Europa gemeinsam besser machen

Deutschland/Großbritannien Europa gemeinsam besser machen

Die Weiterentwicklung der Europäischen Union stand im Mittelpunkt der Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor beiden Häusern des britischen Parlaments. Gemeinsam mit ihren Partnern sollten Deutschland und Großbritannien die Union leistungs- und zukunftsfähiger machen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält eine Rede vor dem britischen Parlament.

Bundeskanzlerin Merkel hält in London eine Rede vor beiden Häusern des Parlaments

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Die Rede der Bundeskanzlerin war in Großbritannien mit Spannung erwartet worden, findet dort doch seit Längerem eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft der Europäischen Union (EU) statt. Sie wolle ihre Gedanken über die Europäische Union mit ihren Gastgebern teilen - über die Versprechungen und die Schwächen, so Merkel zu Beginn ihrer Rede.

Großbritanniens Verhältnis zur EU ist ambivalent. Einer aktiven Rolle in vielen Politikfeldern steht eine skeptische Haltung zur weiteren politischen Integration gegenüber. Premierminister David Cameron hat angekündigt, die Kompetenzverteilung zwischen EU und Nationalstaaten zu überprüfen. Anschließend soll im Land ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union stattfinden.

Dank an Großbritannien

Sie sei sich der "außerordentlich großen Ehre bewusst", in Westminster sprechen zu dürfen, so die Bundeskanzlerin. "Dieses Parlament hat zur Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa und der Welt wesentlich beigetragen."

Vor 200, 100 oder 70 Jahren wären die engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen den heutigen europäischen Partnern undenkbar gewesen. Im Gedenkjahr 2014 müsse man an die Ereignisse erinnern, die Europa dramatisch verändert hätten.

"Was wäre aus Europa geworden, wenn Großbritannien damals nicht so mutig widerstanden hätte?" Das Land habe die Hoffnung der europäischen Völker auf eine bessere Zukunft in Freiheit bewahrt. "Großbritannien braucht seine europäische Berufung nicht zu beweisen" - mit diesem Zitat des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker schlug die Bundeskanzlerin den Bogen zu dessen Rede in Westminster 1986.

Deutschland sei seinen Partnern dankbar dafür, dass sie nach den beiden Weltkriegen Vertrauen in ein demokratisches Deutschland gesetzt hätten. Auch als Verbündete: Seither haben 1,7 Millionen britische Soldaten Dienst in Deutschland geleistet.

Die deutsch-britischen Beziehungen sind eng und vertrauensvoll. Beide Staaten sind aktiv engagiert in der Europäischen Union, der Nato, den Vereinten Nationen, den G8 und in zahlreichen anderen internationalen Gremien. Wie Deutschland engagiert sich Großbritannien für den internationalen Klimaschutz.

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Fast wie ein Wunder - Die europäische Einigung

Mit der europäischen Einigung habe man die Lehren aus der blutigen Vergangenheit gezogen. Die Gründungsväter hätten den Willen zur Versöhnung gepaart mit dem "Mut zur Veränderung". Deshalb könnten heute 28 Mitgliedstaaten gleichberechtigt Europa gestalten. "Veränderung zum Guten ist möglich", so die Bundeskanzlerin. Stillstand könne schnell Rückschritt bedeuten.

Die Ereignisse in der Ukraine zeigten, wie dankbar die Bürger der EU sein könnten für das Erreichte. Die EU stehe den Bürgern der Ukraine zur Seite.

Merkel erinnerte an den Jubiläumsgipfel der EU 2007 in Berlin. Dort haben sich die Teilnehmer versprochen, "die politische Gestalt Europas immer wieder zeitgemäß zu erneuern".

Versprechen auf Frieden, Freiheit und Wohlstand

Das Friedensversprechen der Europäischen Union sei auch heute noch aktuell. Zwar sei ein Krieg zwischen den EU-Mitgliedern heute undenkbar. Das Beispiel des Westlichen Balkans zeige aber, wie nah die Gefahr immer noch sei. Heute hätten diese Länder eine europäische Perspektive - und damit die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.

Deutschland und Großbritannien treten gemeinsam in vielen Weltgegenden für den Frieden ein. Als Verbündete in Nato und EU setzten sie sich für eine bessere Abstimmung zwischen beiden Organisationen ein. Großbritannien sei nicht zuletzt "ein, wenn nicht der wichtigste Anker" der Beziehung zu den Vereinigten Staaten von Amerika.

Auch das Freiheitsversprechen der Europäischen Union müsse immer wieder neu gesichert werden. Meinungs-, Glaubens- und Pressefreiheit, aber auch die Grundfreiheiten des gemeinsamen Marktes seien wesentliche Voraussetzungen für Demokratie und Wohlstand.

Von einem Europa ohne Grenzen profitierten alle. Um die Freizügigkeit und gleichzeitig die Akzeptanz der Bürger zu erhalten, sei es notwendig, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Nur freier Handel könne den Wohlstand der europäischen Bürger sichern. Die Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit der Union müsse aber immer wieder aufs Neue gestärkt werden.

Der Fehler von Maastricht - Währungsunion ohne Wirtschaftsunion - müsse korrigiert werden. Anspruch dürfe nicht sein, "Krisen irgendwie zu überstehen". Vielmehr müsse man anstreben, aus Krisen gestärkt herauszugehen.

Den großen Aufgaben gemeinsam stellen

"Die Europäische Union muss stärker, stabiler und wettbewerbsfähiger werden als heute." Dafür brauche es starke europäische Institutionen, aber auch starke Mitgliedstaaten.

Europa müsse auch vom Wachstum auf anderen Kontinenten profitieren. Deutschland und Großbritannien setzten sich gemeinsam für das geplante Freihandelsabkommen mit den USA ein - auch als Beitrag zu Beschäftigung in Europa.

Die EU müsse auch ihre Interessen beim internationalen Klimaschutz einbringen.

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Für Vertragsanpassungen, für solide Haushalte

In der EU sei vor allem eine "engere und verbindlichere wirtschaftspolitische Koordinierung" notwendig. Dazu, so die Bundeskanzlerin, müssten die vertraglichen Grundlagen der Wirtschafts- und Währungsunion "begrenzt, gezielt und zügig" angepasst werden.

Alle Politikbereiche müssten gemessen werden an ihrem Beitrag zur Stärkung der europäischen Wirtschaftskraft. Überflüssige Bürokratie solle abgebaut werden, um so die Rahmenbedingungen für Innovation und Unternehmertum zu stärken. Dafür setzten sich Deutschland und Großbritannien gemeinsam ein.

In den Verhandlungen über den nächsten EU-Haushalt seien Deutschland und Großbritannien gemeinsam dafür eingetreten, die Aufgaben "auf das Notwendige und auf Zukunftsaufgaben" zu konzentrieren. Ein Schwerpunkt liege auf Investitionen in Wissenschaft und Forschung.

Wichtig sei es, den politischen Willen zu Veränderungen klar zu formulieren - dann werde man auch die "notwendigen rechtlichen Wege finden", um die Ziele zu erreichen.

Verantwortung für die Zukunft

Auch wenn man in einzelnen Punkten unterschiedlicher Auffassung sei - eine starke und wettbewerbsfähige Europäische Union sei das gemeinsame Ziel von Deutschland und Großbritannien.

"Einig und entschlossen" könnten Deutschland und Großbritannien ihre Werte und Interessen in der Welt vertreten und anderen Weltregionen Vorbild sein. Deshalb "brauchen wir ein starkes Vereinigtes Königreich mit einer starken Stimme in der Europäischen Union", so die Bundeskanzlerin.

Sie freue sich darauf, gemeinsam mit Großbritannien Europa zu bewegen - für das Wohlergehen künftiger Generationen.

Nach ihrer Rede traf sich Bundeskanzlerin Merkel mit Premierminister David Cameron. Anschließend wurde sie von Queen Elizabeth II. im Buckingham Palast zu einer Audienz empfangen.