr für Verteidigung ausgegeben. Die Ukraine hat ihren Pfad nach Europa eingeschlagen. Die Kritik Putins vor dem Krieg war das Assoziierungsabkommen. Das, was jetzt kommt, ist eine Mitgliedschaft einer demokratischen, auf Europa bezogenen Ukraine mit einer starken Armee in der Europäischen Union, in jedem Fall. Das sind wichtige Punkte, auf denen man aufbauen kann, wenn man nach einem Frieden für eine souveräne Ukraine sucht. Das war das Thema, das wir besprochen haben. Es war auch nur das.

Zuruf: Haben Sie sich für ein Treffen ‑ ‑ ‑

Bundeskanzler Scholz: Das ist etwas, was im Gange ist. Ich sage noch einmal: Wir haben über die Ukraine geredet.

Frage: Herr Bundeskanzler, eine Frage zu Syrien: Es gibt eine beginnende Debatte über die Aufhebung von Sanktionen, natürlich insbesondere der Wirtschaftssanktionen, auf Öl- und Gasindustrie, Flugverkehr. Wie haben Sie darüber heute Abend diskutiert, und unter welchen Bedingungen halten Sie selbst es für möglich oder sinnvoll, in eine Erleichterung einzusteigen?

Damit verknüpft noch zwei weitere Aspekte: Wie sehen Sie die Rolle der russischen Militärpräsenz in Syrien? Sollte das eine Rolle spielen, wenn man mit der neuen Führung über die Aufhebung der Sanktionen spricht?

Ab wann halten Sie es für möglich, dass Syrer in größerer Zahl in das Land zurückkehren können?

Bundeskanzler Scholz: Zunächst einmal ist die Situation jetzt noch wenig überschaubar. Deshalb ist es aber genau richtig, dass wir Gespräche führen. Auch wir haben ja Kontakte zu verschiedenen Gruppen aufgenommen. Auch mit denjenigen, die dort jetzt Einfluss haben, sind Gespräche geführt worden, und wir werden das fortsetzen. Sie wissen, dass die Europäische Union ihre Delegation wieder einsetzbar machen wird, und auch wir prüfen, wie und ab wann wir unsere Präsenz in Syrien wieder so organisieren können, dass wir auch mit all dem, was Deutschland dann an Präsenz haben kann, da sind, um selbst die Situation gut beurteilen zu können, auch aus einer permanenten Perspektive.

Was die Sanktionen betrifft, muss zügig und schnell entschieden werden. Aber das gehört natürlich in den ganzen Reigen der Dinge, die jetzt aus diesen Gesprächen und aus der Beobachtung heraus zu betrachten sind. Ich will das für mich einmal so sagen: We like what we hear. Wenn es so sein wird, wie wir jetzt hören, dass es uns die neuen Machthaber ankündigen, dann ist die Möglichkeit, dass dort eine multiethnische, pluralistische Gesellschaft mit rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen entsteht, durchaus da. Aber diesbezüglich darf man sich jetzt nicht von Hoffnung leiten lassen, sondern man muss auch beobachten können, dass da etwas passiert. Dass in dem Zusammenhang auch die wirtschaftliche Entwicklung eine große Rolle spielt und deshalb auch die Frage zügig bewertet werden muss, ob Sanktionen zurückgenommen werden können, gehört dazu. Ich jedenfalls appelliere an alle, dass sich niemand dafür viel Zeit lässt, sondern dass man schnell Entscheidungen trifft, aber geordnet, wohlbedacht und nachdem man genügend Informationen hat, die dann eine solche Entscheidung auch rechtfertigen. Bloß auf Hoffnung und Hörensagen, sollte das nicht begründet sein.

Ich finde die Diskussion über die Rückkehr syrischer Bürgerinnen und Bürger, die in unseren Ländern Schutz gesucht haben, an einigen Stellen sehr befremdlich, und das ist eine höfliche Aussage. Denn noch kann sich keiner sicher sein, dass er zurückkehrt. Aber wir können uns sicher sein, dass es viele gibt, die zurückkehren wollen, wenn sich die Lage entspannt und man das tun kann. Das werden wir dann begleiten und möglich machen. Sie wissen, dass wir die Entscheidung getroffen haben, dass wir wegen der unsicheren Lage keine neuen Asylentscheidungen treffen können. Denn wir wissen ja gar nicht, wie die Lage ist, auf deren Basis die zuständigen Behörden eine solche Entscheidung treffen müssten.

Ich will ganz klar sagen, damit es keine Missverständnisse gibt: Wer gut integriert ist, wer in Deutschland studiert, wer in Deutschland arbeitet, wer die deutsche Sprache spricht, der kann bleiben, selbst wenn sich die Verhältnisse im Heimatland geändert haben. Das, finde ich, gebietet die Humanität.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich habe eine Nachfrage zu Ihrem Telefonat mit dem US-Präsidenten. Könnten Sie uns schildern, wie lange das Telefonat ungefähr gedauert hat?

Hat Trump Ihnen gegenüber etwas näher erläutert, wie er auf den russischen Präsidenten oder auch den ukrainischen Präsidenten einwirken will, damit es zu dem schnellen Friedensschluss kommt, über den Sie beide gesprochen haben?

Bundeskanzler Scholz: Gestatten Sie mir, dass ich bei der Beantwortung dieser Frage ein bisschen zurückhaltend bin. Es muss die Möglichkeit geben, dass man vertraulich miteinander diskutiert, ohne dass man sozusagen ein Tonband mitlaufen lässt. Ich verstehe, dass Sie das gern so hätten, und das ist auch professionell beeindruckend. Aber auch wir als Politiker haben eine Art professionellen Stolzes, und das heißt, dass es die Möglichkeit geben muss, vertraulich zu sprechen. Wir haben aber genau die Themen beredet, von denen ich Ihnen hier berichtet habe. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Frage: Sie haben heute verschiedentlich auch mit den anderen Staats- und Regierungschefs, haben Sie gerade gesagt, über die Autoindustrie gesprochen. Sie haben sich für Kaufreinreize und dafür eingesetzt, dass die Strafzahlungen, die im kommenden Jahr drohen, ausgesetzt werden. Diese Forderung ist ja etwas, das Sie mit den politischen Hauptkonkurrenten gemeinsam haben. Aus Italien gibt es diese Forderung auch. Andere Mitgliedstaaten unterstützen das. Meine Frage in der Hinsicht ist: Welche Rückmeldungen bekommen Sie? Wird die Kommission das also machen, dass sie diese Zahlungen aussetzt oder verzögert? Da gibt es ja verschiedene Vorschläge.

Das Zweite ist mit Blick auf Trump: Er droht verschiedentlich mit der Einführung von Zöllen. Das ist etwas, dass die Situation der Automobilindustrie, aber auch der Stahlindustrie erheblich verkomplizieren könnte. Ist Europa ausreichend auf diese Drohung, auf diese mögliche Einführung von Zöllen vorbereitet bzw. wie sollte Europa darauf reagieren?

Bundeskanzler Scholz: Meine Diskussionen, die ich ja jetzt nicht nur heute, sondern auch schon seit Längerem mit vielen Staats- und Regierungschefs in Deutschland führe, aber auch mit der Kommissionspräsidentin, sind eigentlich so, dass ich sehr gute Rückmeldungen bekomme. Ich glaube, da wird etwas passieren. Deshalb ist es auch sehr gut, wie ich eben gesagt habe, dass die Kommissionspräsidentin mit der Automobilindustrie diesen strukturierten Dialog führt. Es ist ja wichtig, dass man nicht über die Köpfe derjenigen, die dort als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten, und der Unternehmen hinweg Entscheidungen trifft, sondern dass man sich mithilfe ihrer tiefen Kenntnis auch schlaumacht und das in die eigene Entscheidung einbezieht, dass wir aber dann auch zügig etwas tun müssen. Das ist eine Kernindustrie in Europa und natürlich auch in Deutschland. Ich habe den Eindruck, dass alle jetzt nach Wegen suchen, wie man vermeiden kann, dass nach Ablauf des Jahres 2025 – darum geht es ja – dann Strafzahlungen anfallen, wenn einzelne Unternehmen das nicht erreicht haben.

Es ist ja mittlerweile so, dass man fairerweise den Unternehmen zugutehalten muss: Sie haben jetzt die Modelle entwickelt und bieten sie an. Viele kommen auch noch im nächsten Jahr und Anfang übernächsten Jahres auf den Markt. Jetzt kann man nicht als Staat verordnen, wann die Konsumenten „Also, das ist jetzt mein Ding!“ sagen, um es einmal so zu sagen. Das setzt dann auch vom Gesetzgeber, in diesem Fall dem europäischen, eine gewisse entspannte Umgangsweise damit voraus, dass eine technologische Modernisierung auch allseits akzeptiert wird. Das kann man nicht verordnen. Da, glaube ich, ist es dann auch gerechtfertigt, von den Strafzahlungen abzusehen und einen Weg zu suchen, wie das geht. Der ist nicht ganz unkompliziert, aber ich habe so vertiefte Gespräche geführt, dass ich glaube, da wird einer gefunden werden. Das ist also meine gegenwärtige Prognose.

Was die Handelspolitik betrifft – ich habe es vorhin schon gesagt –, bin ich ja ein großer Anhänger der Globalisierung. Ich glaube, dass die Welt dadurch mehr Wohlstand gewonnen hat und dass es uns Wohlstand kostete, wenn wir das zurückdrehen würden und die Welt in Regionalmärkte aufteilen würden. Das würde bei bestimmten Produktionsentwicklungen und -technologien gar nicht die Größenordnungen möglich machen, die notwendig sind, um weltweit mit bestimmten Verbesserungen auch Wettbewerb machen zu können. Deshalb ist meine Überzeugung, dass wir alles dafür tun müssen, dass wir ein gutes Miteinander zwischen den USA und Europa haben. Die USA sind stark. Europa ist auch eine sehr starke Wirtschaftsregion und mit seiner Europäischen Union ja auch gerade, was Wirtschaft und Handel betrifft, stark aufgestellt. Vielleicht ist das auch die Grundlage für ein gutes Auskommen. Wir werden sehen. Aber wir sind ja beide so, dass man sagen kann: Besser, man kooperiert, auch in dieser Frage.

Frage: Herr Bundeskanzler, wer sollte Ihrer Meinung nach im Namen der EU federführend diese Diskussionen und Verhandlungen hinsichtlich des Handels und der Ukraine, die Sie eben erwähnt haben, mit Donald Trump führen?

Bundeskanzler Scholz: Da gebe ich jetzt gern zu, dass ich nicht weiß, worauf Sie mit der Frage hinauswollen. Da gibt es ja Zuständige, die Kommissionspräsidentin zum Beispiel, die zuständigen Kommissare. Wir alle sind an dem Thema politisch interessiert. Niemand wird sich heraushalten; es ist ja wichtig. Aber ich weiß nicht, was Sie ‑ ‑ ‑

Zusatzfrage: Aber gibt es eine Person, die Ihrer Meinung nach federführend diese Gespräche führen sollte? Sie haben zum Beispiel die Kommissionspräsidentin erwähnt. Wer sollte zum Beispiel den ersten Schritt tun und als Erster dorthin fahren?

Bundeskanzler Scholz: Die EU handelt als Europäische Union. Die hat eine Präsidentin, die hat Kommissare, und die werden ihren Prozess schon organisieren. Das ist eine Frage, bei der ich jetzt nicht weiß, worauf das hinauslaufen soll. Das wird schon ordentlich laufen. Es ist nur so, dass es eine hohe Priorität hat. Da sollte nicht ein Beamter der Erste sein, der sich mit der Frage beschäftigt, bei aller Wertschätzung für die Qualität dieser Arbeit. Aber das ist schon hochpolitisch, und das muss schon die Kommission als großes Thema begreifen.

Staatssekretär Steffen Hebestreit: Da freut sich der Beamte auf diesem Podium.

Bundeskanzler Scholz: Ich habe extra etwas Lobendes gesagt.

Staatssekretär Hebestreit: Aber es kam ein bisschen gezwungen.

Bundeskanzler Scholz: Nein, nein, nein.

Frage: Herr Bundeskanzler, eine kurze Nachfrage zu dem Telefonat von heute: War das rein bilateral, oder haben Sie vorher und nachher Ihre Kolleginnen und Kollegen im Rat über die Inhalte informiert, über die Sie mit Herrn Trump gesprochen haben?

Eine zweite Frage: Ratspräsident Costa hat ja ganz gezielt Raum für große strategische Fragen gegeben. Welche ganz konkreten Erkenntnisse haben Sie denn aus dieser Diskussion mitgenommen?

Bundeskanzler Scholz: Es ist immer so, dass wir einen Austausch zwischen den europäischen Staaten haben. Auch dabei lassen wir kein Tonband mitlaufen und spielen es ab. Aber ich will ausdrücklich sagen: Es gehört sich schon so, dass wir uns miteinander austauschen. Darauf können Sie sich verlassen. Das passiert immer sehr professionell.

Zusatzfrage (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Bundeskanzler Scholz: Nicht in der jetzigen Sitzung, aber das geht vor sich.

Zusatz (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Bundeskanzler Scholz: Es gehört dazu. Ich weiß nicht, wie Sie sich die Welt vorstellen. Wir arbeiten ganz gut zusammen und reden viel miteinander und haben auch Systeme, wie das gut läuft.

Das Zweite ist ‑ ‑ ‑

Zusatz: Strategische Fragen.

Bundeskanzler Scholz: Ja, das war sehr gut. Wir haben auch strategisch diskutiert. Ich habe mehrfach den Satz gehört: So gut haben wir noch nie diskutiert. Hier ist wirklich vertieft diskutiert worden, etwa, was die Frage des Ukrainekonflikts betrifft. Das gilt aber jetzt auch für die Situation der Wettbewerbsfähigkeit Europas, die Stahl- und Autoindustrie – das, was wir vorhin hatten – und das Thema Naher Osten. Das hat sich also bewährt, und ich glaube, das wollen auch alle gerne wieder so haben.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema der Wettbewerbsfähigkeit. Ein großes Problem der europäischen Industrie sind die Energiekosten. Wie, denken Sie, kann man das Problem schnell lösen?

Was das Thema der Kapitalmarktunion betrifft: Spüren Sie derzeit einen politischen Willen, endlich Fortschritte zu machen?

Wie bewerten Sie schließlich insgesamt die Initiativen, die Ursula von der Leyen für die nächsten Monate schon angekündigt hat?

Bundeskanzler Scholz: Zunächst einmal will ich unterstreichen: Die Kapitalmarktunion ist einer der unverzichtbaren Fortschritte, den wir hinbekommen müssen. Das muss auch von Resolutionen wegkommen und zu realem Handeln werden. Wenn Sie Europa einmal mit den USA vergleichen, dann werden Sie sehen, dass ein erheblicher Teil der privatwirtschaftlichen Finanzierung von Unternehmen über den Kapitalmarkt – nicht über Kredite und Darlehen – in Europa nicht in gleicher Weise gut funktioniert, wie das woanders der Fall ist. Das ist ein Wachstumsproblem für Europa, und deshalb sind der französische Präsident und ich uns sehr einig, dass wir da jetzt nicht nur Druck gemacht haben, sondern mit dem auch nicht nachlassen werden, damit da jetzt wirklich etwas passiert. Aber wir sind zumindest auf offene Ohren gestoßen, auch bei der Diskussion, die wir nicht heute geführt haben, aber beim letzten Rat, dem informellen in Budapest, bei dem das sehr ausführlich eine Rolle gespielt hat, auch von meiner Seite und der des französischen Präsidenten. Ich glaube, wir werden da etwas hinbekommen.

Was die Energiepreise betrifft, gibt es ja verschiedene Aspekte, die eine Rolle spielen. Das eine ist die Frage: Wie können wir die Märkte so organisieren, dass wir da, wo wir zum Beispiel im größten Umfang auf den Import von Energie angewiesen sind – unverändert insbesondere Kohle, Gas und Öl, noch in der Übergangsperiode bis zur Mitte des Jahrhunderts –, diese natürlich zu möglichst günstigen Preisen importieren wollen. Anders geht es ja nicht. Das heißt: Wir müssen Importstrukturen ausbauen. Das haben wir überall gemacht – zum Beispiel mit dem Bau von Flüssiggasterminals, wenn es um Gas geht, und dem Ausbau der Infrastrukturen zwischen unseren Ländern –, und das bleibt eine unverändert zentrale Aufgabe, die uns heute auch noch einmal umgetrieben hat. Auch darüber kann man durch die Vervielfältigung des Angebots und der Importmöglichkeiten billigere Preise ermöglichen, und das ist unser Ziel.

Das Zweite ist natürlich, dass wir davon profitieren, dass neue Investitionen uns zum Beispiel billige Stromversorgung möglich machen können. Da gibt es in Europa aber unterschiedliche Wege, und da will ich jetzt so diplomatisch bleiben, wie es geht. Wir haben uns in Deutschland vorgenommen, dass wir es angesichts der Tatsache, dass die Produktion von Strom mit erneuerbaren Energien an sich billig ist, so organisieren wollen, dass er dann nachher bei den Verbrauchern, Unternehmen und insbesondere der großen energieintensiven Industrie auch billig ankommt, und werden deshalb insbesondere daran arbeiten, dass der Ausbau des großen, die Regionen unseres Landes verbindenden Übertragungsnetzes nicht nur weiterhin schnell vorankommt – das haben wir schon auf den Weg gebracht –, sondern auch nicht zu teuer wird. Ich persönlich schlage für Deutschland vor, dass wir die Übertragungsnetzkosten auf drei Cent pro Kilowattstunde begrenzen, um damit allen Investitionssicherheit zu geben. Aber dafür sind in anderen Ländern wegen der anderen Produktionsstruktur für Energie, wie sie offensichtlich ist, andere Entscheidungen erforderlich.

Frage: Zum Thema Georgien: Sie hatten ja auch schon bereits im Vorhinein das Vorgehen der Regierung dort kritisiert, im Gegensatz zu dem der Protestierenden. Bisher sind Sanktionen ja wegen Ungarn und der Slowakei gescheitert. Können Sie vielleicht Einblicke geben, wie heute über weitere konkrete Schritte diskutiert wurde?

Bundeskanzler Scholz: Wir haben ja eine gemeinsame Aussage dazu getroffen, wie Sie in den gemeinsamen Schlussfolgerungen wahrscheinlich schon gesehen haben. Falls nicht, verweise ich darauf. Das ist gelungen, und das betrifft insbesondere natürlich auch, dass wir sehr darauf bestehen müssen, dass jemand, der seine Meinung äußert oder Kundgebungen veranstaltet, nicht drangsaliert wird oder um seine Sicherheit fürchten muss. Wir haben auch noch einmal sehr klare Anforderungen an demokratische Prozesse zum Ausdruck gebracht und auch noch einmal vertieft betrachtet, dass sich zum Beispiel der Europarat – also nicht wir, sondern der Europarat – jetzt gerade in Form seines neuen Präsidenten in Georgien aufhält, und werden auch den Bericht sorgfältig auswerten. Wir haben ein paar Entscheidungen beim Außenministertreffen nicht treffen können, aber einzelne Maßnahmen davon können auch auf andere Weise umgesetzt werden.

Staatssekretär Hebestreit: Meine Damen, meine Herren, damit kommt diese Pressekonferenz zu Ihrem Ende. Ich darf Ihnen allen noch einmal das Wort geben. – Dem Bundeskanzler, merke ich. Nein, doch?

Bundeskanzler Scholz: Ich wollte den Satz selbst sprechen.

Staatssekretär Hebestreit: Ja, dann sprich ihn!

Bundeskanzler Scholz: Frohe Weihnachten!