„Es geht darum, diese multipolare Welt zu einer guten Welt zu machen“

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Bundeskanzler Scholz steht an einem Mikrofon, im Hintergrund ist der Regierungsflieger zu sehen.

Bundeskanzler Scholz am Flughafen Berlin vor dem Abflug zum G20-Gipfel.

Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann

Bundeskanzler Olaf Scholz

Einen schönen guten Tag! Die G20 wird in Brasilien zusammenkommen, in ganz besonderen Zeiten. Die Welt ordnet sich neu. Wir merken das an vielen, vielen Dingen, die uns alltäglich begegnen, die wir im Fernsehen, in den sozialen Medien, in den Nachrichten von Radio und Zeitungen verfolgen können, also zum Beispiel daran, dass neue Länder wichtig und bedeutsam werden. Wir hatten G20-Gipfel in Indonesien, in Indien, wir werden ihn jetzt in Brasilien haben, und der nächste ist in Südafrika – Schwellenländer. Wir sehen also: Neue, mächtige Länder treten auf der Weltbühne auf, und das ist erst einmal gut so.

Aber gleichzeitig ist mit dieser Neuordnung der Welt natürlich verbunden, dass viele Dinge neu besprochen, neu verhandelt werden müssen, und dass es darum geht, diese multipolare Welt zu einer guten Welt zu machen, die Möglichkeiten zu nutzen, die mit diesen Veränderungen verbunden sind, und nicht die Gefahren wirklich werden zu lassen, die, wenn Dinge sich ändern, immer auch auftreten können. Das ist also das, was wir besprechen werden.

Da gibt es viele Themen, die auch von dem brasilianischen Präsidenten Lula aufgerufen worden sind, mit dem ich schon lange eng zusammenarbeite und befreundet bin. Wir haben Fragen, die diskutiert werden müssen, etwa, was die Zusammenarbeit der internationalen Institutionen betrifft, die „Global Governance“. Es geht um Finanzinstitutionen, es geht um Entwicklungszusammenarbeit, es geht um Fragestellungen, die auch etwas damit zu tun haben, ob diese Länder in der Zukunft mehr Einfluss und mehr Bedeutung haben werden, zum Beispiel ja auch verbunden mit der Frage, dass jetzt Afrika einen zusätzlichen Sitz hat, um dort auch mitzudiskutieren; eine gute Sache, wie ich finde.

Ansonsten geht es um die Frage der Bekämpfung von Hunger und Armut, ein zentrales Thema. Es geht um die Frage, wie wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten; auch ein Thema, das jetzt ja auch noch gleichzeitig bei der sogenannten COP in Baku verhandelt wird.

Krieg und Frieden in der Welt sind natürlich auch Themen, die uns umtreiben, und das muss auch so sein. Wir wissen: Es gibt viele große Konflikte, manche, die gar nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen, aber doch viele Menschenleben kosten. Ich will nur an den Sudan erinnern. Wir wissen um die großen Gefahren, die im Nahen Osten zu beobachten sind, und natürlich geht es auch um die Frage des Krieges, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat. Das darf nicht gering geschätzt werden.

Russlands Angriff auf die Ukraine hat eine der zentralen Verständigungen der Vereinten Nationen und der Völkergemeinschaft infrage gestellt, nämlich dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen. Es muss in der Welt so sein, dass sich kleine Nachbarn vor ihren großen, mächtigen Nachbarn nicht fürchten müssen. Es muss so sein, dass man sich auf das Recht verlassen kann, und es darf nicht so sein, dass jemand, der sich ausreichend mächtig genug fühlt, einfach sagt: Ich erobere einen Teil meines Nachbarlandes. – Das ist ein Prinzip, das für alle gilt und das auch hier wieder neu besprochen werden muss.

Ich will gar nicht verhehlen, dass ich sehr bedauere, dass, anders als bei vorherigen Treffen, der ukrainische Präsident Selenskyj nicht zu diesem Treffen eingeladen worden ist. Ich habe mich dafür sehr intensiv eingesetzt, andere auch. Das aber ist jetzt nicht der Fall. Das zeigt aber auch, was für große Herausforderungen wir vor uns haben.

Lassen Sie mich deshalb auch noch ein, zwei Sätze zu der Situation in der Ukraine sagen. Die Ukraine verteidigt zu Recht ihre Unabhängigkeit und Souveränität und kann sich dabei auf viele Freunde in der Welt und ganz besonders auf Deutschland verlassen. Wir sind in Europa mit Abstand der größte Unterstützer der Ukraine, auch, wenn es um militärische Hilfe und Waffenlieferungen geht. Das bleibt so. Wir haben dafür gesorgt, dass es eine breite Unterstützung durch einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Dollar gibt, den die G7-Staaten, die wirtschaftsstarken Demokratien, auf den Weg gebracht haben, und wir werden weiter ein verlässlicher Partner der Ukraine sein. Wir liefern, was wir angekündigt haben. Auch das gehört dazu.

Ich habe in den letzten Tagen und Wochen immer wieder mit vielen über diese Situation gesprochen – mit dem amerikanischen Präsidenten, mit dem gewählten künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, mit meinen Freunden aus Großbritannien und Frankreich, mit vielen, vielen anderen und natürlich immer wieder, zuletzt diese Woche, auch mit dem ukrainischen Präsidenten.

In diesem Zusammenhang habe ich auch, wie lange angekündigt, ein Gespräch mit dem russischen Präsidenten gesucht das war wichtig, um ihm zu sagen, dass er nicht damit rechnen darf, dass die Unterstützung Deutschlands, Europas und vieler anderer in der Welt für die Ukraine nachlassen wird, sondern dass es jetzt auch an ihm ist, dafür Sorge zu tragen, dass der Krieg ein Ende findet, auch, indem er ihn von seiner Seite aus beendet und Truppen zurückzieht. Das Gespräch war sehr ausführlich, hat aber auch zu der Erkenntnis beigetragen, dass sich bei dem russischen Präsidenten an seinen Ansichten zu diesem Krieg nicht viel geändert hat, was keine gute Nachricht ist. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir in der Frage des Prinzips sehr klar sind, nämlich dass sich die Ukraine auf uns verlassen kann und dass der Grundsatz gilt: Über die Köpfe der Ukraine hinweg wird es keine Entscheidungen geben.